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Vor dem Kadi kommt die Mediation

Außergerichtliche Einigungen sind das Anliegen des neuen Mediationsgesetzes, das heute im Bundesrat auf der Tagesordnung steht. Statt direkt vor den Kadi zu ziehen, sollen sich Prozessparteien erst einmal an einen Verhandlungstisch setzen - in Begleitung eines geschulten Vermittlers.

Von Wolf-Sören Treusch | 10.02.2012
    Jeder kennt Fälle wie diesen: ein Wohnungseigentümer hat Laminat verlegen lassen. Nach kürzester Zeit wirft es Blasen und löst sich vom Boden ab. Der Handwerker bessert nach, neue Probleme treten auf. Der Wohnungseigentümer ist sauer, will sein Geld zurück, der Handwerker ist dazu nicht bereit. Nun könnte der Auftraggeber vor Gericht ziehen, in diesem Fall wählt er aber das Mediationsverfahren: ein Dritter vermittelt. Mit dessen Hilfe einigen sich die beiden Streithähne darauf, dass der Handwerker ein zweites Mal nachbessert. Mit dem Ergebnis sind beide zufrieden.

    Das Mediationsgesetz fördert genau solche Konfliktlösungen. Die Versicherungswirtschaft findet den Gesetzentwurf prima, sagt Christian Lübke vom Gesamtverband GDV. Weil in ihm Qualitätsstandards für Mediation festgelegt werden.

    "Ganz wichtig ist, dass Mediatoren keine Parteivertreter sind, das heißt sie schlagen sich nicht auf die eine oder andere Seite, sondern sie versuchen, zwischen zwei beteiligten Streitparteien zu vermitteln. Und deshalb ist es ganz wichtig, dass der Mediator zertifiziert ist, dass er qualitative Standards erfüllt, wenn er diese Tätigkeit ausüben möchte. Unabhängig von seiner eigenen Tätigkeit. Ob er nun Rechtsanwalt, Psychologe oder Pädagoge ist."

    Das neue Gesetz sieht zudem vor, dass Mediationsverfahren Standard werden. In einer Klageschrift vor Gericht soll zukünftig stehen, ob Kläger und Beklagter vorher den Versuch einer außergerichtlichen Lösung angestrebt haben. Wie sie es begründen, falls sie es nicht getan haben, bleibt allerdings Ermessenssache. Der Rechtsweg steht dem Verbraucher jedenfalls weiterhin offen, sagt Christian Lübke vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

    "Er hat immer ein Anrecht darauf, einen Rechtsanwalt zu nehmen und dann eben seinen Streit notfalls vor Gericht auszufechten. Die Mediation über den Rechtsschutzversicherer ist ein ad on, ein Zusatzbaustein, den er wählen kann, aber nicht in Anspruch nehmen muss. Es ist im Rahmen des Rechtsschutzversicherungsvertrages kostenlos."

    Schlichten ist besser als Richten. Gerade im zivilrechtlichen Bereich ließe sich vieles regeln, bevor man vor den Kadi zieht.

    "Das neue Mediationsgesetz ermöglicht letzten Endes eine neue Streitkultur in Deutschland. Wir hoffen und das versprechen wir uns, dass die deutschen Gerichte entlastet werden können."

    Aber die wollen gar nicht entlastet werden. Jedenfalls nicht in einem speziellen Punkt. Der Gesetzentwurf sieht vor, die gerichtsinterne Mediation abzuschaffen. Bisher konnten Richter in Fällen, mit denen sie vor Gericht nicht befasst waren, als Mediatoren tätig sein, wenn die Konfliktparteien es wünschten. Damit soll nun Schluss sein. Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, kritisiert den Gesetzentwurf.

    "Die Gerichtsinterne Mediation war in den letzten Jahren ein Erfolgsmodell, weil mit der Kompetenz eines Richters und mit den Methoden der Mediation, also dem Ansatz, die Parteien selbst Lösungen finden zu lassen, sehr gute Ergebnisse erreicht worden sind, die Erledigungsquoten, das heißt die Quoten übereinstimmender Lösungen liegen zwischen 80 und 90 Prozent."

    Gerade in Verwaltungs- und Finanzgerichtsverfahren habe sich die gerichtsinterne Mediation bewährt, das dürfe nicht ohne Not aufgegeben werden, argumentiert der Deutsche Richterbund.

    "Die Justiz ist froh, wenn sich die Parteien außergerichtlich einigen. Die Fälle, über die wir reden, sind aber Fälle, in denen außergerichtliche Einigungen gescheitert sind, nicht funktioniert haben. Die Verfahren, die bei Gericht anhängig werden, haben alle Versuche, Möglichkeiten der Einigung, der Mediation schon durchlaufen, und in diesem letzten Stadium hat es sich als richtig erwiesen, dass auch ein Gericht nochmals mit den Methoden der Mediation zu einer Einigung hinführt."