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Vor der Regionalwahl
Unsicherheit bei katalanischen Unternehmen

Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien hat auch in der Wirtschaft für Verunsicherung gesorgt. Dies geht aus einer Umfrage unter katalanischen Managern hervor. Seit dem Referendum wurden vielerorts Investitionen auf Eis gelegt, viele Unternehmer klagen über Kundenverluste. Im Vorfeld der Regionalwahlen wächst die Unsicherheit.

Von Hans-Günter Kellner | 18.12.2017
    Der Student Joan Correa schwenkt am 30.10.2017 die Flagge Kataloniens vor dem Gebäude der Provinzregierung in Barcelona, um den abgesetzten Lokalpräsidenten Carles Puigdemont zu unterstützen.
    Eine Flagge Kataloniens weht vor dem Gebäude der Provinzregierung in Barcelona (dpa / Andrej Sokolow)
    Unternehmer brauchen klare Ansagen – das illustriert auch diese Episode: Kurz nach dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober haben sich die Vorstandsvorsitzenden der beiden größten Banken Kataloniens, CaixaBank und Banco Sabadell mit dem katalanischen Vizeregierungschef Oriol Junqueras getroffen. Junqueras, inzwischen in Untersuchungshaft, gilt als einer der härtesten Verfechter für die Unabhängigkeit, erzählt Fernando Trías de Bas von der katalanischen Business-School Esade:
    "Sie wollten wissen, ob es den Politikern wirklich ernst ist mit der Unabhängigkeit, ob eine Sezessionserklärung kurz bevorsteht. Das heißt, die beiden wichtigsten Banker unserer Region wussten von nichts! Wie groß muss da erst die Unsicherheit bei den kleineren Unternehmern gewesen sein! Darum baten die Banken die spanische Zentralregierung um eine Notverordnung, damit sie ihren Firmensitz so schnell wie möglich verlegen können. Bis dahin hatte niemand geglaubt, dass die Nationalisten so weit gehen würden."
    Vergiftetes Klima
    3.000 Unternehmen sind den beiden Banken inzwischen gefolgt. Ein rein symbolischer Schritt ohne konkrete Auswirkungen, betonen die Nationalisten, das operative Geschäft bleibe ja in Katalonien. Das stimmt zwar, die Verlegungen sind dennoch ein Warnschuss, sagt Trías. Er hat im Auftrag der katalanischen Business School 125 katalanische Manager befragt – wie sie die Entwicklungen in Katalonien bewerten. 46 Prozent von ihnen geben an, Investitionen bis auf weiteres auf Eis gelegt zu haben, 44 Prozent sagen, sie hätten Kunden verloren, nicht nur innerhalb Kataloniens und im Rest Spaniens, sondern auch im Ausland. Grund sei das vergiftete Klima:
    "Beziehungen zwischen Unternehmen sind Beziehungen zwischen Menschen. Wenn sich die Leute hier in Katalonien und Katalanen und Spanier nicht mehr verstehen, ist das zwischen den Unternehmen nicht anders. Als katalanischer Unternehmer muss man jetzt ständig seine Haltung zur Unabhängigkeit erklären. Das Thema schwingt überall mit, wo man auch hinkommt. Die katalanische Herkunft wird zum Ballast."
    Image einer Region im Bürgerkrieg
    Auch Manager ausländischer Konzerne mit Filialen in Katalonien wurden befragt – ein Drittel von ihnen beklagt, dass junge Talente nicht mehr in die Region kommen wollen. Selbst während der gegenwärtigen Zwangsverwaltung durch die spanische Regierung ist es zwar überall ausgesprochen friedlich. Aber Katalonien drohe anscheinend das Image einer Region im Bürgerkrieg, warnt Trías de Bas. Er hat darum auch gefragt, was die Manager den Konfliktparteien vorschlagen. Eine Idee: eine weitere Dezentralisierung Spaniens:
    "Mir gefällt Deutschland sehr. Das Finanzzentrum ist Frankfurt, nicht Berlin. Dort ist ein Teil der politischen Macht, aber das Verfassungsgericht ist in Karlsruhe. Auf der anderen Seite ist der spanische Staat in Katalonien kaum präsent. Niemand sieht, welche Leistungen der Staat für uns eigentlich erbringt. Das andere ist: Wir müssen die Finanzierung der Regionen reformieren. Es kann nicht sein, dass Katalonien nach Steuereinnahmen zwar die drittreichste Region Spaniens ist, nach der Verteilung des Gelds über das ganze Land aber nur noch den zehnten Platz belegt. Das passiert auch den Balearen und Madrid und muss korrigiert werden."
    "Wir dürfen keine Sekunde außerhalb der EU sein"
    Und die katalanischen Separatisten müssten nach den Wahlen die Gesetze und die spanische Verfassung respektieren, Brücken zwischen Katalanen und dem Rest Spaniens bauen, statt abzureißen, fordern die Manager. Sie sind dabei trotz allem überraschend optimistisch. Eine Mehrheit glaubt, unabhängig vom Ausgang der Regionalwahl am Donnerstag werde ein Dialog zwischen der neuen katalanischen Verwaltung und der spanischen Regierung in Gang kommen. Halten die Separatisten an der einseitigen Unabhängigkeitserklärung hingegen fest, befürchten die Unternehmen eine längere Zwangsverwaltung als bislang erhofft:
    "Wenn der unilaterale Weg weiterbeschritten wird, wird das ein Desaster. Das sage ich ganz offen. Weitere vier Prozent würden ihr Unternehmen ganz schließen, 35 Prozent ganz oder teilweise weggehen. Das heißt, ein großer Teil der Unternehmen ist nicht bereit, den unilateralen Weg mitzugehen. Und: Wir dürfen keine Sekunde außerhalb der Europäischen Union sein. Das ist für die katalanischen Unternehmen ein rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmen, auf den sie nicht verzichten können."