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Vorbild Dänemark

In Dänemark beträgt der Mutterschutz 18 Wochen: Öffentlich Angestellte beziehen in dieser Zeit das volle Gehalt, aber auch viele Privatunternehmen bezahlen ihren Arbeitnehmern freiwillig die Differenz zwischen dem Elterngeld des Staates und dem eigentlichen Gehalt. Doch all diese Vorteile sind nicht nur Altruismus und Großzügigkeit. Unternehmen bemühen sich damit, junge Eltern an sich zu binden.

Marc-Christoph Wagner |
    Es ist kurz nach halb acht. Bei den Christensens herrscht morgendlicher Trubel. In der Küche bereitet Vater Martin das Frühstück. Im kleinen Bad wickelt Majken den elf Monate alten Tobias. In knapp einer halben Stunde muss die junge Steuerberaterin aus dem Haus.

    "Als ich schwanger wurde, dachte ich: Ein ganzes Jahr weg vom Job, das ist zu lange. Als Tobias dann acht Monate alt war und ich wieder anfing zu arbeiten, da wäre ich an sich gerne noch zu Hause geblieben, denn vieles wurde da gerade leichter und das Dasein als Mutter machte mir Spaß. Andererseits habe ich mich auf meinen Job gefreut. Und so war es natürlich ideal, dass wir Tobias noch nicht in die Krippe geben mussten, sondern dass er daheimbleiben konnte bei seinem Vater."

    Am Herd rührt Martin langsam den Hirsebrei für Tobias. Seit drei Monaten ist der 27-jährige Polizist daheim bei seinem Sohn.
    "Unter den Kollegen ist der Vaterschaftsurlaub sehr anerkannt. Die Älteren sticheln schon ab und an, aber ich glaube, das ist der pure Neid – die hatten damals ja höchstens 14 Tage. Generell finden die meisten, dass man die Möglichkeit wahrnehmen sollte, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, noch dazu bei vollem Gehalt. Denn gerade die ersten Monate sind ja eine wertvolle Zeit."

    Das sieht auch Martins Vorgesetzte, Lene Frank, Personalchefin der Polizei, nicht anders. Die Zeiten, in denen ein Kind allein Aufgabe war der Frau, seien in Dänemark längst vorbei:

    "Wir haben ein Interesse daran, dass unsere Angestellten rundherum zufriedene und ausgeglichene Persönlichkeiten sind. Die Polizisten haben einen stressigen Job mit ständig wechselnden Arbeitszeiten – und da ist es umso wichtiger, dass ihr Familienleben harmonisch ist und sie sich daheim entsprechend engagieren."

    Und auch in der Privatwirtschaft liegen die Dinge längst ähnlich. Majkens Arbeitgeber, die international tätige Steuerberatungsfirma Deloitte, zahlte der jungen Mutter 28 Wochen lang freiwillig das volle Gehalt. Überhaupt, so Konzernchef Jørgen Meyer, könne man zwischen Privat- und Arbeitsleben heute nicht mehr so scharf trennen wie früher. Nur, wer beides miteinander in Einklang bringe, sei ein motivierter Angestellter:

    "Natürlich müssen wir unter dem Strich unser Geld verdienen. Früher war es sicherlich leichter, ein Unternehmen zu führen, als man über all seine Mitarbeiter quasi nach Belieben verfügen konnte. Doch die Zeiten haben sich geändert und es ist sehr spannend, das eigene Unternehmen anzupassen. Ich gebe zu, ich selbst musste mich daran gewöhnen, dass auf einmal selbst karrierebewusste männliche Mitarbeiter anfingen, in den Vaterschaftsurlaub zu gehen. Doch jetzt, wo wir uns unseren Firmenalltag auch daran angepasst haben, finde ich das im Grunde eine sehr spannende Sache."

    Familienfreundlichkeit hin, Veränderungsbereitschaft her – Deloitte wie auch viele andere dänische Unternehmen handeln nicht aus Altruismus und Großzügigkeit allein. Uns bleibt schlichtweg keine Wahl, gesteht Jørgen Meyer. Denn selbst heute, Monate nach dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise, liegt die Arbeitslosigkeit in Dänemark unter drei Prozent.

    "Der Mangel an qualifizierten Fachkräften ist enorm. Vor diesem Hintergrund tun wir alles, um unsere Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden – Männer wie Frauen. Man muss langfristig denken, denn was nützt es, wenn unsere Leute aufgrund von Stress in einem jungen Alter ausbrennen?"