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Vorbildlich und teuer

Bislang gab es Geld in den Schweizer Krankenkassen, die Patienten waren besser versorgt als hierzulande und so galt das Schweizer Gesundheitssystem den Deutschen lange als Vorbild. Doch das war einmal. Jetzt ist es plötzlich anders herum: Der Schweizer Gesundheitsminister schaut neugierig nach Deutschland und nimmt sich ein Vorbild an der Praxisgebühr.

Von Pascal Lechler | 19.05.2009
    Die Schweizer leisten sich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt - wenn nicht sogar das beste. Qualität hat aber auch ihren Preis. Eine vierköpfige Schweizer Familie zahlt fast 1000 Franken an Krankenkassenbeiträgen nur für die Grundversorgung und trotz Selbstbehalt und Eigenanteil pro Arztbesuch.

    Trotzdem klaffen Löcher in den Budget der Schweizer Krankenkassen. Um jetzt einen Kollaps des Systems abzuwenden, sind Beitragssteigerungen von bis zu 10 Prozent notwendig. Felix Steuwly vom Schweizer Krankenkassenverband Santé Suisse spricht offen von einer Baustelle.

    "Es ist in allen industrialisierten Ländern so, dass der Bedarf an Gesundheitsleistungen steigt und immer den höheren Anteil am Bruttoinlandsprodukt einnimmt. Ich denke, dieses Problem hat man generell. Aber man muss schon sagen, dass wir in der Schweiz, wir sind ein Hochpreisland, aber wir haben auch im Gesundheitswesen die zweithöchsten Kosten und wir haben aber nicht eine transparente Qualität, wo wir auch sagen könnten, wir kriegen wirklich so viel mehr für so viel mehr Geld in der Schweiz als in den benachbarten Ländern."

    Im Bundestagswahlkampf 2005 hatte Kanzlerin Merkel das Schweizer System mit Kopfpauschale noch als vorbildlich angeführt. Diese Schweizer Kopfpauschale steht zwar trotz der aktuellen Finanzierungslücken nicht auf dem Spiel. Eine Kostenexplosion bei den Kassenbeiträgen konnte aber auch sie nicht abwenden. Der Schweizer Gesundheitsminister Pascal Couchepin sucht jetzt verzweifelt nach zusätzlichen Finanzmitteln. So will er die Löcher im System kurzfristig stopfen. Unterstützt wird Couchepin durch Berater aus Deutschland. Ein Unding wie Margrit Kessler die Präsidentin der Schweizer Patientenschutzvereinigung SPO meint.

    "Es ist nicht zu akzeptieren, wenn er dann die Fachleute, die in der Schweiz sind, nicht einbezieht, sondern nur auf den fremden Beratern aufbaut und das nachher vollziehen will. Und das hat unglaublich Staub aufgewirbelt. Das ist undemokratisch, das ist für uns nicht haltbar. Und ich bin gespannt, wie lange er das durchhält."

    Deutsche Berater führen offenbar auch zu deutschen Problemlösungsansätzen. Schweizer Patienten sollen beim Arztbesuch eine Praxisgebühr nach deutschem Vorbild berappen. 30 Franken pro Arztbesuch sind angedacht.

    "Das ist unhaltbar. Das ist ein Wasserkopf, der da aufgebaut wird. Und diese administrativen Kosten werden wahrscheinlich noch teurer kommen. In Deutschland hat man ja gesehen, dass es überhaupt nichts bringt. Im ersten Jahr werden die Leute noch darüber nachdenken und danach werden sie genau gleich zum Arzt gehen."

    Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizer Patientenschutzvereinigung, und der Krankenkassenverband Santé Suisse haben dem Schweizer Gesundheitsminister jetzt vorgeschlagen, doch besser bei den Medikamentenpreisen den Rotstift anzusetzen. So könnten die Kassen viel umfassender entlastet werden. Die Pharmaindustrie an die kurze Leine zu nehmen, das dürfte aber schwer werden in einem Land, in dem viele Arbeitsplätze von Roche, Novartis und Co abhängen.