Freitag, 29. März 2024

Archiv

Vorgeblich obenauf
Die Bayern-AfD im Wahlkampf

Ohne Spitzenkandidaten, dafür mit reichlich Selbstbewusstsein präsentiert sich die AfD im bayerischen Landtagswahlkampf. Von den Ereignissen in Chemnitz profitiere man, Björn Höcke sei in Bayern sehr beliebt, heißt es aus dem Landesverband. Doch es gibt heftige parteiinterne Querelen.

Von Michael Watzke | 13.09.2018
    09.06.2018, Bayern, Nürnberg: Franz Bergmüller, Bezirksvorsitzender der AfD in Oberbayern, aufgenommen während des Landesparteitags der Partei. Foto: Daniel Karmann/dpa | Verwendung weltweit
    Die Partei im Rücken oder im Nacken? Franz Bergmüller, AfD-Kandidat bei der Landtagswahl in Bayern. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Franz Bergmüller fischt eine verblichene Plastikkarte aus der Hosentasche. Aufschrift: Alternative für Deutschland. "Ich habe meinen Ausweis immer dabei. Das ist der Originalausweis vom 23. 4. 2013."
    Das Problem: Ausgerechnet das Eintrittsdatum in die AfD ist auf dem ramponierten Ausweis nicht mehr zu erkennen. "Weil ich ihn immer im Geldbeutel habe, ist er halt da schon abgekantet, abgebrochen."
    Der Streit über Franz Bergmüllers Mitgliedsausweis
    Und genau deshalb liefert sich Bergmüller, der bekannteste AfD-Kandidat in Bayern, einen jahrelangen Rechtsstreit mit dem Rest der Partei. Die glaubt nämlich, dass der beschädigte Ausweis kein Versehen ist. Was Bergmüller mächtig in Rage bringt.
    Oberbayerns AfD-Listenführer Franz Bergmüller aus Unterlaus
    Franz Bergmüller mit seinem AfD-Mitgliedsausweis (Deutschlandradio/ Michael Watzke)
    "Na, vielleicht habe ich den Ausweis abgebissen? Wie blöd muss man denn sein? Das Eintrittsdatum ist belegt mit einem Schreiben, das in den Gerichtsakten drin ist. Das lesen die anderen Irren auch."
    Die anderen Irren – das sind in Bergmüllers Erzählung jene AfD-Parteifreunde, die behaupten, Bergmüller sei 2013 Mitglied in zwei Parteien gewesen: in der AfD – und bei den Freien Wählern. Und überhaupt sei Bergmüller eigentlich ein CSUler.
    "I war keine CSU. Da wird unterstellt, ich sei ein CSU-U-Boot. Mitnichten! Also wenn jemand vor sechs Jahren im Unfrieden bei der CSU geschieden ist, und der wäre dann ein CSU-U-Boot? Wie blöd muss man sein, wenn man so was glauben will?"
    Landtagswahlkampf ohne Spitzenkandidat
    Dahinter steckt ein AfD-interner Machtkampf. Auf der einen Seite das Lager um Franz Bergmüller, Gastwirt aus Unterlaus bei Rosenheim und AfD-Listenführer in Oberbayern, dem größten und wichtigsten Landesbezirk im Freistaat. Auf der anderen Seite: der Parteivorstand der AfD, der Bergmüller aus der Partei werfen will. Um ihn durch einen Kandidaten zu ersetzen, der mehr auf der Linie von Bundes-Parteichef Gauland und AfD-Bayern-Führer Martin Sichert liegt.
    Die stellvertretende Landesvorsitzende Katrin Ebner-Steiner spricht nicht gern über Bergmüller, ihren mächtigsten innerparteilichen Konkurrenten.
    "Franz Bergmüller hatte gegen die Bundes-AfD geklagt. Das ist alles ausgestanden, das Gericht hat entschieden. Er ist jetzt wieder Mitglied – und damit ist gut!"
    Tatsächlich hat das Landgericht Berlin die AfD-Mitgliedschaft Franz Bergmüllers bestätigt. Und beim AfD-Parteitag im Juni in Nürnberg wollten die oberbayerischen AfDler Franz Bergmüller zum Spitzenkandidaten für die bayerische Landtagswahl küren. Letztlich konnten sich die Delegierten aber auf keinen Kandidaten einigen. Deshalb tritt die AfD bei der kommenden Landtagswahl in Bayern als einzige Partei ohne Spitzenkandidat an.
    Björn Höcke "kommt sehr gut an in Bayern"
    Katrin Ebner-Steiner erklärt das so:
    "Wir haben basisdemokratisch entschieden. Wir sind eine Partei der Themen und nicht der Köpfe. Wir brauchen keinen Spitzenkandidaten-Superstar."
    Dabei hat die bayerische AfD einen Superstar, der gerade kreuz und quer durch Bayern fährt und kleine Säle erzittern lässt:
    "Lasst einen Ruck durch Bayern gehen, lasst einen Ruck durch Deutschland gehen! Holen wir uns unser Land zurück!"
    Es ist Björn Höcke, den das Partei-eigene AfD-TV bei einer Kundgebung im oberbayerischen Traunreut aufgezeichnet hat. Der Thüringer ist ein persönlicher Freund von Katrin Ebner-Steiner.
    "Ja, Herr Höcke unterstützt uns im Wahlkampf. Er kommt sehr gut an in Bayern, er liebt Bayern. Ich verstehe mich mit ihm privat sehr gut."
    "Viel größerer Zuspruch" seit Chemnitz
    Dass Björn Höcke neulich bei einem Marsch durch Chemnitz mit einer weißen Rose aufgetreten ist – dem Symbol des Widerstands gegen die Nazis –, möchte Ebner-Steiner nicht kommentieren. Sie sagt, Chemnitz habe der AfD in Bayern neue Unterstützer zugetrieben.
    "Seit Chemnitz hat die AfD auch hier in Niederbayern viel größeren Zuspruch. Ich merke das an den Infoständen: Die Leute kommen zu uns und regen sich auf, dass ihre Meinungsfreiheit beschnitten wird."
    Dagegen sieht Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident von der CSU, in den Ereignissen von Chemnitz eine Zäsur.
    "Die AfD hat in Chemnitz ihre Maske der Bürgerlichkeit endgültig abgestreift. Klar ist: Höcke ist ihr politischer Führer. Eindeutig. Wer AfD wählt, wählt Unsicherheit."
    Doch in den Umfragen bleibt die CSU weiterhin bei mageren 36 Prozent. Die AfD liegt in Bayern bei rund 14 Prozent. Und das sei noch niedrig, glaubt Landtags-Kandidatin Ebner-Steiner:
    "Auf jeden Fall, weil viele Bürger nicht zugeben, dass sie AfD wählen. Die machen das im stillen Kämmerlein. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass wir vielleicht sogar 20 Prozent erreichen. Und dann haben wir natürlich auch eine Macht im bayerischen Landtag."
    Parteifreunde? "Das habe ich hier noch nicht erlebt."
    Bei 20 Prozent Stimmenanteil würden rund 40 Abgeordnete der AfD ins Münchner Maximilianeum einziehen. Katrin Ebner-Steiner, die Listenführerin in Niederbayern, ist mit Sicherheit dabei. Und auch Franz Bergmüller, der mit dem Gedanken liebäugelt, Fraktionsführer zu werden.
    "Wenn das Wahlergebnis für Franz Bergmüller entsprechend ausfällt, dann muss die Fraktion entscheiden, was sie will."
    Bisher führt die bayerische AfD den Machtkampf verdeckt. Doch nach der Wahl wird es – da ist sich Bergmüller sicher – zur offenen Feldschlacht kommen. Er, der sich als erfahrenster AfDler in Bayern sieht, dürfe an Veranstaltungen der Bundes-AfD weiterhin nur als Gast teilnehmen.
    "Ja, seit die Widersacher über die Schiedsgerichte versuchen, mich zu diskreditieren. Ich bin natürlich durch diese Anfeindungen behindert in meiner ganzen Wahlkampf-Führung."
    Dann steckt Bergmüller seinen zerschlissenen AfD-Ausweis wieder zurück in die Geldbörse. Parteifreunde? Bergmüller schüttelt den Kopf.
    "Wenn man wirklich befreundet ist mit Leuten, dann steh man zu Freunden. Das habe ich hier noch nicht erlebt."