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VW und der Fußball
"DFL hätte Mehrheitsbeteiligungen von vornherein verbieten sollen"

Der Fußball hat ein Problem - und das nennt sich Mehrfachbeteiligungen. Am Beispiel des Relegationsspiels zwischen Wolfsburg und Braunschweig zeigt sich, dass Interessenkonflikte drohen, wenn ein Konzern in mehreren Vereinen engagiert ist.

Klaas Reese im Gespräch mit Philipp May | 25.05.2017
    Spieler des VfL Wolfsburg mit dem Trikotsponsor Volkswagen
    Volkswagen verfolgt bei seinem Fußball-Sponsoring unterschiedliche Ziele, sagt Fußball-Experte Klaas Reese. (dpa/picture alliance/ Julian Stratenschulte)
    Philipp May: Zwei Sorgen gibt’s im Vorfeld dieses Duells. Zum Einen: bleibt alles ruhig zwischen den Fanlagern bei diesem Nachbarschaftsduell, und zum anderen die Frage: Wie groß ist der Einfluss von VW auf den Ausgang? Wolfsburg – weiß jeder – ist der VW-Werksclub, und massiv gepampert. Aber auch Eintracht Braunschwieg profitiert stark von VW. Mein Kollege Klaas Reese hat sich mit der Problematik befasst. Herr Reese, wird das Duell möglicherweise nicht auf dem Platz entschieden, sondern woanders, in der VW-Zentrale zum Beispiel?
    Klaas Reese: Die Vermutung kam direkt nach Bekanntwerden der Spielpaarung auf. Der VfL gehört ja zu 100 Prozent VW und auch Braunschweig bekommt sechs Millionen seines 28-Millionen-Euro-Etats von Töchtern des Volkswagen-Konzerns. So kann man die Eintracht - im Gegensatz zum VfL – zwar nicht als Werksverein bezeichnen, aber der Einfluss von VW bei der Eintracht darf nicht unterschätzt werden, sitzen doch bei den Braunschweigern etwa auch zwei VW-Führungskräfte im Aufsichtsrat. Dass der Konzern in das Spielgeschehen eingreift ist dennoch unwahrscheinlich – nicht nur weil in der derzeitigen Lage nach dem Abgasskandal jede schlechte Nachricht von Volkswagen vermieden wird.
    May: Wäre es theoretisch auch denkbar, dass der Konzern, wenn Braunschwieg aufsteigt, sagt: Ok jetzt buttern wir halt da die Kohle rein…..
    Reese: Volkswagen verfolgt bei seinem Fußball-Sponsoring unterschiedliche Ziele: einerseits geht es um globales Marketing etwa im Rahmen der Zusammenarbeit von Bayern München und Audi. Dazu gibt es lokale und regionale Strategien, die sich über ganz Deutschland verteilen – so zum Beispiel in Braunschweig, Hannover oder Ingolstadt. Der VfL soll eigentlich auch international eine Rolle spielen, was ja 2015 schon gelungen ist. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass der Konzern das Geld einfach umschichtet. Vor allem, weil man nirgends so viel direkten Einfluss nehmen kann wie in Wolfsburg.
    "Diese Regelung ist maßgeschneidert für Volkswagen"
    May: Es ist ja nicht von der Hand zu weisen. Der Interessenskonflikt ist da. Wie geht die Liga damit um?
    Reese: Der DFL ist die Problematik bekannt. Das Problem ist, dass die DFL im Prinzip schon zu spät gehandelt hat. Sie hätte Mehrheitsbeteiligungen von vornherein verbieten sollen. Vor wenigen Jahren hat sie zwar ihr Regelwerk leicht verschärft und 2015 beschlossen, dass Investoren nicht mehr mehrere Vereine ganz oder zum Teil zu besitzen dürfen. Die Regel begrenzt also Mehrfachbeteiligungen. Ein Investor darf nur an drei Vereinen Anteile halten, an zweien davon höchstens 10 Prozent.
    Diese Regelung ist maßgeschneidert für Volkswagen, denn neben den 100 Prozent am VfL Wolfsburg besitzt der Konzern über die Tochter Audi noch 8,3 Prozent am FC Bayern und 19,94 Prozent am FC Ingolstadt. Die Regel ist also nicht mehr als ein Kompromiss, der vor allem Volkswagen schützt. Ein Unternehmen, das sich als erstes breit im deutschen Fußball engagierte und auch beim DFB als Hauptsponsor des DFB-Pokals auf Werbebanden und Trikotärmeln engagiert ist. Die Regelung kann also als "Lex Volkswagen" bezeichnet werden und geht im Prinzip nicht weit genug.
    May: Das heißt, Regeln werden zwar gemacht, aber immer nur so, dass sie keinem Sponsor wehtun. Ist das überall so?
    Reese: Die Uefa, der europäische Fußballverband ist da von den Regularien her weiter. Wenn einem Unternehmen mehrere Vereine gehören oder er als Sponsor Einfluss hat, darf nur einer im selben internationalen Wettbewerb mitspielen. Auch die DFL könnte einem Unternehmen verbieten Anteile eines Bundesligisten zu besitzen, wenn ihm auch ein Verein im Ausland gehört. Die Uefa hat hier also modernere und sinnvollere Regeln als die DFL. Ob sie sie durchsetzt wird sich in der Causa Red Bull zeigen, die aktuell versuchen ihre Vereine Rasenballsport Leipzig und den FC Red Bull Salzburg zu entflechten, um nicht gegen Uefa-Richtlinien zu verstoßen. Verflechtungen personeller und finanzieller Natur zwischen Unternehmen und Vereinen sind eine Gefahr für den Fußball, denn nur der Verdacht der Ergebnisabsprache bedroht die Integrität des Wettbewerbs, denn die Spannung ist das höchste Gut des Sports.