Hans-Dieter Amthor besucht seinen Probanden - wie es im Juristendeutsch heißt - in einer schmucklosen Großgarage. Roberto Bartolomeo saugt das letzte Staubkörnchen aus einem Gebrauchtwagen, den er im Auftrag eines Auto-Händlers wieder flottmacht. Der gebürtige Norditaliener ist zwei Mal rechtskräftig verurteilt - wegen Betrugs und Fahrens ohne Führerschein. Von drei Jahren auf Bewährung hat er noch ein Jahr vor sich.
Der Mittzwanziger schaltet den Staubsauger aus. Sein Bewährungshelfer kommt ohne Umschweife zum Grund seines Besuchs.
"Am Zehnten ist die Anhörung wegen Ihrer Bewährungssache. Ich hab da mit dem Richter schon mal drüber gesprochen, hab’ gesagt, dass man vom Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Bewährung mal Abstand nehmen sollte, weil im Moment nach der letzten Verurteilung machen Sie ja alles eigentlich. Und wenn Sie dahin gehen zur Anhörung: Einmal ziehen Sie sich anständig an - ich komm mit, ja - und dann erzählen Sie ein bisschen, dass Sie ihre Arbeit machen, dass Sie sich selbständig gemacht haben, ihren eigenen Kram verdienen, nicht mehr abhängig sind von staatlicher Hilfe, dass Sie, obwohl Sie was mit Autos machen, keinen Führerschein brauchen, weil Sie einen Fahrer haben. Das muss alles mal erzählt werden."
Damit Bartolomeo nicht doch noch ins Gefängnis muss, weil er vor anderthalb Jahren – zu Beginn seiner Bewährungszeit - beim Fahren ohne Führerschein ertappt worden ist. Vor einem halben Jahr hat ihm schon einmal Haft gedroht wegen eines noch länger zurückliegenden Betrugs. Damals entschied er sich lieber für die elektronische Fußfessel.
"Ich hab schon einen Brief gehabt vom Strafantritt direkt, da wurde mir klar, entweder du machst es jetzt anders oder du bist drin."
"Es war auch in Ordnung, dass er ne Freiheitsstrafe ohne Bewährung bekommen hat, nur von seiner sozialen Situation war es absolut unpassend. Und da haben wir gesagt, lasst es uns probieren, der Herr Bartolomeo will sich jetzt selbstständig machen und wir gucken, ob das Geblubber ist, ob er uns nur einen erzählt, oder ob das tatsächlich ist und das kontrollieren wir im Rahmen der elektronischen Fußfessel, und das hat sich dann bewiesen, dass er es tatsächlich auch durchziehen will und den Druck hat er ganz gut gebraucht, war anfangs nicht so furchtbar einfach","
ergänzt Hans Dieter Amthor, geht vor seinem Probanden in die Hocke, betastet den armbanduhrgroßen Sender an dessen Fußgelenk, überprüft den Sitz der schwarzen Plastikschnalle und nickt zufrieden.
""Ok. Alles klar, die liegt gut an."
Der Empfänger bei Bartolomeo zu Hause überwacht, ob der Proband zu den im Wochenplan vereinbarten Zeiten anwesend ist und das Haus pünktlich zur Arbeit verlässt. Geortet werden kann er mit Hilfe der Fußfessel nicht. Aber wenn der Jung-Unternehmer abends nicht pünktlich in seine Wohnung kommt oder wenn er morgens die Arbeit schwänzt, fällt das seinem Bewährungshelfer auf.
"In dem Fall kriegen wir eine Alarmmeldung, dass jemand unerlaubt zu Hause ist. Dann ruft der Rufbereitschaftsdienst sofort dort an und fragt, was ist los, warum sind Sie noch zu Hause? In dem Fall geht der Proband ans Telefon, weil er weiß, wir wissen, dass er zu Hause ist. Und dann würden wir ihn wecken, auffordern, das Haus zu verlassen. Der Bereitschaftsdienst bekommt dann eine Meldung, wann er das Haus verlassen hat. Diese Meldung bekomme ich am nächsten Morgen noch mal per Fax. Dann kann ich auch noch mal intervenieren, kann fragen, was war los, warum sind Sie nicht aufgestanden, haben Sie keinen Bock gehabt, warum nicht, Sie wissen doch, wir haben Ziele vereinbart miteinander, was ist das Problem? - und kann versuchen, das mit ihm zu bearbeiten."
Hans-Dieter Amthor hat gemeinsam mit seinem Zögling minutengenau den Wochenplan ausgearbeitet, den die Fußfessel überwacht.
"Ich mach das immer so, dass ich ein Gespräch mit den Leuten führe über ihre momentane Lebensrealität, über das, was ist, über das, wo sie mittel- und langfristig hinwollen. Und dem passe ich einen Wochenplan an. Beispielsweise wenn einer sagt, ich hab bisher noch nichts drauf, aber ich würde gerne eine Ausbildung zum Mechatroniker machen, dann sage ich, das könne Sie erst mal brennen, ohne Hauptschulabschluss, da fangen wir vielleicht erst mal mit einem Hauptschulabschluss an. Und das würde bedeuten. Sie müssen zu einer gewissen Zeit aufstehen, sie müssen zu einer Ausbildungsstelle gehen, und dann müssen sie regelmäßig da erscheinen und auch mal den inneren Schweinehund überwinden, und das machen wir durch Kontrolle mit dem Wochenplan."
Bei bislang 800 Straffälligen in Hessen mit Erfolg. Hans-Dieter Amtohr bilanziert,
"dass weit über 90 Prozent die Zeit mit der Fußfessel durchgehalten haben, ohne dass es zu einem Widerruf der Bewährung oder einem Wiedereinsetzen des Haftbefehls gekommen ist. Was danach passiert, wissen wir nicht so genau, wir haben eine wissenschaftliche Begleitung über ein kriminologisches Institut, die uns nach zwei Jahren Projektphase bescheinigt haben, dass wir erheblich erfolgreicher sind, als der Knast es wäre, dass wir preiswerter sind und die Leute tatsächlich ihre Ziele erreichen."
Baden-Württemberg und Hessen testen derzeit eine GPS-Fußfessel, mit deren Hilfe Flüchtige auch geortet werden können. Allerdings nur eingeschränkt, gibt Hessens liberaler Justizminister Jörg-Uwe Hahn zu bedenken. Lückenlos könne selbst die satellitengestützte Fußfessel einen Schwerverbrecher nicht überwachen. Beispiel:
"In einem Zehnstockwerkhaus kann man nicht genau feststellen, ob der Proband im ersten oder im dritten Stockwerk ist, und damit ist die Sicherheit nicht so da, dass man sagen kann, das GPS-System als Fußfessel ist nun wirklich die Verhinderung von Straftaten. Abgesehen davon kann man die Vergewaltigung vornehmen, wenn man die GPS-Fußfessel trägt."
Weshalb die neuartige Fußfessel nach Auffassung des Justizministers nicht als Alternative zur viel diskutierten Sicherungsverwahrung von Sexualstraftätern in Frage kommt. Wohl aber als ergänzendes Instrument, um zum Beispiel einem vorzeitig entlassenen Straftäter die Rückkehr in einen geregelten Tagesablauf zu erleichtern.
Der Mittzwanziger schaltet den Staubsauger aus. Sein Bewährungshelfer kommt ohne Umschweife zum Grund seines Besuchs.
"Am Zehnten ist die Anhörung wegen Ihrer Bewährungssache. Ich hab da mit dem Richter schon mal drüber gesprochen, hab’ gesagt, dass man vom Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Bewährung mal Abstand nehmen sollte, weil im Moment nach der letzten Verurteilung machen Sie ja alles eigentlich. Und wenn Sie dahin gehen zur Anhörung: Einmal ziehen Sie sich anständig an - ich komm mit, ja - und dann erzählen Sie ein bisschen, dass Sie ihre Arbeit machen, dass Sie sich selbständig gemacht haben, ihren eigenen Kram verdienen, nicht mehr abhängig sind von staatlicher Hilfe, dass Sie, obwohl Sie was mit Autos machen, keinen Führerschein brauchen, weil Sie einen Fahrer haben. Das muss alles mal erzählt werden."
Damit Bartolomeo nicht doch noch ins Gefängnis muss, weil er vor anderthalb Jahren – zu Beginn seiner Bewährungszeit - beim Fahren ohne Führerschein ertappt worden ist. Vor einem halben Jahr hat ihm schon einmal Haft gedroht wegen eines noch länger zurückliegenden Betrugs. Damals entschied er sich lieber für die elektronische Fußfessel.
"Ich hab schon einen Brief gehabt vom Strafantritt direkt, da wurde mir klar, entweder du machst es jetzt anders oder du bist drin."
"Es war auch in Ordnung, dass er ne Freiheitsstrafe ohne Bewährung bekommen hat, nur von seiner sozialen Situation war es absolut unpassend. Und da haben wir gesagt, lasst es uns probieren, der Herr Bartolomeo will sich jetzt selbstständig machen und wir gucken, ob das Geblubber ist, ob er uns nur einen erzählt, oder ob das tatsächlich ist und das kontrollieren wir im Rahmen der elektronischen Fußfessel, und das hat sich dann bewiesen, dass er es tatsächlich auch durchziehen will und den Druck hat er ganz gut gebraucht, war anfangs nicht so furchtbar einfach","
ergänzt Hans Dieter Amthor, geht vor seinem Probanden in die Hocke, betastet den armbanduhrgroßen Sender an dessen Fußgelenk, überprüft den Sitz der schwarzen Plastikschnalle und nickt zufrieden.
""Ok. Alles klar, die liegt gut an."
Der Empfänger bei Bartolomeo zu Hause überwacht, ob der Proband zu den im Wochenplan vereinbarten Zeiten anwesend ist und das Haus pünktlich zur Arbeit verlässt. Geortet werden kann er mit Hilfe der Fußfessel nicht. Aber wenn der Jung-Unternehmer abends nicht pünktlich in seine Wohnung kommt oder wenn er morgens die Arbeit schwänzt, fällt das seinem Bewährungshelfer auf.
"In dem Fall kriegen wir eine Alarmmeldung, dass jemand unerlaubt zu Hause ist. Dann ruft der Rufbereitschaftsdienst sofort dort an und fragt, was ist los, warum sind Sie noch zu Hause? In dem Fall geht der Proband ans Telefon, weil er weiß, wir wissen, dass er zu Hause ist. Und dann würden wir ihn wecken, auffordern, das Haus zu verlassen. Der Bereitschaftsdienst bekommt dann eine Meldung, wann er das Haus verlassen hat. Diese Meldung bekomme ich am nächsten Morgen noch mal per Fax. Dann kann ich auch noch mal intervenieren, kann fragen, was war los, warum sind Sie nicht aufgestanden, haben Sie keinen Bock gehabt, warum nicht, Sie wissen doch, wir haben Ziele vereinbart miteinander, was ist das Problem? - und kann versuchen, das mit ihm zu bearbeiten."
Hans-Dieter Amthor hat gemeinsam mit seinem Zögling minutengenau den Wochenplan ausgearbeitet, den die Fußfessel überwacht.
"Ich mach das immer so, dass ich ein Gespräch mit den Leuten führe über ihre momentane Lebensrealität, über das, was ist, über das, wo sie mittel- und langfristig hinwollen. Und dem passe ich einen Wochenplan an. Beispielsweise wenn einer sagt, ich hab bisher noch nichts drauf, aber ich würde gerne eine Ausbildung zum Mechatroniker machen, dann sage ich, das könne Sie erst mal brennen, ohne Hauptschulabschluss, da fangen wir vielleicht erst mal mit einem Hauptschulabschluss an. Und das würde bedeuten. Sie müssen zu einer gewissen Zeit aufstehen, sie müssen zu einer Ausbildungsstelle gehen, und dann müssen sie regelmäßig da erscheinen und auch mal den inneren Schweinehund überwinden, und das machen wir durch Kontrolle mit dem Wochenplan."
Bei bislang 800 Straffälligen in Hessen mit Erfolg. Hans-Dieter Amtohr bilanziert,
"dass weit über 90 Prozent die Zeit mit der Fußfessel durchgehalten haben, ohne dass es zu einem Widerruf der Bewährung oder einem Wiedereinsetzen des Haftbefehls gekommen ist. Was danach passiert, wissen wir nicht so genau, wir haben eine wissenschaftliche Begleitung über ein kriminologisches Institut, die uns nach zwei Jahren Projektphase bescheinigt haben, dass wir erheblich erfolgreicher sind, als der Knast es wäre, dass wir preiswerter sind und die Leute tatsächlich ihre Ziele erreichen."
Baden-Württemberg und Hessen testen derzeit eine GPS-Fußfessel, mit deren Hilfe Flüchtige auch geortet werden können. Allerdings nur eingeschränkt, gibt Hessens liberaler Justizminister Jörg-Uwe Hahn zu bedenken. Lückenlos könne selbst die satellitengestützte Fußfessel einen Schwerverbrecher nicht überwachen. Beispiel:
"In einem Zehnstockwerkhaus kann man nicht genau feststellen, ob der Proband im ersten oder im dritten Stockwerk ist, und damit ist die Sicherheit nicht so da, dass man sagen kann, das GPS-System als Fußfessel ist nun wirklich die Verhinderung von Straftaten. Abgesehen davon kann man die Vergewaltigung vornehmen, wenn man die GPS-Fußfessel trägt."
Weshalb die neuartige Fußfessel nach Auffassung des Justizministers nicht als Alternative zur viel diskutierten Sicherungsverwahrung von Sexualstraftätern in Frage kommt. Wohl aber als ergänzendes Instrument, um zum Beispiel einem vorzeitig entlassenen Straftäter die Rückkehr in einen geregelten Tagesablauf zu erleichtern.