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Wachstumschancen nach der Krise

In Hannover findet derzeit die "Agritechnica" statt, nach Angaben der Veranstalter die weltgrößte Messe für Landtechnik, wie Traktoren, Erntemaschinen oder Belüftungssysteme für den Stall zum Beispiel. Im Umfeld dieser Messe findet aber auch eine Vielzahl anderer Veranstaltungen statt, die sich mit Trends, Visionen oder Forschungsschwerpunkten in der Landwirtschaft beschäftigen, wie umweltschonende Bodenbearbeitung, Anbau von Energiepflanzen oder sparsame Bewässerung. Im Rahmen dieses Begleitprogramms hat die Universität Göttingen gemeinsam mit dem Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young eine neue Studie veröffentlicht mit Blick in die Zukunft: Wie entwickelt sich der Handel mit deutschen Agrarprodukten im internationalen Umfeld? So lautete die Fragestellung.

Von Susanne Schrammar |
    "Gemessen an dem, was man aus anderen Branchen - denken Sie nur an den Maschinenbau oder die Fahrzeugindustrie - zum Teil kennt, geht es dem Agribusiness summa summarum recht gut. Im Großen und Ganzen waren die Unternehmen sehr optimistisch, schon recht zufrieden, was ihre Geschäftslage und auch, was ihre zukünftige Geschäftsentwicklung anging."

    Zu diesem Ergebnis kommt die Trendstudie, für die ein Expertenteam um Ludwig Theuvsen, Betriebswirtschaftler an der Universität Göttingen, 150 Unternehmen aus Ernährungsindustrie, Bioenergie-Produktion, Agrartechnik, Handel und anderen der Landwirtschaft vorgelagerten Zweigen befragt hat. Die sogenannte Agribusiness-Branche hat ihren Umsatz 2008 auf mehr als 204 Mrd. Euro gesteigert, beschäftigt rund 600.000 Mitarbeiter und gilt hinter der Automobilbranche als Nummer Zwei in den deutschen Wirtschaftssparten. Aufgrund der Krise stagniere in diesem Jahr erstmals das Wachstum, so Theuvsen. Vorrangiger Grund: der Preisdruck bei einer Vielzahl von Agrarrohstoffen, die das Einkaufsverhalten der Landwirte beeinflusse. Vor allem Landtechnik, aber auch Dünger und Futtermittel würden vorsichtiger geordert. Für dieses und nächstes Jahr könne ein Umsatzrückgang nicht ausgeschlossen werden. Ab 2011 sehe die weltweite Prognose jedoch wieder rosiger aus, sagt Christan Janze vom Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Young, das an der Studie mitgewirkt hat:

    "Das Bevölkerungswachstum, das Entstehen kaufkräftiger Nachfragerschichten in Schwellenländern, veränderte Essgewohnheiten, die zunehmende Bioenergieproduktion, die Verwendung von Agrarrohstoffen für die Bioenergieproduktion wird nach Einschätzung der Unternehmen dazu führen, dass die Preise auch für Agrarrohstoffe weiterhin steigen werden und auch der Handel und auch der Bedarf auch an Agrarrohstoffen weiterhin zunimmt."

    Ein Großteil der Unternehmen rechnet demnach mit steigenden Preisen für Getreide, Ölsaaten und Schweinefleisch, auch für Milch prognostizieren immerhin 47 Prozent der Befragten einen Anstieg, während sich fast ein Drittel auf sinkende Milchpreise einstellt, auch beim Zucker werde der Trend negativ eingeschätzt. Die meisten rechnen damit, dass sich Preisschwankungen in Zukunft noch verstärken werden. Die derzeitige Strategie der Unternehmen im Agribusiness sei von dem Motto "Vorsicht ist Trumpf" geprägt, hat Wirtschaftsprofessor Theuvsen in der Trendstudie festgestellt.

    "Konsolidierung und Stabilisierung kommt eine große Rolle für die Unternehmen zu, das ist für mich nicht sonderlich überraschend, wenn man es bedenkt, dass wir es mit sehr vielen Familienbetrieben zu tun haben, aber auch mit Genossenschaften im bäuerlichen Eigentum, etwa auf der Verarbeitungsseite, dann sind eben nicht immer die spektakulären Wachstumssprünge und Storys entscheidend, sondern eine richtige Weiterentwicklung der Unternehmen."

    Obwohl derzeit rund ein Drittel der Befragten in der Agribusiness-Branche über die sogenannte Kreditklemme klage, also Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihres Geschäftes hätte, schauten die meisten Entscheidungsträger jedoch optimistisch in die Zukunft. Vor allem in der Lebensmittelindustrie setzen nach Ergebnissen der Studie Unternehmen gezielt auf die Besetzung von Nischen - zum Beispiel im Bereich qualitativ hochwertiger Milchprodukte. Insgesamt richte die Branche ihren Blick nach der Krise vor allem auf eine weitere Erschließung der Auslandsmärkte, so Wirtschaftsberater Janze.

    "Ganz klar ist dabei also Mittel- und Osteuropa im Vordergrund, also "Go East" ist das ganz klare Schlagwort für die Agribusiness-Industrie aus Deutschland, aber auch Märkte wie China oder Indien, das verwundert aber nicht weiter, werden auch bewusst wahrgenommen und auch bewusst im Markt bearbeitet."

    Die gemeinsame Trendstudie von Ernst & Young und der Universität Göttingen kommt zu dem Ergebnis, dass in den Bereichen Ernährungsindustrie, Agrartechnik, Bioenergie, aber auch in der Saatgut-, der Pflanzenschutz-, Futter- und Düngemittelindustrie nach der Krise wieder große Wachstumschancen zu erwarten seien, so Professor Theuves.

    Insgesamt stehen die Ampeln durchweg auf Grün für das Agribusiness, auch wenn man in der Wirtschaftskrise gerade ein bisschen braucht, um das Gaspedal zu finden.