Nahost
Waffenruhe und Truppenabzug im Gazastreifen - wie es mit dem Friedensplan weitergeht

Im Gazastreifen hat am Mittag die vereinbarte Waffenruhe begonnen. Israel hat nach eigenen Angaben den versprochenen Teilrückzug ihrer Soldaten aus dem Gazastreifen bereits abgeschlossen. Ein Überblick, wie es jetzt weitergeht.

    Israelische Soldaten ziehen sich nahe der Israel-Gaza-Grenze zurück.
    Die israelische Armee zieht sich aus dem Gazastreifen zurück. (AP / Emilio Morenatti)

    Israel zieht Truppen ab

    Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben die erste Phase ihres Rückzugs aus dem Gazastreifen abgeschlossen. Man habe sich an den im US-Friedensplan vorgesehenen Linien positioniert, teilte ein Sprecher mit. Israelische Militärkorrespondenten veröffentlichten in Sozialen Medien Fotos und Videos von Panzerkolonnen, die sich auf dem Rückzug befinden sollen. Auch mehrere Nachrichtenagenturen meldeten unter Berufung auf Anwohner, dass israelische Soldaten ihre Stellungen in Chan Junis und Gaza Stadt verlassen hätten.
    Einige Bewohner kehrten bereits in ihre nach zwei Jahren Krieg völlig zerstörten Wohngebiete zurück, Tausende machten sich auf den Weg vom Süden des Gebiets in den Norden.
    Ein vollständiger Rückzug der israelischen Soldaten aus Gaza ist laut dem Friedensplan von US-Präsident Trump erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, wenn eine internationale Stabilisierungstruppe für Sicherheit vor Ort sorgt. Auch eine Entwaffnung der Hamas soll erst später erfolgen. 

    Freilassung von Geiseln und inhaftierter Palästinenser

    Mit der Feuerpause beginnt eine 72 Stunden lange Frist zur Heimkehr der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln. Nach israelische Angaben handelt es sich um 48 Menschen, von denen nach Angaben von Premierminister Netanjahu 20 noch am Leben sind. Im Gegenzug soll Israel mehr als 2.000 inhaftierte Palästinenser freilassen - unter ihnen 250 zu lebenslanger Haft verurteilte Gefangene.
    Gemäß der Abmachung soll die Hamas zudem Informationen über die sterblichen Überreste toter Geiseln teilen, deren Verbleib unklar ist. Eine Gruppe von Experten aus Israel, den USA, Ägypten, Katar, der Türkei und vom Roten Kreuz solle nach den Leichen suchen, berichtet der Fernsehsender i24.
    Israel hat sich verpflichtet, im Gegenzug rund 250 palästinensische Häftlinge und etwa 1.700 weitere Palästinenser freizulassen, die nach dem 7. Oktober 2023 inhaftiert wurden. 
    US-Präsident Donald Trump plant nach eigenen Angaben am Sonntag in Richtung Nahost aufzubrechen. Er ist eingeladen worden, vor dem israelischen Parlament eine Rede zu halten. Trump könnte dann auch bei der Freilassung der Geiseln vor Ort sein.

    Wiederaufnahme von Hilfslieferungen

    Israel hat den Vereinten Nationen erlaubt, noch am Sonntag mit Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu beginnen. Dies teilte ein UNO-Vertreter mit. Die Lieferungen umfassten auch 170.000 Hilfsgüter, die bereits in Nachbarländern wie Jordanien und Ägypten lagerten. Den Angaben zufolge hatten die Vereinten Nationen und ihre Partnerorganisationen in den vergangenen Monaten nur 20 Prozent der benötigten Güter in das Gebiet bringen können. Nötig wären täglich rund 500 Lastwagenladungen gewesen, um die Versorgung der mehr als zwei Millionen notleidenden Palästinenser in dem abgeriegelten Küstengebiet zu garantieren.
    Bundeskanzler Merz hat angekündigt, dass sich Deutschland an der humanitären Soforthilfe mit 29 Millionen Euro beteiligt. Er machte zugleich klar, dass Bundeswehrsoldaten nicht in Gaza zum Einsatz kommen werden. Merz betonte, man werde aber helfen, den rechtlichen Rahmen für eine mögliche internationale Stabilisierungsmission zu schaffen, etwa durch eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat.

    Weißes Haus: US-Truppen sollen Waffenruhe absichern

    Die USA wollen die Einhaltung der Waffenruhe nach eigenen Angaben mit Truppen unterstützen. Die für die Region zuständige Kommandozentrale des US-Militärs Centcom werde 200 Soldaten bereitstellen. Diese würden allerdings nicht im Gazastreifen eingesetzt, erklärten hochrangige US-Regierungsbeamte in einem Telefonat mit Journalisten. 
    Es gehe darum, ein gemeinsames Kontrollzentrum zu errichten, an dem auch Streitkräfte aus Ägypten, Katar, der Türkei und wahrscheinlich auch der Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt seien. Das Zentrum solle die verschiedenen Sicherheitskräfte zusammenführen und Einsätze mit der israelischen Armee abstimmen. Wo genau die Soldaten stationiert würden, werde noch ermittelt und später bekanntgegeben.

    Verhandlungen über dauerhaften Frieden stehen noch aus

    Die USA hatten betont, dass es zwei Phasen der Verhandlungen geben soll. Zum einen die über die Geisel-Freilassung sowie eine zweite Phase, in der ein langfristiger Frieden gesichert werden solle. Zu dieser Phase zählen die USA auch die Entwaffnung der Terrororganisation Hamas. Allerdings sind mehrere zentrale Streitpunkte weiterhin ungeklärt; zum Beispiel wie der Gazastreifen künftig regiert werden soll. Fraglich ist auch, ob der Plan letztlich zu einer Zweistaatenlösung führt, also der friedlichen Koexistenz eines unabhängigen palästinensischen Staats neben dem jüdischen Staat Israel.
    Bei den israelischen Angriffen auf den Gazastreifen wurden mehr als 67.000 Palästinenser getötet. Der Feldzug war eine Reaktion auf einen Terrorangriff gegen Israel von Hamas-geführten Extremisten am 7. Oktober 2023. Damals töteten die Angreifer mehr als 1.200 Menschen und verschleppten 251 Geiseln in den Gazastreifen.
    Diese Nachricht wurde am 10.10.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.