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Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin
Von der Leyen muss Zugeständnisse machen

Noch ist unklar, ob Ursula von der Leyen am Abend tatsächlich vom Europäischen Parlament zur Kommissionspräsidentin gewählt wird. Deswegen kommt sie Fraktionen entgegen. Nur muss sie aufpassen, nicht zu viel zu versprechen – denn auch das könnte ihre Wahl gefährden.

Von Peter Kapern | 16.07.2019
Ursula von der Leyen in Brüssel
Ihre Wahl Ursula von der Leyens zu EU-Kommissionspräsidentin durch das Europäische Parlament gilt nicht als gesichert (AP/Francisco Seco)
Nervös tritt David McAllister von einem Bein auf das andere. Er steht mit anderen Abgeordneten und einer Gruppe Journalisten vor dem Fraktionssaal und schaut gespannt den Gang hinunter:
"So, ich warte jetzt genau so wie Sie auf Ursula."
Dann kommt Ursula von der Leyen. Eisern lächelnd verschwindet sie wortlos im Sitzungssaal. Dort trifft sie die Abgeordneten der EVP-Fraktion. Es ist ihr zweiter Besuch dort seit ihrer überraschenden Nominierung für das Amt der Kommissionschefin.
Seit zwei Wochen kämpft sie nun um eine Mehrheit im Europaparlament. Hier, bei den Christdemokraten, ist ihr die Zustimmung sicher. Bei den anderen Fraktionen steht es eher Spitz auf Knopf.
Ihr Rücktritt als Verteidigungsministerin
Im Kreis der EVP-Abgeordneten lässt Ursula von der Leyen zwei Bomben platzen, deren Druckwellen durchaus in den anderen Fraktionen spürbar sein sollen. Bei den Sozialdemokraten, den Liberalen und den Rechtskonservativen.
Von der Leyen kündigt ihren Rücktritt als Verteidigungsministerin an. All In – sie setzt alles auf eine Karte. Sie will wirklich nach Europa. Das ist die Botschaft, die Zweifler in den anderen Fraktionen überzeugen soll.
Und dann sagt sie, dass der bei vielen Europaabgeordneten so verhasste Generalsekretär der EU-Kommission, der Deutsche Martin Selmayer, nicht auf seinem Posten bleiben wird.
Selmayer gilt als die graue Eminenz der Kommission, Ursula von der Leyen ist bereit, ihn zu opfern, nicht einmal Mitglied ihres Kabinetts solle er werden.
Auch das eine Botschaft an die Skeptiker im Parlament, die Daniel Caspary, Chef der Unionsabgeordneten im Europaparlament, dann noch mit einem Appell untermauert:
"Wir tragen in Europa Verantwortung, dass hier nicht Chaos ausbricht und Instabilität über den Sommer droht. Sondern wir sind jetzt gefordert als Europäisches Parlament, Mehrheiten aufzubauen und da kann ich nur allen raten, jetzt die Kommissionspräsidentin zu wählen."
"Ein Geschöpf des Rates"
Die deutschen SPD-Abgeordneten geben sich kurz drauf aber eher unbeugsam. Evelyn Gebhardt etwa, die Abgeordnete aus Baden-Württemberg:
"Ich weiß schon, dass ich Frau von der Leyen nicht wählen werde, weil ich dem Prinzip des Spitzenkandidaten treu bleiben möchte. Ich habe ein Versprechen den Bürgern gegenüber gemacht, das ich auch halten will."
Ganz ähnlich Udo Bullmann, ehemaliger Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament. Für ihn ist Ursula von der Leyen ein Geschöpf des Rates, der Regierungen der Mitgliedstaaten und deshalb für ihn unwählbar:
"Ich glaube, es ist ein Fehler, eine Struktur zu unterstützen, die nicht im Parlament geboren worden ist. Deswegen werde ich nicht für sie stimmen."
Daran hat auch der Brief nichts geändert, den Ursula von der Leyen an die Fraktion der Sozialdemokraten geschrieben hat. Acht Seiten ist er lang, voller Versprechungen, was sie als Kommissionspräsidentin tun wird.
Versprechungen, die vielen sozialdemokratischen Abgeordneten durchaus zusagen: Ein ambitionierter Klimaschutz, ein europäischer Mindestlohn, eine europäische Arbeitslosenversicherung.
Angewiesen auf Rechts
Wie viele der Sozialdemokraten aus ganz Europa für Ursula von der Leyen abstimmen werden, wird sich erst in der letzten Fraktionssitzung unmittelbar vor der Abstimmung am frühen Abend zeigen. Auf die 16 deutschen Sozialdemokraten kann sie aber wohl kaum bauen.
Einen Brief von Ursula von der Leyen voller Spiegelstriche und Versprechungen haben auch die Liberalen der Fraktion Renew Europe bekommen. Darin sichert sie unter anderem zu, dass die Spitzenkandidatin der Liberalen, Margrete Vestager, einen Top-Job in ihrer Kommission bekommen wird, auf Augenhöhe mit dem Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten, Frans Timmermanns.
In der Fraktion sei dieser Brief sehr freundlich aufgenommen worden, berichtet der FDP-Abgeordnete Andreas Glück nach der Fraktionssitzung:
"Also insgesamt, nachdem der Brief beantwortet wurde, sieht es die Fraktion mehrheitlich so, dass sie Ursula von der Leyen unterstützen möchte. Und von dem her ist jetzt die Stimmung ihr gegenüber in der Fraktion nicht ganz schlecht."
Endgültig über Zustimmung oder Ablehnung wollen aber auch die Liberlaen erst kurz vor der Abstimmung entscheiden. Das lässt die Tür für weitere Absprachen offen.
Doch zu viel darf Ursula von der Leyen den europafreundlichen Fraktionen auch wieder nicht versprechen, das würde sie Unterstützung auf der rechten Seite des Parlaments kosten, auf die sie angewiesen sein wird. Ob ihr der Balanceakt gelingt, wird sich am Abend zeigen.