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Wahlkampf an Schulen
Bremer Schüler protestieren gegen die AfD

In Bremen werden Parteivertreter aus Anlass der anstehenden Bürgerschaftswahl in Schulen eingeladen. Die Schülerinnen des Schulzentrums Walle fanden es falsch, die AfD mit dabei zu haben - und protestierten. Damit bissen sie bei ihrem Schulleiter jedoch auf Granit.

Von Felicitas Boeselager | 29.03.2019
Schild am Eingang einer Berliner Schule - Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage
Podiumsdiskussion mit oder ohne AfD? Eine Frage, die am Schulzentrum Walle, einer "Schule ohne Rassismus", heiß diskutiert wurde (picture alliance / Moritz Vennemann)
Vor dem Schulzentrum Walle hat sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Sie halten Schilder hoch, auf denen steht: "Wir sind mehr.", oder "Omas gegen rechts." Flankiert werden sie von der Polizei. Gleich findet in der Aula der Schule eine Podiumsdiskussion zu den Bürgerschaftswahlen statt. Mit dabei: Vertreter der SPD, Grünen, CDU, FDP, der Linken und der AfD. Dass die AfD hier eingeladen wurde, passt den Demonstranten nicht:
"Ich finde, dass rassistische Parteien nichts an Schulen zu suchen haben, weil wir bieten damit der rassistischen Partei ein Bühne ihre Propaganda da schwingen zu können und das darf überhaupt nicht sein, natürlich muss man sich kritisch damit auseinander setzen, aber nicht in einer Podiumsdiskussion in einer Institution, die eben eine Schule ist", sagt die Schülerin Jasmin Behrens.
Sie hatte vergangene Woche mit einem Protestbrief an den Schulleiter die Diskussion an der Schule entfacht und die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Podiumsdiskussion gelenkt. Auch nach intensiven Gesprächen mit Lehrern und anderen Schülern findet sie es nicht richtig, dass die AfD eingeladen wurde.
Schüler sollen sich mit Gegenpositionen auseinandersetzen
Ihr Schulleiter Matthias Möller ist anderer Ansicht. Die Schule habe Vertreter demokratischer Parteien eingeladen, ihr Kriterium war dabei: Die Parteien müssen im Bundestag sitzen und sowohl für die Europa- als auch für die Bürgerschaftswahl kandidieren. Die Schüler müssten lernen, sich auch mit Positionen auseinander zu setzen, die sie ablehnen, argumentiert Möller:
"Wir haben dann innerhalb der Schulleitung gesagt, dass wir die Argumente der Schülerinnen verstehen, dass wir aber schon finden, dass eine Bildungseinrichtung auch dazu da sein muss eine Vielfalt anzubieten und die Parteien, die diesen Kriterien entsprechen eben auch einzuladen und mit ihnen zu diskutieren."
Die Aula der Bremer Schule füllt sich. Vereinzelt rufen Schüler Parolen gegen die AfD. Bevor die Diskussion beginnt, müssen alle Reporter ihre Ton- und Bildaufnahmen stoppen. Die Schule will vermeiden, dass die Politiker anders antworten, weil sie wissen, dass sie aufgenommen werden. Es soll eine Veranstaltung für die Schüler sein. Vor der eigentlichen Diskussion tragen zwei Schülerinnen ein selbstgeschriebenes Gedicht über Hass vor und ein Statement. Das haben sie nach der Veranstaltung nochmal vorgelesen.
"Wie wir alle wissen, trägt das Schulzentrum Walle die Auszeichnung Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage voller Stolz – und das zu Recht, denn diese Schule ist bunt. 40 verschiedene Nationen hat diese Schule. Es ist alles dabei, ob Kopftuch, Turban, Rastas, Dreadlocks, offene Haare, schwarz, braun, blond oder weiß. Hier ist alles vorhanden und wir sind stolz auf unsere Herkunft, Religionen, Kulturen und Sprachen."
In ihren Eingangsstatements beziehen sich fast alle Politiker auf die Proteste der Schülerinnen und Schüler, loben sie für ihre Haltung. Als Alexander Tassis von der AfD ansetzt, wird es unruhig im Saal, er wird ausgebuht, auch von draußen schallt immer wieder Protest in die Aula.
Genug über die AfD geredet
So bleibt die AfD das dominierende Thema der Veranstaltung, auch die ersten Fragen der Schüler gehen an Tassis und die Politik der AfD – bis es einer Schülerin reicht: Es sei nun genug über die AfD geredet worden, sie will lieber über ein bedingungsloses Grundeinkommen sprechen. Dann zeigt sich, wie gut die Schule auf diese Diskussion vorbereitet ist. Die Schüler stellen kluge und engagierte Fragen zu Rüstungsexporten, dem EU-Urheberrecht und der Privatisierung von Wohnraum – nicht nur der AfD Vertreter schlingert nun in seinen Antworten.
Nach anderthalb Stunden ist die Diskussion vorbei und es schallt ein lautes "Och nein!" durch die Aula – aber die Zeit ist um. Und die Schüler applaudieren begeistert. Die 16-jährige Violenne, die zu Beginn das Gedicht vorgelesen hat, findet es inzwischen gut, dass die AfD dabei war: "Erstmal waren wir auch dagegen, aber im Endeffekt sollte man sich alle Meinungen anhören können und in der Lage sein dazu Stellung zu beziehen."
Aber sie bedauert, dass die Diskussion um die AfD so viel Raum eingenommen hat: "Im Endeffekt ist es ja so, dass hier an der Schule die nächsten Wähler, die nächste Generation da ist und es gut ist sich über die Politik zu informieren und ich finde das ist ein bisschen in den Hintergrund gerückt."
Sie ist nicht die Einzige, die sich mehr Zeit für andere Themen gewünscht hätte, insgesamt sind die Schüler aber stolz auf die Veranstaltung in ihrer Schule: "Ich fand, wir haben einfach als Schule gezeigt, dass wir zusammen stehen, egal aus wie vielen Nationen wir kommen und egal welche Hautfarbe, egal was, wir gehören zusammen."