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Wahlkampf in Frankreich lässt Bürger kalt

In Frankreich tobt der Wahlkampf, die Sozialisten wollen Nicolas Sarkozy ablösen. Doch der Run auf die Wahllisten zum Jahresende ist ausgeblieben. Ob das Säbelrasseln der Kandidaten die Wahlbeteiligung wird beleben können? Der Ton jedenfalls wird schärfer.

Von Ursula Welter | 05.01.2012
    "Aus dem Jenseits ruft der Namensvetter.
    Glaubst Du an die Kraft des Geistes, fragt die Stimme. "Ja", sagt Hollande.
    Ich bin der Geist François Mitterrands, deines geistigen Vaters."

    François Mitterrand und François Hollande. Die Parodie im französischen Rundfunk führt 30 Jahre Geschichte der Sozialistischen Partei zusammen: 1981 gelang Mitterrand der Wahlsieg, François Hollande will es ihm gleich tun und beruft sich gerne auf dieses Erbe Mitterrands. Dabei kämpft der Spitzenkandidat der Sozialisten gegen einen Gegner, der imaginär und präsent zugleich ist. Nicolas Sarkozy, der Amtsinhaber und Präsident, hat seine Kandidatur noch nicht offiziell gemacht. Ende Februar, vielleicht erst im März, so heißt es, wolle sich der Staatspräsident äußern.

    Dass Sarkozy behaupte, er sei nicht auch Kandidat, darüber könne er nur lachen, sagt François Hollande. Und tatsächlich: Die Strategie des Präsidenten läuft auf eine staatstragende Rolle hinaus, mit der Sarkozy versucht, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.

    Die Neujahrsansprache des Präsidenten dreht sich um die Welt-Finanz-Krise, die nur ein Jahr nach Beginn seines Mandats den ersten Höhepunkt erreicht hatte, und um das Krisenmanagement, SEIN Krisenmanagement. Er habe, sagt Sarkozy, Reformen beschlossen, wichtige Projekte in Gang gesetzt, um Frankreichs Platz zu verteidigen. Diese Rechnung werde nicht aufgehen sagt die Opposition. Die Resultate der Amtszeit Sarkozy seien schlecht: hohe Arbeitslosigkeit, hoffnungslose Jugend, Privilegien für die Reichen. Das schreibt François Hollande auch in einem Brief an die Franzosen, den die Tageszeitung "Libération" unkommentiert auf drei Seiten abdruckt. So wie die regierungsnahe Zeitung "Le Figaro" steckt auch das linksorientierte Blatt mitten im Wahlkampf. Fragen nach der Pressefreiheit in Frankreich werden nur vereinzelt gestellt.

    Inhaltlich ruft der Brief des Spitzenkandidaten der Sozialisten unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Grünen freuen sich, dass er kaum über Umweltpolitik spricht, das Feld möchten sie selbst beackern, am äußeren linken Rand des Parteienspektrums wird gemurrt, viel habe Hollande ja nicht gesagt, was die wahlkämpfende Regierungspartei kaum anders sieht:

    Ich habe gelesen, was Sie schreiben, sagt der Generalsekretär der UMP, die zurzeit noch Wahlkampf ohne offiziellen, eigenen Kandidaten machen muss. Ich habe gelesen, was Sie schreiben und sehe die Falle, in die Sie die Franzosen locken wollen, denn sie machen keinerlei konkrete Vorschläge.

    Ideenlos, ein Fahrradfahrer ohne Kette – so ordnet die Regierungsseite den Herausforderer im Lager der Opposition ein. Ende des Monats werde er konkreter, verspricht Hollande im Fernsehen, seine Prioritäten seien schon jetzt klar:

    Die Jugend, Wachstum, Beschäftigung und eine Steuerreform für mehr Gerechtigkeit – das seien seine Pläne. Eine Wahl in Frankreich, so sagen enge Mitarbeiter Hollandes, werde nicht durch Detailvorhaben gewonnen, die große Linie zähle, die Schlagworte. Da aber sind sich Herausforderer und Amtsinhaber durchaus ähnlich: Beide wollen die Franzosen einen, beide wollen die Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen, beide sprechen von mehr Gerechtigkeit.

    Vielleicht deshalb lassen sich die Franzosen noch nicht mitreißen von diesem Wahlkampf. Noch liegen die offiziellen Zahlen nicht vor, aber erste Befunde aus den Großstädten zeigen, dass der Run auf die Wahllisten zum Jahresende ausgeblieben ist. Ob das Säbelrasseln der Kandidaten die Wahlbeteiligung wird beleben können? Der Ton jedenfalls wird schärfer. Hollande wird vorgehalten er sei nicht autoritär genug für den Job und muss sich öffentlich verteidigen:

    Glauben Sie, ich wäre Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, wenn ich keinen starken Charakter hätte? Hollande wirkt dabei weniger souverän als es ihm die Umfragen erlauben würden, er liegt so gut im Rennen, wie kaum ein Kandidat vor ihm. Aber er macht Fehler: So sickerte aus einem Hintergrundgespräch mit Journalisten heraus, dass er den Präsidenten als "miesen Typen" bezeichnet hatte, woraufhin Regierungspolitiker Hollande vulgär nannten.

    Der Präsident, der es allem Anschein nach noch einmal werden will, schaut sich das Spektakel derweil an, gibt sich staatstragend, und ringt darum, das Vertrauen der Franzosen, das er schon in den ersten Monaten seines Mandats durch private Eskapaden verspielt hatte, zurückzugewinnen. Alles Gute für 2012, für Wahlkämpfer klingt das mehrdeutig.

    Sammelportal zur Präsidentenwahl in Frankreich