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Waldkompetenz für Kinder

Das ist eine kleine Eibe. Wir sind jetzt hier im Mitarbeiterwald gelandet. Am 6. Oktober haben wir im Forstamt ein kleines Abschiedsfest gefeiert und jeder hat hier seinen eigenen Baum gepflanzt. Ich stehe hier gerade an meinem. Jetzt kann man hier immer hingehen und sich sein Bäumchen angucken, wie es sich entwickelt. Ob es dann auch wachsen will, wenn kein Förster mehr da ist.

Von Carolin Hoffrogge |
    In warmen festen Schuhen, dicker Fleecejacke und Regenmantel steht Matthias Heller im Herbstlaub – mitten im Wald. Kräftig schüttelt der 38jährige Förster ein letztes Mal die Sprühdose.

    So dann wollen wir hier mal zwei drei Bäume wegnehmen, damit die Eiben auch richtig schön wachsen können. (Sprüht) Und den da noch und da haben wir noch einen.

    Matthias Heller zeichnet die Bäume an, die seine Kollegen gleich noch absägen sollen. Bäume anzeichnen, Waldschäden begutachten, neue Pflanzpläne aufstellen, all das gehörte bisher zu Hellers Aufgaben. Als er vor einem halben Jahr das Angebot vom niedersächsischen Kultusministerium bekam, als Lehrer in Niedersachsen zu arbeiten, war er gleich Feuer und Flamme. Aber:

    Das ist ein komisches Gefühl, weil ich Strukturen verlasse, die ich gut kenne und in einen Bereich komme, den ich überhaupt nicht kenne, insofern da nicht nur Zuversicht sondern auch Sorge - komme ich wirklich zurecht - mitspielt.

    Diplommathematiker und Physiker werden Lehrer, Germanisten und Politikwissenschaftler gehen aus der Forschung an die Schulen, das ist seit 2 Jahren bekannt. Nun aber rücken auch noch gestandene Forstleute aus dem Wald in die Lehranstalten. Und sieht Matthias Heller als einer von den 40 Förstern sich mit dieser Maßnahme als Lückenbüßer im Bildungssystem?

    Es war so, das auf Freiwilligkeit großer Wert gelegt wurde und von der Schulverwaltung auch Auswahlgespräche gemacht wurden. Also nicht jeder Förster, der das gerne machen wollte, kann auch Lehrer werden, und vom Kultusministerium ist Wert drauf gelegt worden, das wir dann auch eine qualifizierte Ausbildung bekommen, sondern das wir nicht nur gute Lehrer werden, sondern auch als Lehrer Akzeptanz finden in dem neuen Berufsfeld.

    Für Matthias Heller und seine 39 Kollegen heißt es im kommenden halben Jahr: Büffeln Büffeln Büffeln. Schließlich sollen die Ex-Förster später die Real- und Hauptschüler nicht nur in Umweltkunde unterrichten. Auch die Fächer Biologie, Arbeit und Wirtschaft stehen auf ihrem Stundenplan.

    Ich habe schon Stundenpläne gesehen, aber da sind solche Kürzel drauf, die ich nicht verstehe, das muss ich mir noch erklären lassen was das alles heißt. Aber mich erwartet zunächst eine zweijährige Anwärterzeit, so wie das auch bei den ganz normalen Lehramtsstudenten ist, die werden wir auch mit denen parallel haben. Das besteht aus Besuchen am Studienseminar in Göttingen, wo man sozusagen das Handwerk des Lehrers lernt.

    Im Biologieunterricht seinen Schülern den Zitronensäurezyklus erklären, in der Wirtschaft ihnen den Neoliberalismus vermitteln oder im Fach Arbeitslehre den Kindern Teamarbeit beibringen, all das lernt Matthias Heller in den kommenden zwei Jahren in Vorlesungen und Seminaren an der Universität Göttingen. Aber was macht der Ex- Förster, wenn die Kinder ihm auf der Nase rumtanzen, was wenn sie mit Papierkügelchen auf ihn schießen, was fällt ihm ein, wenn Schüler sich gegenseitig mobben?

    Für mich werden da wohl die größten Überraschungen warten, weil es auch so ist, das in der Ausbildungszeit selbst nicht viel Zeitraum gegeben ist, sich das Wissen da aneignen zu können, gerade so Entwicklungspsychologie der Kinder oder auch methodische Sachen, Didaktik die ja Lehramtsstudenten während ihres Studium erlernen, die fehlen uns Förstern natürlich komplett und da sind wir angewiesen auf Kollegen, die uns unterstützen oder das wir versuchen im Selbststudium uns das anzueignen.

    Dieses Selbststudium hat der 53 jährige Detlef Mindt in den vergangenen Woche betrieben.
    Er ist der Älteste der niedersächsischen Forstbeamten, die jetzt den Schritt in ein neues Berufsleben wagen.Wo andere Lehrer in Pension gehen, fängt der sympathische, schmächtige Förster Detlef Mindt erst an.

    Ja, das ist ja das Schöne. Viel denken und viel Neues hält auch jung. Als Beamte müssen wir ja so bis 65 arbeiten und dann habe ich ja noch 10 Jahre vor mir, die ich ableisten kann im Schuldienst. Ich habe mir schon mal ab und zu ein Buch aus der Bücherei geholt über Pädagogik, damit habe ich jetzt ja nur wenig zu tun gehabt, aber was ich bis jetzt so gelesen habe, kommt` s wahrscheinlich auch eine Menge auf den gesunden Menschenverstand an und da hoffe, nachdem ich drei Kinder großgezogen habe, das ich da auch so ein bisschen drüber Bescheid weiß.

    Der gesunde Menschenverstand ist immer an der richtigen Stelle, sagt Viola Flämig. Sie leitet das Studienseminar Göttingen, an dem Detlef Mindt und Matthias Heller ab heute die Schulbank drücken, um gute Pädagogen zu werden.

    Sie werden vieles lernen. Die Eingangsqualifizierungen, da haben wir drei große Themen, ein Methodentraining, eine Kommunikationstraining und das Thema digitale Medien im Unterricht. Methodentraining machen wir nach Klippert, das ist so das Modernste, was es so im Moment in der Pädagogik gibt. Zum Beispiel wie gehe ich mit Texten im Unterricht um. Wie kann ich Gruppenarbeit anleiten? Und wie kann ich Klassenarbeiten vorbereiten und auswerten? Das man diese Pisaergebnisse auch anwendet. Wir haben dort erfahren, das es nach verschiedenen Kompetenzstufen gebaut sein soll und das umzuarbeiten in Fragestellungen, die bei den Schülerinnen und Schülern verstanden werden, die alltagstauglich sind.

    Alltagstaugliche Ideen bringen Matthias Heller und Detlef Mindt in ihre neue Ausbildung mit. Schließlich, so die beiden gestandenen Förster, könne die Organisation Schule von ihnen auch noch etwas lernen:

    Mindt: Man könnte sich vorstellen eine Trockenmauer zu bauen, aus Stein, wo man dann beobachtet was für Insekten, auch Bienen darein gehen, oder Eidechsen. Oder man könnte irgendwelche Hilfen bauen, für Tiere, die da dann Brutmöglichkeiten haben. Oder man untersucht mal den Boden, wie sieht es denn hier aus, wenn man über Umweltbelastungen spricht.
    Heller: Das ich tatsächlich 10 Jahre im Berufsleben gestanden habe. Gerade an Haupt und Realschulen, wo man es ja mit Schülerinnen und Schülern zu tun hat, die bald ins Berufsleben gehen, ist es sicherlich nicht schlecht, wenn Lehrer da sind, die nicht nur die Karriere gemacht haben Schule – Uni - Schule, sondern dazwischen auch noch was anderes geschaltet war. Man kann den Schülern sagen, wie es draußen tatsächlich ist im Arbeitsleben.


    Nach ihrer Umschulung zum Lehrer sollen alle 40 niedersächsischen Förster eine Anstellung an eine der Staatsschulen bekommen. Das wurde ihnen im Vorfeld vom Kultusministerium des Landes garantiert.