Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Walt-Disney-Figuren in Nordkorea

In Südkorea drohen einem Mann zehn Jahre Haft, weil der dem nordkoreanischem Führer Kim Il Sung zujubelte. Aus dem streng abgeschotteten Nordkorea gibt es gleichzeitig Anzeichen einer Öffnung.

Von Peter Kujath | 14.07.2012
    "Ein Hurra auf den großen Führer Kim Il Sung, den großen General Kim Jong Il. Ein Hurra für den lieben Genossen Kim Jong Un. Hurra!"

    Solche Lobpreisungen ist man von Nordkoreanern gewohnt, die über Jahrzehnte der Propaganda ausgesetzt waren, mit deren Hilfe die Diktatorenfamilie der Kims eine beinahe religiöse Stellung im Land erhalten hat. Wenn es sich bei dem hurraschreienden Mann aber um einen Südkoreaner handelt, wird die Sache komplizierter.

    Als vor gut einer Woche Ro Su Hui die Demarkationslinie überschritt, die seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 die beiden verfeindeten Nachbarn trennt, wurde er sofort von südkoreanischen Sicherheitskräften festgenommen. Denn Ro war ohne Erlaubnis der Regierung in Seoul nach Nordkorea gereist und das ist in der jungen Demokratie, die ihre autoritären Herrscher erst in den 80er-Jahren abschütteln konnte, noch immer ein Verbrechen.

    "Ro Su Hui ist untragbar für unser Land. Er verneint die geschichtliche Realität der Republik Korea und bezieht Position für Nordkorea. Deshalb demonstrieren wir hier und fordern, dass er zurück in den Norden geschickt wird."

    Im Herbst 2007 fand ein Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea statt. Damals fuhr der Präsident aus dem Süden mit einem Autokonvoi in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang. Diese Reise war ein letzter Höhepunkt der sogenannten Sonnenscheinpolitik, die eine Annäherung durch wirtschaftlichen Austausch suchte. Der amtierende Präsident Lee Myung Bak leitete eine Kehrtwende ein und forderte die Aufgabe des nordkoreanischen Atomprogramms, ehe der Süden weitere Hilfe leisten würde. Die für Südkorea äußerst lukrativen Produktionsstätten in Kaesong jenseits der Grenze sind davon aber bis heute ausgenommen.

    Das Nationale Sicherheitsgesetz von 1948 stellt die Verbreitung von nordkoreanischer oder kommunistischer Propaganda unter Strafe. 2007 wurden 39 Personen in diesem Zusammenhang verhört, 2010 waren es bereits über 150 Menschen. Im letzten Jahr löschte die südkoreanische Polizei mehr als 68.000 Webeinträge, deren Inhalte angeblich die nationale Sicherheit gefährdet haben. Zu den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Kim Jong Il Ende letzten Jahres durfte offiziell nur eine kleine, südkoreanische Delegation reisen. Ein Aktivist, der dennoch nach Pjöngjang fuhr, wurde nach seiner Rückkehr verhaftet, wie jetzt eben Ro Su Hui.

    "Er gibt zu, illegal und heimlich Nordkorea besucht zu haben. Aber er leugnet, gegen das Gesetz der Staatssicherheit verstoßen zu haben."

    So ein Sprecher der südkoreanischen Polizei. Nordkorea hat bereits vor einer Bestrafung Ro Su Huis gewarnt. Auch in Südkorea gibt es etliche Aktivisten, die sich für Ro starkmachen. Allerdings sind die Aktivitäten dieser Gruppen seit dem nordkoreanischen Beschuss einer südkoreanischen Insel vor zwei Jahren im öffentlichen Leben in Südkorea nicht mehr so präsent. Kleine Stände mit Kondolenzbüchern für den verstorbenen Kim Jong Il wurden von der südkoreanischen Polizei geräumt. Internetseiten mit der gleichen Absicht vom Netz genommen. Sollte Ro Su Hui verurteilt werden, droht ihm ein Freiheitsentzug bis zu zehn Jahren für seinen Aufenthalt in Nordkorea.

    "Der Kollege Ro Su Hui hat Nordkorea im Dienst für die Versöhnung und die Zusammenarbeit der beiden Völker besucht."

    Betonte ein Mitglied des Verbands für die Wiedervereinigung auf einer kleinen Kundgebung zur Unterstützung von Ro. War das Ziel einer friedlichen Vereinigung in Südkorea früher unumstritten, zeigt sich mittlerweile gerade die jüngere Bevölkerung weniger daran interessiert.

    Vor allem die horrenden Kosten einer möglichen Wiedervereinigung mit dem verarmten, nordkoreanischen Nachbarn schrecken die Menschen im Süden. Denn angesichts der Lage der Weltwirtschaft fürchtet man derzeit um die eigenen, ökonomischen Errungenschaften. Es ist noch nicht lange her, dass Südkorea den Sprung vom Schwellen- zum Industriestaat geschafft hat.

    Da passt es gut, dass aus dem abgeschotteten Land überraschende Meldungen kommen. Der südkoreanische Informationsdienst DailyNK weiß von ersten, möglichen Anzeichen einer wirtschaftlichen Öffnung zu berichten. Demzufolge hat Kim Jong Un die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen angeordnet und die Verantwortlichen aufgefordert, so viele Informationen wie möglich über die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland zu sammeln.

    Kleine, private Märkte werden in der Hauptstadt geduldet und chinesischen Händlern angeblich erlaubt, dort ihre Waren direkt zu verkaufen. Ein Gesetz zum besseren Schutz ausländischer Investitionen im Land ist verabschiedet worden und die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Nachbarn, dem wichtigsten Verbündeten, wird verstärkt. Und dann ist da noch der offene Umgang des jungen Führers Kim Jong Un mit der Kultur des amerikanischen Erzfeindes.

    "Wir zeigen jetzt ein aufgezeichnetes Video des Konzerts der Moranbong Band, an dem unser lieber Führer Kim Jong Un teilgenommen hat."

    Auf den folgenden Bildern sind bekannte Walt-Disney-Figuren zu sehen, die in Nordkorea bisher keinen Platz hatten. Südkoreanische und chinesische Fernsehdramen finden als DVD oder Video durchaus ihren Weg in das einst so abgeschottete Land, aber Comicfiguren aus den USA bei einer offiziellen Aufführung sind etwas Neues. Auch die Musik aus dem Film Rocky ist zu hören.

    Oder "My Way" von Frank Sinatra. Noch ist es zu früh, um darin einen Hinweis auf die Bereitschaft Kim Jong Uns zu sehen, Nordkorea wirklich zu öffnen. Aber diese kleinen Zeichen lassen die Hoffnung zu, dass auf die geschundene, nordkoreanische Bevölkerung bessere Zeiten warten könnten.