Wer Walter Swennen im richtigen Moment erwischt, dem erzählt der Maler bereitwillig manche Anekdote. Der großgewachsene, hagere Mann erklärt dann, wie er zu seinen Sujets kommt. Früher ließ er sich von seiner kleinen Tochter Dinge vorschlagen, die sich später auf der Leinwand wiederfanden: ein Elefant zum Beispiel. Das war in den 1980er Jahren. Der Belgier hatte sich zuvor in Poesie und Performance versucht, zwischenzeitlich ein Studium der Psychologie absolviert, bevor er in der Malerei sein Metier erkannte. Ohne dick aufzutragen, zitiert er aus Studien von Sigmund Freud. Das erste, was Kinder mit Wörtern anstellten, sei damit zu spielen, ihre Bedeutungen zu verdrehen oder in ihren lautmalerischen Klang hineinzuhören. Sie täten das voller Freude – bis ihnen durch die Erwachsenen die richtigen Regeln der Sprache beigebracht würden, will sagen: bis man ihnen das bloße Spiel mit den Wörtern und dessen Nonsens verleidet.
Wenn Swennen dies schildert, wird klar: Auch er spielt – im vorgerückten Alter – mit Chiffren, Zeichen und Symbolen, er überlässt die Bedeutung der Dinge gern einmal sich selbst, indem er sie ins Visuelle und Malerische überträgt. So bei einem "Clown in Blau und Rot", einem "Cockpit" oder einem Handschuh mit einem Bündel von Geldscheinen, der einer Rittersage entsprungen sein könnte.
Der 1946 in Brüssel geborene Swennen zählt zu einer Riege belgischer Maler, die seit den 70er und 80er Jahren international hohe Wertschätzung erfahren wie Rene Daniels oder Raoul De Keyser, und auch wenn Swennen eher Insidern ein Begriff ist, gilt er in Kollegenkreisen als äußerst einflussreich und wird von Sammlern verehrt. Dazu passt die Tatsache, dass sich fast alle Arbeiten der Düsseldorfer Werkschau in Privatbesitz befinden. Diese umfasst gerade mal 35 Bilder und versteht sich doch als – wenn auch kleine – Retrospektive, wie Hans-Jürgen Hafner, Direktor des Kunstvereins, erklärt.
"Es war jetzt für diese Ausstellung ein ganz erklärter Punkt, keine Best-of-Auswahl zu treffen, keine Lieblingsbilder, keine Favoriten aneinanderzureihen, sondern es ging drum, das innere Spannungsverhältnis, das dieses Werk kennzeichnet, seine offensichtliche Heterogenität so präzise wie möglich sichtbar zu machen. Und das führte zu einer Auswahl von Bildern, die einerseits signifikant sozusagen für die Marke Walter Swennen einstehen – und gleichzeitig ist da schon der erste Widerspruch, weil Walter selbst der Markenhaftigkeit mit seinen Bildern, mit seinen künstlerischen Arbeiten massiv entgegenwirkt."
Tatsächlich ist die scheinbare Naivität in Swennens Bildern jederzeit durchreflektiert und nach innen ausgeleuchtet. Da sind zwei Reiter im Galopp in ein denkbar ungünstiges Hochformat gezwängt, daneben hängt eine verstiegene geometrische Abstraktion, durchaus gekonnt. Man gewinnt den Eindruck, als spielten diese Bilder sich selbst, so wie Schauspieler irgendeine Rolle annehmen können. Das gilt auch für das Malerische. Swennen malt nicht nur Dinge, Gegenstände, Assoziationen, vielmehr malt er das Ausprobieren, das Stolpern, manchmal auch das drohende Scheitern. Dann wiederum ergeht er sich in lukullischen Finessen. Mit "Bad Painting" (schlechter Malerei) hat all dies jedenfalls nichts zu tun.
Schließlich sind es Erinnerungen, die Swennen in Szene setzt. Ein schwarzer Kohlenschütter schwebt auf rotem Grund und wird von den Ziffern 5 und 1 flankiert. Gemeint ist das Jahr 1951. Als Junge musste der kleine Walter, zum Wohl der Familie, täglich in den Kohlenkeller hinabsteigen. Der in wenigen Konturen gezeichnete Gauner mit Kippe zwischen den Lippen geht auf die Comics zurück, die der Heranwachsende in den Fünfzigern las – ein Bild, bei dem der amerikanische Maler Philip Guston grüßen lässt.
Zu begutachten ist in Düsseldorf ein Werk, das schon früh ganz bei sich ist und kaum richtig in diesem Jahrhundert ankommen wollte. Darin ist es melancholisch – und ein kleines bisschen sentimental.