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Warm ohne Heizung

In so genannten Passivhäusern sind es die Sonnenstrahlen, menschliche Körperwärme, die Abwärme von Haushaltsgeräten und die Wärme aus Raum- und Abluft, die den Großteil des Wärmebedarfs decken. Die noch erforderliche Restheizung erledigt ein Wärmetauscher. Wärmeverluste werden derart konsequent verringert, dass eine separate Heizung kaum noch erforderlich ist. Wie so etwas in der Praxis aussieht, kann man derzeit auf der internationalen Passivhaustagung in Ludwigshafen sehen.

Von Klaus Herbst |
    Der Hausherr rechnet in Energiebilanzen: Die Summe der austretenden Wärmeströme gleicht der Summe der eintretenden Wärmeströme. Es wird also etwa gleich viel Luft aus dem Passivhaus heraus- wie hineingepumpt. Verschiedene Sensoren - je einer für Zu- und Abluft - würden unabhängig voneinander Fehler produzieren. Messabweichungen stören aber die Energiebilanz im Passivhaus. Sie bringen sie eventuell ganz durcheinander. Das schließen Forscher in Bremen aus - der Ingenieur Rolf-Peter Strauß vom Zentrum für energieeffiziente Technik und Architektur:

    " Der Gedanke und die Idee hinter dieser Luftmassenstromregelung, die ich jetzt vorstellen werde auf der Passivhaustagung, ist folgendes, dass man letztendlich beide Luftmassenströme nicht mit zwei Sensoren misst, sondern mit einem Sensor, und das zeitlich nacheinander. Dadurch dass man einen Sensor nimmt, hat man erst Mal geringere Kosten. Man hat aber hauptsächlich den Vorteil, dass wenn der Sensor einen Fehler macht, macht er diesen bei beiden Volumenströmen oder Massenströmen macht er den gleichen Fehler, und damit ist die Abweichung voneinander sehr gering."

    Bei neuen Messungen muss der Luftstrom im Passivhaus mit möglichst derselben Exaktheit ermittelt werden - "Reproduziergenauigkeit" nennen das die Experten. Wird nur ein Sensor bei Zuluft und Abluft verwendet, dann hat dieser bei beiden Luftmassen dieselben typischen Abweichungen. Diese Messfehler werden von der intelligenten Software berücksichtigt; die gerade an der Bremer Hochschule optimiert wird. Bei mehreren, im Passivhaus verteilten Messstellen darf die empfindliche Energiebilanz nicht durcheinander geraten. Nur dann erreicht man den Rückgewinnungsgrad von über achtzig Prozent, der den Verzicht auf eine konventionelle Heizung möglich macht.

    " Die Möglichkeit, durch ein Umschaltventil verschiedene Drücke zu messen, lässt sich natürlich auf mehr als zwei Messstellen ausdehnen. Wenn ich einmal zwischen zwei Messstellen umschalte, kann ich auch noch zwischen mehr Messstellen umschalten; das ist dann eigentlich kein großer Aufwand mehr. Konkret in Planung ist ein Ventil, wo wir acht verschiedene Drücke abfragen können und dass möglich ist, dann auch noch zum Beispiel sehr präzise vorhersagen zu können, ob ein Wärmetauscher vereist im Winter, so dass man Auftauzyklen sehr gut anpassen kann und auch mit sehr wenig Energie auskommen kann. Das gleiche gilt für Filterabfragen. Man kann ganz präzise abfragen, wann ein Filter einen vordefinierten Grenzwert oder Verschmutzungsgrad erreicht, so dass man den Filter genau dann austauscht, wenn er voll ist, nicht vorher. Also zu früh, dann haben Sie zu hohe Filterkosten oder zu spät, dann ist der Druckverlust zu groß, weil der Filter verschmutzt ist, und sie haben zu hohen Strombedarf."

    Das in Ludwigshafen auf der internationalen Passivhaustagung vorgestellte System arbeitet also zuverlässig und ökonomisch - und es entspricht den ökologischen Ansprüchen des Passivhauskonzeptes. Aber ist es auch sicher? Toxische Substanzen aus der Abluft haben schließlich in der Atemluft nichts zu suchen! Rolf-Peter Strauß:

    " Was gerne gemacht wird, sind Passivhäuser in Kombination mit Festbrennstoffen, also mit Holzöfen zu betreiben. Die dürfen nur betrieben werden, wenn im Haus kein zu hoher Unterdruck herrscht, um sicher zu sein, dass die Abgase nicht in den Aufstellungsraum in Wohnraum treten. Und da braucht man auch eine Kontrolle, dass die Lüftungsanlage nicht irrtümlich so läuft und im Gebäude einen großen Unterdruck erzeugt. Das lässt sich eben auch mit diesem Verfahren testen, so dass man eigentlich so einen vielschichtigen Nutzen hat durch dieses Gerät."

    Im Idealfall misst also ein intelligentes, über das Passivhaus verteiltes Sensorennetzwerk, ständig die Zu- und Abluft. Die Rechnermodule liefern dabei dem Hausbesitzer in Echtzeit Daten über Luftqualität und über den wirklichen Zustand der verwendeten Filter; sie schätzen nicht nur die Lebensdauer ab, wie bisher üblich. Das Ergebnis: Filter werden erst ausgetauscht, wenn sie tatsächlich das Ende ihres Leistungsfähigkeit erreichen. Das System senkt also Kosten, sorgt für Sicherheit und garantiert die maximale Energieeffizienz.

    " Deswegen kann eben eine konventionelle Heizung, wie wir sie alle kennen mit den Radiatoren unter den Fenstern, kann entfallen. Und damit spart man eine ganze Menge Kosten ein, aber das bedingt natürlich, dass die Lüftungsanlage ordentlich funktioniert. Und deswegen ist dies ein ganz wichtiges Bauteil. Es ist nachgewiesen, dass eine Lüftungsanlage geräuschfrei und zuverlässig arbeitet. Und jede Verbesserung in die Richtung, die die Kosten senkt, die Energieeffizienz noch weiter steigert, ist natürlich ein Schritt hin zum Passivhausstandard als Alltag."