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Warnung vor Wildwechsel

In Schleswig-Holstein versucht man seit 2011 während des Wildwechsels im Straßenverkehr verstärkt Duftzäune und Reflektoren am Straßenrand aufzustellen. Damit will man Unfälle von Mensch und Tier vermeiden. Die 25 Streckenabschnitte werden über vier Jahre vom Institut für Wildbiologie in Göttingen wissenschaftlich begleitet.

Von Dietrich Mohaupt |
    Eine der 25 Versuchsstrecken führt durch das Revier von Marco Franzen. Als Jagdpächter betreut er das rund 500 Meter lange Teilstück einer Landstraße südöstlich von Kiel. Die Bemühungen scheinen zu fruchten, die Zahl der Wildunfälle pro Jahr ist deutlich zurückgegangen, so seine Zwischenbilanz.

    "Also – wir sind jetzt im Durchschnitt von acht Stücken Rehwild auf diesem Bereich – Hasen und Fasan und Dachs und Fuchs gar nicht mitgerechnet – auf zwei runter. Das ist für uns eine ganz tolle Sache."

    Marco Franzen bahnt sich einen Weg durch das Unterholz am Straßenrand – vielleicht zehn Meter von der viel befahrenen Straße entfernt macht sich ein wirklich penetranter Geruch bemerkbar. Der soll das Wild nicht grundsätzlich davon abhalten, die Straße zu überqueren. .

    "Durch den Duft, durch das Fahrgeräusch des Fahrzeugs und auch oftmals durch das Licht des Fahrzeugs sollen sie aufmerksam gemacht werden auf die Gefahr und dann eben in diesem Moment nicht über die Straße wechseln."

    Alle paar Meter ist an den Bäumen eine braune Masse – ähnlich wie Bauschaum – zu finden, von ihr geht der strenge Geruch aus, der den Wildtieren signalisieren soll: Achtung Gefahr.

    "Letztendlich ist es ein Duft aus nasser Hund, vom Wolf, von Menschengeruch – Sie müssen sich vorstellen, wenn Sie einen Pullover drei Tage tragen, so richtig starker Schweißgeruch, das ist ebenso der Feindduft des Schalenwildes, wo sie aufmerksam gemacht werden."

    Auf anderen Versuchsstrecken werden zusätzlich die Leitpfosten am Straßenrand mit einer speziellen blauen Folie beklebt, die das Scheinwerferlicht der Autos reflektiert.

    "In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass die Farbe Blau von dem Wild besonders gut wahrgenommen wird – und durch dieses blaue Licht merken sie eben: Jetzt ist hier Gefahr im Verzug und wechseln nicht durch die Straße."

    Vor allem die Montage und die Pflege dieser blauen Reflektor Folien ist recht arbeits- und kostenintensiv – derzeit finanzieren die beteiligten Jäger das zum größten Teil aus eigener Tasche, das müsse sich ändern, fordert Marco Franzen.

    "Nach diesen zwei Jahren, die jetzt noch für dieses Projekt anstehen, werden wir wahrscheinlich erfahren, was wirklich optimal ist, um Wild und Mensch zu schützen – und dann sollte vielleicht auch die Behörde aktiv werden und sagen: Gut, das ist ein wirklicher Aspekt für den Tierschutz, jetzt sind wir dabei."

    Immerhin – die ersten zwei Jahre des Langzeitprojekts waren ein Erfolg, meint auch Christian Trothe vom Institut für Wildbiologie in Göttingen. Duftzäune und Reflektor Folien funktionieren offenbar – aber nicht überall, betont er.

    "Wir haben Strecken mit Rückgängen im Unfallgeschehen örtlich bis zu 80 Prozent allerdings muss man auch sagen, dass leider diese gute Wirksamkeit sich nicht auf allen Strecken zeigt, wie haben auch Strecken, bei denen sich mehr oder weniger nichts getan hat."

    Noch könne man nicht sagen, warum es diese gravierenden Unterschiede gebe – Antworten darauf sollen in den nächsten zwei Jahren des Projekts erarbeitet werden.

    "Für unsere Wildunfallstudie ist das Ziel, dass wir den Jägern in der Fläche eine Handlungsempfehlung geben können, unter welchen Rahmenbedingungen sie was einsetzen können, um die Wildunfälle ich ihren Wildunfällen zu vermeiden – oder zu vermindern, ganz vermeiden wird man sie vermutlich nicht können, außer man baut einen zwei Meter hohen Zaun da in die Landschaft."

    Zäune haben sich in letzter Zeit besonders bewährt in Kombination mit elektronischen Wildwarnanlagen. Wärmesensoren erfassen dabei an speziellen Lücken im Zaun Wildtiere und ihre Bewegungsrichtung, bei Gefahr werden an den Straßen elektronische Warntafeln mit Tempolimits aktiviert. Ein solches Pilotprojekt in Schleswig-Holstein auf einer stark befahrenen Bundesstraße bei Kiel hat beeindruckende Ergebnisse gebracht: Hier sank die Zahl der Wildunfälle von zuvor im Schnitt 50 pro Jahr auf fünf in den ersten zwölf Monaten des Versuchsbetriebs.