Es sind Biologika, die steril produziert werden müssen, also parenteral verabreicht werden, das heißt der Herstellungsprozess von Impfstoffen ist extrem kompliziert und langwierig und das macht es eben für viele Hersteller relativ unattraktiv, diesen Markt zu bedienen.
Auf dem US-Markt, wo die Regierung die jährliche Bestellung für den Grippeimpfstoff aufgibt, fanden über die Jahre nur noch zwei Hersteller überhaupt dieses Geschäft interessant, nämlich eben Chiron Vaccines und Aventis Pasteur. Und als der eine von beiden, Chiron Sterilitätsprobleme in seinem Werk im englischen Liverpool bekam, wodurch rund 48 Millionen Impfstoffdosen ausfielen, da hieß es dann Schlange stehen um die andere Hälfte des bestellten Serums. Eine Situation, die der Sprecherin von Chiron in Deutschland hier nicht eintreten würde. Die Lage, sagt Irene von Drigalski, wäre:
Völlig anders. Hier haben wir nicht nur zwei Hersteller, es sind insgesamt sieben oder acht und wenn da einer ausfiele hätte das keine Auswirkungen in vergleichbarem Maße.
Sehr wohl könnte es aber natürlich auch in den Marburger Werken, ebenso wie in denen der Konkurrenz eine Kontamination geben.
Rein theoretisch kann in jeder Impfstoffproduktion immer ein Problem auftreten. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, weil die Kontrollen sehr eng sind - (wenn irgendein Fehler auftritt, wird das gefunden. In diesem Fall bei uns in Liverpool haben das unsere eigenen Leute auch gefunden, so dass die Kontrollen sehr hart sind und im Zweifelsfall auch die Entscheidung sehr hart ist und es gilt das Wort der Zulassungsbehörde und wenn die die rote Karte zeigt, dann ist die rote Karte da.
In diesem Jahr musst das Liverpooler Werk daher seine gesamte Grippeimpfstoffproduktion einbehalten, obwohl eine Verunreinigung nur in bestimmten Chargen gefunden worden war. Die Fehleranalyse und Verhandlungen über die Lizenz für das nächste Jahr laufen gerade.
Rückrufaktionen, nicht für das Grippe-Impfserum, aber für andere Impfstoffe in den USA waren mit ein Grund dafür, dass immer mehr Firmen aus dem Impfstoffgeschäft ausstiegen. Die Risiken erschienen den Unternehmern zu hoch und sind es bei der Grippe in besonderem Maße:
Gerade der Grippeimpfstoffmarkt ist ja ein Saisonmarkt. Das wird jedes Jahr neu gemacht und jedes Jahr ist es ein anderer Impfstoff. Die WHO sagt ja jedes Jahr am Anfang des Jahres, welche Zusammensetzung der jeweilige Grippeimpfstoff hat. Das heißt, man kann da nicht auf Vorrat produzieren. Und was man zuviel produziert hat, das kriegt man nicht verkauft.
Mit diesem Problem, wenn auch auf anderer Ebene, hat auch die Weltgesundheitsorganisation jetzt zu kämpfen. Wann die nächste große und schwere Grippeepidemie über die Welt hereinbrechen wird, ist aus der Sicht von Klaus Stöhr, dem Leiter des Influanzaprogrammes der WHO nur eine Frage der Zeit. Das Vogelgrippevirus H5N1 in Asien kann jederzeit ein Pandemie verursachen, sagte er am vergangenen Freitag bei einem Treffen mit Industrie und Regierungsvertretern in Genf. Ein Impfstoff dagegen könnte präventiv entwickelt und produziert werden doch bislang hat allein die US-Regierung 2 Millionen Dosen eines solchen experimentellen Impfstoffs in Auftrag gegeben - auf eigene Rechnung natürlich, denn für die von ihr beauftragten beiden Firmen wäre das Risiko dafür viel zu hoch. Schließlich weiß niemand, ob der Erreger der nächsten großen Grippewelle wirklich H5N1 wird oder ein ganz anderer Stamm. Die WHO möchte nun noch mehr Staaten überzeugen, finanzielle Garantieren zu übernehmen, damit die Industrie vorbeugend Impfstoffe entwickelt und herstellt.