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Was den Gaumen reizt

"Nach Großmutters Art" oder "wie hausgemacht" - Werbeslogans wie diese sind erfolgversprechend, suggerieren sie dem Käufer doch, die Suppe oder Soße schmecke wie selbst gekocht, also auf die persönlichen Vorlieben ausgerichtet. Den Geschmack bestimmen nicht nur die Raffinessen der Kochkunst, sondern auch Eigenschaften der Lebensmittel. Aus einer Fülle einzelner Inhaltsstoffe setzt sich der typische Geschmack eines Produkts zusammen, und manche spielen eine wichtigere Rolle als andere. Damit beschäftigen sich Lebensmittelchemiker in Forschungsinstituten und Herstellerfirmen. Was ist Geschmack, und wie lässt er sich beeinflussen?

Von Annette Eversberg |
    Mit der Frage des Geschmacks sind ganze Industriezweige beschäftigt. Die Fa. Danisco Cultor in Niebüll an der deutsch-dänischen Grenze stellt nicht nur Starterkulturen für Joghurt, sondern auch Geschmacksstoffe für die Lebensmittelproduktion her, erläutert der Biotechnologe Dr. Detlef Goelling:

    Wir isolieren in der Regel Aromastoffe aus pflanzlichen Bestandteilen, aus Früchten, aus Gemüse, aus anderen Bestandteilen. Dann werden die Bestandteile extrahiert, so dass man am Ende aus einem natürlichen Produkt die Stoffe isolieren kann, die auch für das Aroma verantwortlich sind.

    Solche Aromastoffe sind wichtig, weil bei der Verarbeitung der Lebensmittel viel verloren geht. Die Erdbeere im Joghurt schmeckt nicht mehr so intensiv, nach langem Verfahren und langer Lagerzeit, wie eine frische Erdbeere. Auch ein Brokkoli in einer Suppe verliert an Geschmack. Deshalb werden neben den Aromen noch andere geschmacksverstärkende Stoffe zugesetzt. Dabei kommt es auf das richtige Fingerspitzengefühl an. Noch mehr bei der Herstellung biologischer Produkte, wie Tomatensoße oder einem Paprikaaufstrich, die ohne künstlich erzeugte Zusatzstoffe auskommen müssen. Susanne Schöningh, Chefin des Bioproduzenten Zwergenwiese in Silberstedt bei Schleswig, braucht schon einige Zeit, um ein entsprechendes Produkt zu entwickeln, auch wenn für sie die Rohstoffe aus biologischem Anbau bereits so optimal wie möglich sind:

    Mit diesen guten Rohstoffen experimentieren wir dann in unserer Versuchsküche, was macht eine Walnuss mit einer Karotte, was macht eine Karotte mit einer Paprika, mit einer roten, einer grünen. Das muss man alles sehr genau austesten und probieren, nicht nur, wie es im Rohzustand schmeckt, man muss den Prozess natürlich auch nachmachen. Gucken, wie schmeckt es, wenn es gekocht ist, wie schmeckt es, wenn es eingeweckt ist. Das muss man ganz minutiös ausprobieren.

    Dem Geschmack auf die Spur zu kommen ist gar nicht so leicht. Deshalb haben Lebensmittelchemiker der Universität Münster es einmal anders versucht. Sie wollten wissen, wie kommt denn eigentlich Geschmack überhaupt zustande. Dabei stellten sie fest, dass die Geschmacksnerven auf der Zunge, die bei jedem erwachsenen Menschen gleich sind, auf bestimmte Stoffe in den Nahrungsmitteln reagieren. Sie fischen sie sozusagen heraus. Dabei entstehen Eindrücke wie salzig, süß, bitter, aber auch kalt, sauer oder scharf. Die Entstehung dieser Eindrücke selber ist ein Lernprozess, betont Professor Thomas Hofmann vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Münster:

    Das Gehirn wird letztendlich im Laufe unseres Erwachsenwerdens geschult, durch Erfahrungen. D.h. als Kind bekommen Sie gesagt, das ist eine Erdbeere. Und durch das Verkosten weiß man, wie eine Erdbeere schmeckt. D.h. die Rezeptoren wechselwirken mit gewissen Inhaltsstoffen der Erdbeere. Diese Information wird an das Gehirn weitergeleitet. Und zusammen mit dem Lernprozess, dass dies eine Erdbeere ist, wird man mit der Zeit gewisse Geschmacksqualitäten unterscheiden.

    Die objektiven Kriterien für den Geschmack eines Lebensmittels sind jedoch nicht die Rezeptoren oder Geschmacksnerven auf der Zunge, sondern die Inhaltsstoffe eines Lebensmittels selber. Dabei sind es nicht alle Inhaltsstoffe, die sich in der Erdbeere oder auch im Brokkoli nachweisen lassen. Für den Geschmack reicht ein ganz bestimmtes Set von Verbindungen aus, die aber eine hohe Geschmacksintensität vermitteln. Und das unterscheidet die Münsteraner Lebensmittelchemiker von den Aromastoffherstellern. Sie wollen die technologischen Verfahren zur Lebensmittelherstellung geschmacklich optimieren. Nicht nur für die konventionelle Lebensmittelproduktion, sondern auch für die Hersteller biologischer Lebensmittel. Thomas Hofmann:

    Wenn man weiß, welche Geschmacksstoffe für einen gewissen Geschmack verantwortlich sind, dann kann man die bei der Lebensmittelherstellung, Fermentationen z.B. oder auch Erhitzungsprozesse, optimieren und kann damit besser schmeckende Lebensmittel herstellen. Man möchte eben versuchen, weil der Verbraucher möglichst naturbelassene Lebensmittel möchte, nicht nur über künstliche Aromen, sondern über natürliche Prozesse solch eine Freisetzung von Geschmacksstoffen zu erreichen.