Was versteht man unter Popularisierung, was unter Popularität? Wie haben sich die Erscheinungsformen des Populären im Laufe der Zeit gewandelt? Fragen wie diesen sind einige Kultur- und Medienwissenschaftler auf einer Tagung des Forschungskollegs "Medien und kulturelle Kommunikation" nachgegangen, die im Jahr 2003 an der Universität zu Köln stattfand.
Nun liegen die Ergebnisse vor.
In dem außerordentlich gründlichen historischen Teil wird gezeigt, wie Popularisierung in einem theologischen Kontext und aus der Erkenntnis entstanden ist, dass das Wissen einer Gesellschaft ungleich verteilt ist. Wie Gott sich nun in Gestalt seines Sohnes zum Menschen herabgelassen habe, so habe sich nun der Wissende - der Prediger - zum Unwissenden herabzulassen und ihm so sein religiöses Fachwissen nahe zu bringen, es volkstümlich zu machen. Letztes Ziel dieser heilbringenden Herablassung bliebe freilich, das Volk zum Wissen empor zu ziehen - Popularisierung als Erziehungsinstrument.
Erzieherisch verfuhr man auch zu Zeiten der Klassik, die sich aus diesem Blickwinkel durchaus als Volksbildungswerk lesen ließen. Entgegen dieser pädagogischen Hebe-Mechanik aber habe sich - etwa mit den illustrierten Zeitschriften des späten 19. Jahrhunderts - eine an sich populäre Kultur herausgebildet, die vergnügt in sich selbst ruhte, ohne noch einen Drang nach Höherem zu verspüren. Die populäre Kultur macht seitdem an sich Spaß - eine weitergehende Legitimation durch über ihr liegende Zwecke brauchte sie nicht mehr.
Erkauft worden sei diese populäre Kultur allerdings durch eine Art Reflexionsverbot. Während die Hochkultur sich und ihre Produkte bedenken, in ihrer Gemachtheit durchschauen, das heißt: ironisieren konnte, nahmen sich die Erzeugnisse der Populärkultur restlos ernst - und tun es wohl heute noch. Man denke an die Zuschauer, die der Legende nach Rat beim Chef der TV-Schwarzwaldklinik suchten.
Ferner sei aus dem theologisch-politischen Programm Popularisierung, das möglichst vielen die Teilhabe am Informationspool der gesamten Kultur ermöglichen wollte, im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Marktstrategie geworden mit dem Ziel, das eine oder andere Produkt zu popularisieren, sprich: möglichst weit unters Volk zu bringen.
Popularisierung und Popularität erweisen sich so gesehen als vielschichtige Phänomene. Die Autorinnen und Autoren zeichnen seine großen Entwicklungslinien nach, gehen aber auch immer wieder ins interessante, ja verblüffende Detail.
Das Bau- und Kunstprogramm König Ludwigs I. von Bayern, des leutseligen, wird ebenso zum Gegenstand ihrer Betrachtung wie sein königliches Bemühen, mittels Volkstracht dem Volk volksnah zu erscheinen - eine herablassende Strategie, der wir heute noch Bilder von US-amerikanischen Präsidenten in Cowboy-Stiefeln auf der Ranch zu verdanken hätten.
Oder es wird untersucht, wie und warum bislang jeder Versuch gescheitert ist, dem ganzen Menschenvolk die eine universale Menschensprache zu komponieren und auf diesem Weg allen alles verständlich zu machen, den linguistischen Super-GAU von Babylon zu reparieren. Leider tendierten Volapük, Esperanto und all die anderen Welthilfssprachen, wie Jens Ruchatz in seinem Essay zeigt, immer wieder "eher zur Geheim- denn zur Universalsprache".
Womit wir beim sprachlichen Aspekt überhaupt wären: Natürlich wäre es naiv anzunehmen, Forschungsergebnisse in Sachen Populäres sollten ihrerseits in einer volkstümlichen Sprache vorgetragen werden, in einer Redeweise, die auch dem nicht promovierten Kulturwissenschaftler verständlich wäre.
Tatsächlich wird in den meisten der hier versammelten Aufsätze wissenschaftlich genau und doch zugleich Klartext geredet. Einige wenige Texte aber finden sprachlich derart unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, dass sie gerade vor dem Hintergrund des Themas Popularität wie Parodien wirken, als Experiment, wie man die Geistes- in eine Geheimwissenschaft umschreiben, wie man als Geisteswissenschaftler vom geräumigen Elfenbeinturm ins Schneckenhaus umziehen könnte.
So lesen wir in Jürgen Links Beitrag mit dem Titel "Aspekte "molekularer" Popularisierung von Wissenschaft durch Kollektivsymbolik und Interdiskurs" folgende Formel: "Kollektivsymbole sollen also sämtliche Fälle heißen, die die folgende Grundstruktur aus Symbolisanten und Symbolisaten teilen: A = (Pi (1, ..., n) j (1, ..., n), Si (1, ..., n) (j (1, ..., n). Lies: A ist ein Dupel aus P Index i Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu mal j Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu, S Index i Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu mal j Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu.
Und Johannes Ullmaier stellt in seinem Versuch, den französischen Kulturwissenschaftler Pierre Bourdieu in Sachen Pop-Musik zu applizieren fest: "Der Muzak-Produzent verwahrt sich gegen das reine "Außen" der Musik-Laien, der Original-Gangster-Rapper gegen den Sellout-Rapper" und "der Speed-Death-Trash-Metaller gegen den bloßen Death-Trash-Metaller"! Wenn das wirklich so ist, dann hilft vielleicht wirklich nur noch eine Bourdieu-Applikation.
Überhaupt wird in diesen Arbeiten so ausgiebig Pierre Bourdieu appliziert, wird so viel mit
Foucault gesagt und mit Derrida gedacht, als wohne man einer 1980er-Jahre-Gedächtnisfeier bei.
Hier ist viel vom Buch die Rede - vom guten, versteht sich, von Luther wie von Goethe, hier wird das Radio thematisiert und der Film, zumal der Stummfilm - dafür bleibt manches - merkwürdig weitgehend - außer Acht: die Polit-Talkshows, in der unübersichtliche Problematiken auf Gute-Nacht-Niveau herunter geplaudert werden; die popularisierenden Wissenschaftssendungen; das Computerspiel und seine Kunstwelten, die alle Landesgrenzen unterlaufen und alle Bildungsschichten übergreifen; ja selbst das mittlerweile nicht mehr ganz marginale Medium Internet ist den Verfassern kaum die Rede wert.
Und so weht bei aller historischen Gründlichkeit ein eigentümlicher Hauch von Nostalgie durch dieses kulturwissenschaftliche Konvolut, und auf manchen Seiten wird dem Leser zumute, als hieße das verschwiegene Fazit der Wissenschaftler: Popularisierung und Popularität? Mit uns nicht!
Gereon Blaseio, Hedwig Pompe und Jens Ruchatz (Hrsg.): Popularisierung und Popularität.
DuMont Literaturverlag
Nun liegen die Ergebnisse vor.
In dem außerordentlich gründlichen historischen Teil wird gezeigt, wie Popularisierung in einem theologischen Kontext und aus der Erkenntnis entstanden ist, dass das Wissen einer Gesellschaft ungleich verteilt ist. Wie Gott sich nun in Gestalt seines Sohnes zum Menschen herabgelassen habe, so habe sich nun der Wissende - der Prediger - zum Unwissenden herabzulassen und ihm so sein religiöses Fachwissen nahe zu bringen, es volkstümlich zu machen. Letztes Ziel dieser heilbringenden Herablassung bliebe freilich, das Volk zum Wissen empor zu ziehen - Popularisierung als Erziehungsinstrument.
Erzieherisch verfuhr man auch zu Zeiten der Klassik, die sich aus diesem Blickwinkel durchaus als Volksbildungswerk lesen ließen. Entgegen dieser pädagogischen Hebe-Mechanik aber habe sich - etwa mit den illustrierten Zeitschriften des späten 19. Jahrhunderts - eine an sich populäre Kultur herausgebildet, die vergnügt in sich selbst ruhte, ohne noch einen Drang nach Höherem zu verspüren. Die populäre Kultur macht seitdem an sich Spaß - eine weitergehende Legitimation durch über ihr liegende Zwecke brauchte sie nicht mehr.
Erkauft worden sei diese populäre Kultur allerdings durch eine Art Reflexionsverbot. Während die Hochkultur sich und ihre Produkte bedenken, in ihrer Gemachtheit durchschauen, das heißt: ironisieren konnte, nahmen sich die Erzeugnisse der Populärkultur restlos ernst - und tun es wohl heute noch. Man denke an die Zuschauer, die der Legende nach Rat beim Chef der TV-Schwarzwaldklinik suchten.
Ferner sei aus dem theologisch-politischen Programm Popularisierung, das möglichst vielen die Teilhabe am Informationspool der gesamten Kultur ermöglichen wollte, im Laufe des 20. Jahrhunderts eine Marktstrategie geworden mit dem Ziel, das eine oder andere Produkt zu popularisieren, sprich: möglichst weit unters Volk zu bringen.
Popularisierung und Popularität erweisen sich so gesehen als vielschichtige Phänomene. Die Autorinnen und Autoren zeichnen seine großen Entwicklungslinien nach, gehen aber auch immer wieder ins interessante, ja verblüffende Detail.
Das Bau- und Kunstprogramm König Ludwigs I. von Bayern, des leutseligen, wird ebenso zum Gegenstand ihrer Betrachtung wie sein königliches Bemühen, mittels Volkstracht dem Volk volksnah zu erscheinen - eine herablassende Strategie, der wir heute noch Bilder von US-amerikanischen Präsidenten in Cowboy-Stiefeln auf der Ranch zu verdanken hätten.
Oder es wird untersucht, wie und warum bislang jeder Versuch gescheitert ist, dem ganzen Menschenvolk die eine universale Menschensprache zu komponieren und auf diesem Weg allen alles verständlich zu machen, den linguistischen Super-GAU von Babylon zu reparieren. Leider tendierten Volapük, Esperanto und all die anderen Welthilfssprachen, wie Jens Ruchatz in seinem Essay zeigt, immer wieder "eher zur Geheim- denn zur Universalsprache".
Womit wir beim sprachlichen Aspekt überhaupt wären: Natürlich wäre es naiv anzunehmen, Forschungsergebnisse in Sachen Populäres sollten ihrerseits in einer volkstümlichen Sprache vorgetragen werden, in einer Redeweise, die auch dem nicht promovierten Kulturwissenschaftler verständlich wäre.
Tatsächlich wird in den meisten der hier versammelten Aufsätze wissenschaftlich genau und doch zugleich Klartext geredet. Einige wenige Texte aber finden sprachlich derart unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, dass sie gerade vor dem Hintergrund des Themas Popularität wie Parodien wirken, als Experiment, wie man die Geistes- in eine Geheimwissenschaft umschreiben, wie man als Geisteswissenschaftler vom geräumigen Elfenbeinturm ins Schneckenhaus umziehen könnte.
So lesen wir in Jürgen Links Beitrag mit dem Titel "Aspekte "molekularer" Popularisierung von Wissenschaft durch Kollektivsymbolik und Interdiskurs" folgende Formel: "Kollektivsymbole sollen also sämtliche Fälle heißen, die die folgende Grundstruktur aus Symbolisanten und Symbolisaten teilen: A = (Pi (1, ..., n) j (1, ..., n), Si (1, ..., n) (j (1, ..., n). Lies: A ist ein Dupel aus P Index i Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu mal j Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu, S Index i Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu mal j Klammer auf 1 Komma Pünktchen Pünktchen Klammer zu.
Und Johannes Ullmaier stellt in seinem Versuch, den französischen Kulturwissenschaftler Pierre Bourdieu in Sachen Pop-Musik zu applizieren fest: "Der Muzak-Produzent verwahrt sich gegen das reine "Außen" der Musik-Laien, der Original-Gangster-Rapper gegen den Sellout-Rapper" und "der Speed-Death-Trash-Metaller gegen den bloßen Death-Trash-Metaller"! Wenn das wirklich so ist, dann hilft vielleicht wirklich nur noch eine Bourdieu-Applikation.
Überhaupt wird in diesen Arbeiten so ausgiebig Pierre Bourdieu appliziert, wird so viel mit
Foucault gesagt und mit Derrida gedacht, als wohne man einer 1980er-Jahre-Gedächtnisfeier bei.
Hier ist viel vom Buch die Rede - vom guten, versteht sich, von Luther wie von Goethe, hier wird das Radio thematisiert und der Film, zumal der Stummfilm - dafür bleibt manches - merkwürdig weitgehend - außer Acht: die Polit-Talkshows, in der unübersichtliche Problematiken auf Gute-Nacht-Niveau herunter geplaudert werden; die popularisierenden Wissenschaftssendungen; das Computerspiel und seine Kunstwelten, die alle Landesgrenzen unterlaufen und alle Bildungsschichten übergreifen; ja selbst das mittlerweile nicht mehr ganz marginale Medium Internet ist den Verfassern kaum die Rede wert.
Und so weht bei aller historischen Gründlichkeit ein eigentümlicher Hauch von Nostalgie durch dieses kulturwissenschaftliche Konvolut, und auf manchen Seiten wird dem Leser zumute, als hieße das verschwiegene Fazit der Wissenschaftler: Popularisierung und Popularität? Mit uns nicht!
Gereon Blaseio, Hedwig Pompe und Jens Ruchatz (Hrsg.): Popularisierung und Popularität.
DuMont Literaturverlag