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Was ist Verschwendung?

Die ostdeutschen Länder leben seit ihrer Wiedergründung 1990 über ihre Verhältnisse. Sie haben kräftig investiert, aber auch kräftig konsumiert und in kürzester Zeit exorbitante Schulden aufgehäuft. Inzwischen werden die Mittel aus dem Solidarpakt häufig nicht mehr für Investitionen ausgegeben, sondern für laufende Ausgaben. Und das sorgt für Streit.

Von Claudia van Laak |
    "Die Gelder sollten jetzt gestoppt werden und jetzt bei uns hier in Westdeutschland eingesetzt werden. Bei uns in Westdeutschland sieht man auch Ecken, wo man denkt, es ist Zeit, dass jetzt hier Geld angelegt wird."

    "Solange das sichergestellt wird, dass das für sinnvolle Projekte genutzt wird, habe ich damit kein Problem, das scheint mir gerade in letzter Zeit nicht mehr der Fall zu sein."

    "Wenn es dann woanders für verwendet wird, dann hat es keinen Sinn mehr, und ich würde sagen, ich bin nicht mehr bereit."

    Stimmen aus Westdeutschland. Und wie denken Ostdeutsche über die Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt?

    "Ich denke, dass die zweckentfremdet werden, das ist meine eigene Erfahrung. Ich denke, dass das eher für Prestigeprojekte ausgegeben wird, um sich selbst zu profilieren als Politiker."
    "Ich denke schon, dass da genug Geld in den Osten geflossen ist, nur was ist damit gemacht worden?"

    "Es heißt ja so schön Aufbau Ost, aber das die Gelder wieder zurückfließen, kriegt ja jeder mit, da ja aus den alten Bundesländern Firmen hier arbeiten, die das Geld wieder rausschöpfen. "

    "Unterstützung ist genug da, es müsste mehr Kontrolle stattfinden."

    Im Jahr 16 der deutschen Einheit hat eine Debatte darüber eingesetzt, ob die neuen Bundesländer das Geld aus dem Solidarpakt sinnvoll einsetzen oder nicht. Den Grund dafür haben die ostdeutschen Länder selber geliefert. Mit Ausnahme Sachsens geben sie große Teile der Osttransfers nicht so aus, wie es der Solidarpakt vorschreibt. Die Gelder sind als Ausgleich für die finanziell schlecht ausgestatteten Kommunen gedacht und für Investitionen in die Infrastruktur. Etwa jeder zweite Euro wird allerdings dazu verwendet, Personal zu bezahlen oder Haushaltslöcher zu stopfen. Falsch verwendet heißt nicht verschwendet, sagt Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer (SPD).

    "Man kann sich ja umschauen und sehen, was hier passiert ist: Hier wird investiert. Wir haben eine hohe Investitionsquote, die doppelt so hoch liegt wie in den Westländern, und das hat auch mit erheblichen Anstrengungen zu tun. Verschwendet, das ist ja der Begriff, der da verwendet wird, wird hier kein Geld."

    Seit 2002 sind die neuen Länder einschließlich Berlin dazu verpflichtet, jährlich einen so genannten Fortschrittsbericht vorzulegen. Darin müssen sie über die finanzpolitische Entwicklung der Länder- und Kommunalhaushalte sowie über die Verwendung der Solidarpaktgelder berichten. Helmut Seitz, Professor für Finanzwissenschaft an der TU Dresden.

    "Seit es diese Fortschrittsberichterstattung gibt, also erstmals 2002, hat sich eben gezeigt, dass in erheblichem Umfang mit Ausnahme des Freistaates Sachsen die Osttransferleistungen zur Finanzierung laufender Ausgaben und nicht zur Finanzierung investiver Ausgaben verwendet werden, wie das eigentlich vom Gesetzgeber gewollt ist."

    Die Fortschrittsberichte für 2005 liegen noch nicht auf dem Tisch. Aber Helmut Seitz hat bereits eine vorläufige Rechnung vorgelegt. Danach hat nur Sachsen seine gesamten Solidarpaktgelder korrekt ausgegeben. Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben etwa die Hälfte zweckwidrig verwendet, Sachsen-Anhalt sogar mehr als zwei Drittel. Berlin ist ein Sonderfall. Auf Grund seiner Haushaltsnotlage hat das Land kaum einen Euro aus dem Solidarpakt für Investitionen eingesetzt.

    Die falsche Verwendung der Mittel hat für massive Kritik seitens des Bundes gesorgt. Sowohl Finanzminister Peer Steinbrück als auch der für den Aufbau Ost zuständige Minister Wolfgang Tiefensee mahnen zu mehr Haushaltsdisziplin und verstärkten Sparanstrengungen:

    "Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass in den nächsten Jahren die Gelder weiter zurückgehen. Das heißt, die neuen Bundesländer müssen dringend auf den Pfad der Tugend zurück. Sie müssen das Geld, was für konsumtive, für die Verwaltungsausgaben verwendet wird, müssen sie drastisch senken."

    Ein Blick in die Haushalte zeigt – die ostdeutschen Länder leben seit ihrer Wiedergründung 1990 über ihre Verhältnisse. Sie haben kräftig investiert, aber auch kräftig konsumiert und in kürzester Zeit exorbitante Schulden aufgehäuft. 1990 ist Ostdeutschland mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 0 Euro gestartet. Nach nur 8 Jahren wurde die Pro-Kopf-Verschuldung der westdeutschen Länder erreicht. Die neuen Länder investieren nicht zu wenig, aber sie investieren auf Pump. Nach Ansicht des Ostexperten Helmut Seitz hat Sachsen-Anhalt die größten finanzpolitischen Sünden begangen.

    "Sachsen-Anhalt macht zwei schreckliche Dinge. Sachsen-Anhalt baut ständig höhere Schulden auf und verwendet die Osttransfers in der laufenden Rechnung. Das heißt, die Zukunftsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt, das gilt in abgeschwächter Form auch für die anderen Länder mit Ausnahme von Sachsen, ist damit nachhaltig gefährdet."

    Der Finanzwissenschaftler nennt ein Beispiel für die prekäre haushaltspolitische Lage Sachsen-Anhalts. So zahlt das Land für seine Hochschulen pro Kopf jährlich 170 Euro. Die Ausgaben allein für Zinsen liegen zweieinhalb Mal so hoch: bei 420 Euro pro Kopf. Damit ist noch kein einziger Schulden-Euro getilgt. Auf Grund der demografischen Entwicklung, sprich der weiter sinkenden Einwohnerzahl, wird sich die Zinslast pro Kopf noch weiter erhöhen. Der Landesregierung in Magdeburg bleibt kaum noch Gestaltungsspielraum.

    Der neue sachsen-anhaltinische Finanzminister Jens Bullerjahn hat eine schwere Aufgabe übernommen. Der SPD-Politiker weiß genau wie seine anderen ostdeutschen Kollegen, dass die neuen Länder noch jahrelang auf die Solidarität des Westens angewiesen sein werden. Und er weiß, dass Ostdeutschland diese Solidarität nicht überstrapazieren darf. Deshalb gibt er sich selbstkritisch:

    "Wir haben in den vergangenen zehn Jahren bei der Verwaltung, beim Personalabbau nicht die Stringenz an den Tag gelegt, die Sachsen von Anfang an gemacht hat. Deshalb ist es wichtig aufzuzählen, was wir vorhaben. Wir führen in den nächsten vier bis fünf Jahren eine Kreisgebietsreform durch. Wir arbeiten daran, ein Drittel unseres Landespersonals abzubauen. Wir müssen unsere Neuverschuldung abbauen. Das muss bis 2010, 2011 gelingen."

    Denn ab 2009 gehen die Osttransfers drastisch zurück. Das wissen auch die anderen neuen Länder und verweisen auf ihre Sparanstrengungen. Allerdings ist es bislang weder Sachsen-Anhalt noch Mecklenburg-Vorpommern weder Thüringen noch Brandenburg gelungen die Verschuldung einzudämmen.

    Statt Schulden abzubauen, kommen jedes Jahr neue hinzu. Brandenburg wird in Kürze den nächsten Doppelhaushalt vorlegen, für den Kredite in Höhe von über 600 Millionen Euro aufgenommen werden müssen. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) redet lieber über die Sparanstrengungen als über die neuen Schulden:

    "Mein Land Brandenburg ist gestartet mit 100.000 öffentlichen Bediensteten. Wir liegen jetzt bei circa 57.000 und werden im Jahr 2010 bei 51.000 öffentlichen Bediensteten liegen. Das sagt schon alles, was den konsequenten Abbau des Personals und was die Erhöhung der Effektivität und was konsequente Verwaltungsarbeit betrifft."

    Die Solidarpaktsünder argumentieren gerne mit der hohen Belastung ihrer Haushalte durch die so genannten Sonderrenten und Zusatzversorgungssysteme aus DDR-Zeiten. Damit sind Rentenzahlungen zum Beispiel für ehemalige Angehörige von Polizei oder Armee gemeint, die sich die Betroffenen vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten haben. Die Kosten dafür betrugen im letzten Jahr etwa drei Milliarden Euro.
    Finanzwissenschaftler Seitz lässt dieses Argument nicht gelten:

    "Man muss objektiv sein. Die alten Länder haben im Vergleich zu den ostdeutschen Ländern wesentlich höhere Pensionsaufwendungen. Und die Aufwendungen der ostdeutschen Länder für diese Zusatzrenten belaufen sich auf ungefähr 40 Prozent der Aufwendungen der westdeutschen Länder für Pensionen. Das heißt, diese Ostrentenproblematik ist keinesfalls ein Alibi-Argument dafür, um diese hohe Fehlverwendung der Osttransferleistungen zu rechtfertigen."

    Thüringen hat sich eine besondere Strategie beim Umgang mit den Solidarpaktgeldern überlegt. Die Kriterien für die Verwendung des Solidarpakts sollten einfach umdefiniert werden, meint Ministerpräsident Dieter Althaus. Sein Amtskollege aus Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, hat sich dieser Forderung angeschlossen. Ihr Wunsch: Auch die Ausgaben für Forschung und Bildung, also auch Personalkosten, sollten beim Solidarpakt abgerechnet werden können.

    Würde sich diese Meinung durchsetzen, wäre Ostdeutschland mit einem Schlag alle lästigen Diskussionen los – von einem Tag auf den anderen hieße es dann: Solidarpaktmittel zu 100 Prozent richtig verwendet. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU):

    "Es muss sicher ein hartes Controlling geben, aber es muss auch eine größere Verwendungsbreite geben, damit nicht Mittel, die für Forschung, für Gewerbe eingesetzt werden, als missbräuchlich definiert werden."

    Die Solidarpaktgelder auch für Forschung und Bildung ausgeben zu dürfen, davon hält Finanzwissenschaftler Seitz überhaupt nichts. Er erinnert an die Verhandlungen zum Solidarpakt II. Damals hatten die neuen Länder argumentiert, sie bräuchten das Geld, um die Infrastruktur auf Westniveau zu bringen.

    "Humankapitalbildung, Bildungsausgaben haben mit dem Aufbau Ost absolut nichts zu tun. Das ist eine Aufgabe, die wir in Ost- und Westdeutschland bewältigen müssen. Und die ostdeutschen Länder erhalten wie die westdeutschen Länder ausreichende Mittel aus den Steuereinnahmen und aus dem Finanzausgleich. Aber mit dem Aufbau Ost hat das absolut nichts zu tun, das sind Märchen aus 1001 Nacht","

    so der Aufbau-Ost-Experte von der Universität Dresden. Ein anderer Kenner der Lage unterstützt dagegen die Forderung Thüringens und Sachsen-Anhalts nach Aufweichung der Solidarpakt-Kriterien. Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle hat eine entsprechende Studie vorgelegt. Sein Ansatz: der Solidarpakt müsse stärker wachstumsorientiert ausgerichtet werden.

    Ein Beispiel: Die Förderung eines Biotechnologieinstituts ist dazu angetan, einen regionalen Wirtschaftsstandort zu stärken. Die dortigen wissenschaftlichen Mitarbeiter dürfen allerdings nicht aus Solidarpaktmitteln bezahlt werden. Im Gegensatz dazu ist der Bau eines Spaßbades eine Investition in die Infrastruktur und kann positiv abgerechnet werden. Ein Spaßbad sei allerdings nicht im Sinne des Solidarpakts, weil es so gut wie gar nicht zum Wirtschaftswachstum einer Region beitrage, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz:

    ""Und ich finde, das Beispiel zeigt es ziemlich deutlich, dass dort eben das bisherige Rechenschema einfach zu stark, zu sehr an haushalterischen Kriterien orientiert war, was Vorteile hat, da hat man in der Statistik die Investition unmittelbar vorliegen. Aber es wird dem eigentlichen Ziel des Solidarpakts II nicht gerecht."

    In der Tat: Die von den neuen Ländern jährlich vorzulegenden Fortschrittsberichte dokumentieren zwar, wie viel Geld aus dem Solidarpakt für Investitionen in die Infrastruktur verwendet worden ist. Ob diese Investitionen sinnvoll waren oder nicht, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer:

    "Wenn ich eine Straße nach nirgendwo baue, oder eine Brücke, die keinen Anschluss hat, oder einen Hafen, der nicht funktioniert, dann sind das Gelder, die man unter dem Begriff 'verschwendet' getrost zusammenfassen kann. Die sind aber in der Begrifflichkeit des Solidarpaktgesetzes ordentlich ausgegebene Gelder."

    Vom Grundsatz her sind sich die neuen Bundesländer in diesem Punkt einig. Aber nicht alle schließen sich der Forderung Thüringens und Sachsen-Anhalts nach einer Aufweichung der Solidarpakt-Kriterien an. Brandenburgs Finanzminister warnt seine ostdeutschen Kollegen sogar davor, den Solidarpakt aufzuschnüren:

    "Ich halte das für falsch. Ich habe es immer gesagt: Wer an dieses Gesetz rangeht, der muss sich nicht wundern, wenn er aus der Tür schlechter rauskommt als er reingegangen ist."

    Die Finanzminister der neuen Länder wissen: Der Solidarpakt II ist üppig ausgefallen. Von 2005 bis 2019 fließen 156 Milliarden Euro in die fünf neuen Länder und nach Berlin. 105 Milliarden dienen zum Abbau der so genannten teilungsbedingten Lasten. Die übrigen 51 Milliarden werden für die Wirtschaftsförderung ausgegeben.

    Nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle IWH sind seit der Wende netto 130 Milliarden Euro in die neuen Länder geflossen. Damit wurden neue Autobahnen gebaut, das Schienennetz saniert, historische Innenstädte restauriert, Kläranlagen gebaut, das Telekommunikationsnetz modernisiert. Die Rechnung "Ausbau der Infrastruktur gleich Wirtschaftsaufschwung" ging allerdings nicht auf. Brandenburgs Finanzminister Speer:

    "Selbst Helmut Kohl sprach von den blühenden Landschaften, hat dazu animiert, Geld auszugeben, zu investieren mit dem Ziel, eine Wirtschaftsentwicklung zu initiieren, die dann die entsprechenden Erträge abwirft, um den Haushalt in den Griff zu kriegen. Das ist fehl gelaufen."

    Egal ob SPD-, CDU-, PDS- oder FDP-regiert – die neuen Bundesländer haben das zu großen Teilen nicht selbst erwirtschaftete Geld mit vollen Händen ausgegeben - alle bis auf Sachsen. Kurt Biedenkopf und sein Finanzminister Georg Mildbradt blieben bescheiden. Heute kann Sachsen stolz darauf sein, bei der Pro-Kopf-Verschuldung nach Bayern auf dem zweiten Platz zu stehen. Helmut Seitz, Professor für Finanzwissenschaft an der TU Dresden:

    "Sachsen hat von Anfang an eine andere Finanzpolitik betrieben. Das ist ein reiner Biedenkopf-Milbradt-Effekt. Die beiden haben doch von Anfang an gewusst, dass das alles nur Schmarrn ist mit den blühenden Landschaften innerhalb von ein paar Tagen. Die wussten genau, das ist alles vergänglich. Auf die Dauer werden die ostdeutschen Länder nicht in dieser Form finanziell ausgestattet werden. Deshalb hat man dort von Anfang an auf eine solide Finanzpolitik gesetzt. Und wenn sie wollen, ernten die jetzt die Früchte davon."

    Und kritisieren aus einer Position der Stärke heraus die anderen neuen Länder. Sachsens Ministerpräsident Milbradt fordert einen innerdeutschen Stabilitätspakt, der klare Sanktionsmechanismen gegen Ausgabesünder enthalten soll. Im Ernstfall solle dies bis zum Verlust der finanzpolitischen Autonomie eines Landes und dem Einsatz eines Staatskommissars reichen, so der CDU-Politiker. Finanzwissenschaftler Seitz unterstützt diese Forderung:

    "Wir brauchen einen Mechanismus, der die Rolle des Bundes stärkt, die Rolle des Bundes als Controller. Und der Bund sollte positive und negative Anreize setzen. Wer die Gelder intentionswidrig verwendet, bekommt weniger. Wer sie richtig verwendet, bekommt mehr oder zügiger."

    Bei den Solidarpaktsündern stößt diese Forderung nach Strafen natürlich auf wenig Gegenliebe. Auf Grund der angehäuften Schulden sei es gar nicht möglich, die Osttransfers nur für Investitionen zu verwenden, sagt Brandenburgs Finanzminister Speer:

    "Wer eine Finanznot hat, den damit zu bestrafen, dass man ihm weniger Geld gibt, und dann die Hoffnung damit verbindet, dass es ihm anschließend besser geht, das ist eine mathematische Gleichung, die vollkommen wirr ist. Die hat mit der Realität gar nichts zu tun."

    In Brandenburg hat die Debatte über die Verwendung der Osttransfers zu einem Koalitionsstreit geführt. Während die SPD gerne lieber heute als morgen zur Tagesordnung übergehen möchte, heizt die CDU die Diskussion weiter an. Der Fraktionsvorsitzende der Union im Potsdamer Landtag, Thomas Lunacek:

    "Jeder Euro, der fehlverwendet wird, bedeutet einen Dauerschaden für die neuen Länder aus der Schwäche der hier agierenden Politik heraus. Und das muss man klar benennen, da ist eine Diskussion überfällig."

    Thomas Lunacek hat sogar die Ministerpräsidenten der alten Länder aufgefordert, mehr öffentlichen Druck auf ihre Kollegen in Ostdeutschland auszuüben. Doch die halten sich im Moment noch zurück. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff ist der Ansicht,

    "dass erst mal die Bundesregierung und die Länder-Ministerpräsidenten aus dem Osten sich verständigen sollen. Es ist allemal besser, wenn die zu Ergebnissen kommen, als dass wir uns in die Debatte zwischen Bundesregierung und neuen Bundesländern einmischen. Also wir sind der Meinung, es sollte erst mal versucht werden, eine Einigung zu erzielen, dann würden wir uns insgesamt im Bundesrat nicht damit befassen müssen."

    Die Debatte um den Solidarpakt zeigt. Hier gibt es Allianzen, die weder mit der Parteizugehörigkeit noch mit der Herkunft Ost-West zu tun haben. Der CDU-Ministerpräsident Althaus vertritt das Gegenteil wie sein Parteifreund und Amtskollege in Sachsen, Milbradt. Der wiederum sieht sich in einer Allianz mit dem SPD-Bundesfinanzminister. Es zeigt sich auch: Die Zeit, in der die neuen Länder die gleichen politischen Forderungen hatten, ist vorbei. Ostdeutschland differenziert sich aus. Der Musterknabe Sachsen schickt sich an, aus der Phalanx der darbenden Ostländer auszuscheren und langfristig zum Geberland zu werden.

    Vor wenigen Tagen gab es ein Treffen der Bundesminister Peer Steinbrück und Wolfgang Tiefensee mit den Finanzministern der neuen Länder. Das Ergebnis: Es bleibt alles so wie es ist. Der Bund wird die Kriterien für die Verwendung der Osttransfers nicht aufweichen. Die Mittel aus dem Solidarpakt dürfen auch weiterhin nur für finanzschwache Kommunen und für Investitionen in die Infrastruktur verwendet werden. Der Bund wird aber auch keine Sanktionen gegen die Solidarpaktsünder verhängen.

    Im Herbst werden die neuen Länder plus Berlin ihre aktuellen Fortschrittsberichte vorlegen. Die Nachricht wird wieder sein: Solidarpaktmittel zum großen Teil falsch verwendet. Die Debatte beginnt wieder von vorn. Bis zum Jahr 2019 – dann läuft der Solidarpakt II aus.