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Wasser gibt es nur stundenweise

Hierzulande ist es selbstverständlich: Ob beim Waschen, Duschen oder Putzen - fließendes frisches Wasser kommt bei uns rund um die Uhr aus dem Hahn. Nicht so in Albanien, ein Land, das praktisch mitten in Europa liegt, dessen Energie- und Wasserversorgung aber eher an Zustände in der Dritten Welt erinnert.

Von Ruth Reichstein |
    Das Wohnzimmer der Familie Ashuka in der Innenstadt von Tirana. Milto und Gjenovefa, beide Rentner, scherzen mit ihrer Tochter Anila, die Anfang 30 und gerade zu Besuch bei ihren Eltern ist. Gerade ist mal wieder der Strom ausgefallen. Zum dritten Mal an diesem Tag. Die drei zünden ein paar Kerzen an.

    "Ich habe großes Glück, weil ich hier ein Südfenster habe – also scheint tagsüber die Sonne herein und wärmt uns ein bisschen. Und wenn keine Sonne da ist, dann nehmen wir eben Decken oder heizen ein bisschen mit Gas. "

    Die Albaner nehmen die Energieprobleme mit Gelassenheit und Humor. Gedichte rezitieren bei Kerzenschein sei ja auch ganz nett, meint Vater Milto und lächelt. Stromausfälle sind in Albaniens Hauptstadt keine Seltenheit. Das gleiche gilt für die Wasserversorgung. Nur drei Mal am Tag für zwei bis drei Stunden läuft tatsächlich Wasser durch die Leitungen im Mietshaus der Familie Ashuka. Diese Situation sei nicht immer einfach zu ertragen, sagt Gjenovefa:

    "Um meine Wäsche zu waschen, muss ich mich ganz nach den Wasserzeiten organisieren. Dreimal am Tag kommt Wasser mit ausreichend Druck. Nur dann kann ich die Waschmaschine benutzen. Wir sind organisiert wie in einer Armee. Der Staat zwingt uns auf, wie wir unseren Tagesablauf organisieren. Jeden Tag. Wir müssen auf die Uhr schauen und wenn das Wasser kommt, dann müssen wir aufspringen und die Waschmaschine einschalten."

    Wasser stundenweise. Das ist die Regel in Albanien, dem zweitärmsten Land Europas. Nur zwei Städte im ganzen Land haben rund um die Uhr fließend Wasser. Das erschwert den Albanern das Leben und das macht es auch für ausländische Investoren weniger attraktiv, im Land zu investieren. Das gibt auch Suzanna Guxholi zu, die Wirtschaftsberaterin des albanischen Premierministers:

    "Es stimmt, dass Wasser ein echtes Problem ist und das hängt auch mit dem Energieproblem zusammen. Wir haben jetzt eine nationale Wasserstrategie entwickelt und wir haben viele Partnerschaften mit anderen Ländern. Zum Beispiel baut die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit mehrere Wasserkraftwerke – in Pogradec, in Dures und in Flora. Wir versuchen also, unser Bestes zu geben. Wir dezentralisieren. Die Entscheidungsgewalt geht jetzt an die Kommunen. Das ist gerade im Gange. In zwei Jahren sollte sich die Situation auf jeden Fall verbessert haben."

    So die Hoffnung der Regierungsmitarbeiterin. Bisher liegt die Wasserversorgung in den Händen der nationalen Regierung und die hat Schwierigkeiten, das Versorgungsnetz in den einzelnen Kommunen zu modernisieren. Mit der Dezentralisierung soll das besser werden.

    Das Städtchen Pogradec liegt im Norden des Landes am Ohrid-See. Hier funktioniert die Wasserversorgung seit ein paar Monaten. Der See gehört zu den ältesten Europas. Die Landschaft ist malerisch. Pogradec ist ein beliebtes Ziel für Touristen aus der Region. Das Hotel Alba liegt direkt am See-Ufer. Die Zimmer sind hell und geräumig. Der Neubau ist gerade erst fertig gestellt worden. Die ersten Zimmer für den kommenden Sommer sind schon gebucht. Die Wasserversorgung rund um die Uhr ist für den Hotelbesitzer entscheidet für seinen Geschäftserfolg:

    "Vorher hatten wir nur zweimal vier Stunden am Tag Wasser. Jetzt haben wir den ganzen Tag Wasser. Das war natürlich auch für die Touristen ein großes Problem. Es war ja richtig peinlich – auch für uns. Wenn ich nachts vom Arbeiten nach Hause gekommen bin, dann konnte ich mich nicht mal waschen oder mir etwas zu essen machen. Das ist jetzt zum Glück anders."

    Die Entwicklung geht langsam voran. Die regionale Regierung lässt gerade die Wasserkanäle vom Stadtzentrum in die umliegenden Dörfer ausbauen, um alle Bewohner und Hotels am See rund um die Uhr mit Wasser zu versorgen. Solange die Versorgung noch nicht flächendeckend garantiert ist, helfen sich die Albaner deshalb lieber selbst.

    Familie Ashuka in Tirana hat sich – wie alle anderen Familien in ihrem Mietshaus – einen Wassertank aufs Dach bauen lassen. Rund 250 Liter fasst der Behälter. Eine kleine Pumpe im Treppenhaus leitet das Wasser dann in die Wohnung, wenn die normale Versorgung gerade mal wieder unterbrochen ist. Das hat zwar nicht ausreichend Druck zum Beispiel für die Waschmaschine, aber immerhin zum Kochen und Duschen reicht es schon.