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Wasserprojekt in Äthiopien

Äthiopien, der Name ist fast schon ein Synonym für Hunger in Afrika. Doch nicht in allen Regionen des Landes am Horn von Afrika sind die Menschen von Hunger bedroht. In Butajira, einem Gebiet südlich der Hauptstadt Addis Abeba, haben die Menschen genug zu Essen. Sie bauen Mais, Weizen, Gemüse und das traditionelle Getreide Teff an. Die Gegend ist fruchtbar. Was ihre Gesundheit gefährdet, ist dreckiges Wasser. Michael Ruffert hat beobachtet, wie einfache Wasserpumpen dabei helfen, die Kindersterblichkeit zu senken.

von: Michael Ruffert |
    Hinter einem Holzzaun blitzt eine Wasserpumpe silbern in der Sonne. Sie ist von Frauen und Mädchen in abgewetzten Kleidern umlagert, die kräftig den Schwengel auf und nieder bewegen – das kostbare Nass ergießt sich in ihre Tonkrüge, die sie auf den Rücken laden und davon tragen. Kedija Hassen kommt drei Mal am Tag, zu der Pumpe nahe dem Ort Butajira in Äthiopien um Wasser für ihre Familie zu holen:

    Das Leben ist besser geworden seit es sauberes Wasser gibt. Es gibt keine Würmer mehr, keine Bakterien, alles ist besser geworden.

    Die vielleicht 40-jährige Frau musste früher mehr als drei Stunden laufen, um Wasser aus dem Fluss zu holen. Es war dreckiges, verseuchtes Wasser – denn die Menschen in Äthiopien nutzen den Fluss auch als Tränke für die Tiere, als Waschstelle und oft genug als Toilette. Die Folge: viele Kinder erkranken, bekommen Durchfall und sterben. Auch Kedija Hassen verlor vier ihrer Kinder, wie sie leise sagt. Durch das saubere Wasser ging die Kindersterblichkeit zurück – und Kedija Hassen ist nur noch eine halbe Stunde zur Pumpe unterwegs. Die Pumpe, die von rund 180 Menschen genutzt wird, verwaltet ein Selbsthilfekomitee. Der Vorsitzende Ato Sherefa Hamza erzählt:

    Wir kontrollieren die Wasserpumpe selbst. Wenn sie einmal defekt ist, kann unser Techniker sie sofort reparieren. Wenn sich die Regierung darum kümmert, dauert es oft viele Tage bis die Pumpe wieder funktioniert.

    Die Idee, dass die Bauern die Pumpe selbst betreiben, hat die lokale Organisation für ländliche Wasserentwicklung, kurz COWDO, eingeführt. Dadurch soll ein staatliches Defizit ausgeglichen werden. Denn die Regierung versagt oft, wenn es um die Bereitstellung von sauberem Wasser geht, wie COWDO-Direktor Ato Sebsibe Alemneh erläutert:

    In Äthiopien ist die Regierung für die Wasserversorgung verantwortlich. Wasserpumpen und Brunnen werden vom Staat betrieben. Er ist dafür zuständig, die Pumpen zu reparieren und Ersatzteile zu besorgen. Wir haben aber eine Studie erstellt, die zeigt, dass besonders im Süden Äthiopiens mehr als 50 Prozent der Pumpen nicht funktionieren. Die Regierung übernimmt zwar die Verantwortung für die Brunnen, ihr fehlen aber die Fachkräfte und das Geld, um die Pumpen funktionsfähig zu halten.

    COWDO, eine Partnerorganisation der Deutschen Welthungerhilfe, bildet daher lokale Wassertechniker aus. Sie kümmern sich um die Wartung der Pumpe, besorgen Ersatzteile. Auch das Selbsthilfekomitee trifft sich regelmäßig, bespricht Probleme und sammelt das Wassergeld ein. Jeder, der den Brunnen nutzt, muss pro Haushalt einen äthiopischen Birr im Monat zahlen. Umgerechnet sind das nur 27 Pfennig, aber eben doch kein geringer Betrag im armen Äthiopien. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt in dem Land am Horn von Afrika nur durchschnittlich 200 Mark im Jahr. Durch das Wassergeld, so hofft man, fühlen sich die Menschen mehr für die Pumpe verantwortlich, achten darauf, dass sie nicht beschädigt wird. Bislang müssen die Menschen in Äthiopien im Schnitt mit fünf Liter Wasser pro Tag auskommen. Nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation sind aber 20 Liter pro Tag und Person notwendig. In Butajira will man erreichen, dass mindestens 15 Litern pro Tag und Person verfügbar sind.

    Wenn das Konzept mit den Selbsthilfegruppen erfolgreich ist, hofft COWDO-Direktor Alemneh, lässt sich das Modell auch auf andere äthiopische Regionen übertragen. Sorge bereitet dem Ingenieur allerdings die hygienischen Verhältnisse.

    In den Hütten der Bauern leben Mensch und Tier in einem Raum. Oft waschen die Menschen nicht einmal die Hände, wenn sie Essen. Wir benutzten hier keine Löffel und Gabeln, wir essen mit den Händen. Auch das Trinkwasser wird oft nicht richtig gelagert, es steht offen. Ohne persönliche Hygiene können viele Krankheiten entstehen, Fieber und Cholera werden so verursacht.

    In der Tat erinnern die Verhältnisse in den Dörfern oft an das europäische Mittelalter: In der Rundhütte kocht die Frau vorne an der Feuerstelle Tee, hinten liegen Ziegen, Kühe und Hühner. Nur ein paar Bretter trennen die Schlafstätte von den Tieren. Aufklärung tut not. In Butajira gehen zwei Sozialarbeiterinnen zu den Menschen, erklären ihnen, worauf sie beim Kochen achten müssen, was an Hygiene notwendig ist - ein mühsames Geschäft. Aber man sei auf dem Weg, meint Alemneh. Immerhin hätten Frauen wie Kedija Hassen heute weniger Arbeit und ihnen sei viel von der Angst um die Gesundheit der Kinder genommen.