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Wasserstandsvorhersage für den Markusplatz

Technik. - "Aqua alta" ist seit Jahrhunderten das Los der Lagunenstadt. Mehrmals im Jahr verflüssigt sich sogar der Markusplatz. Das Computermodell "Ramses" soll den Behörden jetzt vorhersagen, wann welche Teile der Serenissima überflutet werden, damit rechtzeitig Vorsorge getroffen werden kann.

Von Thomas Migge | 11.11.2011
    Der Markusplatz steht im Winter oft unter Wasser. Und oft stellt die Stadtverwaltung zu spät die hölzernen Stege auf, damit man nicht durch das Wasser waten muss. Mit "Ramses" wird man in diesem Winter viel genauer als bisher wissen, wann der Platz oder Teile der übrigen Stadt vom Hochwasser überflutet werden, erklärt Ingenieur Rudi Maria Todaro:

    "'Ramses' ist ein topografisches Projekt, bei dem wir detailgenau den gesamten Fussboden Venedigs datentechnisch erfasst haben. Das sind rund eine Million Quadratmeter Fläche. Wir benutzten dafür nicht etwa innovative, sondern bereits existierende Technologien, die aber bisher nie in diesem Umfang zum Einsatz kamen."

    Todaro ist Direktor der Firma "Insula", einem Team aus Ingenieuren, die im Auftrag der Stadtverwaltung innerhalb von zweieinhalb Jahren ein dreidimensionales Bild des gesamten Fussbodens von Venedig erstellt hat. Die dafür benutzten Technologien fanden bisher vor allem bei der Restaurierung historischer Gebäude Anwendung. Für die Erfassung einer ganzen Stadt wurden sie noch nie benutzt.
    Todaro:

    "Wir kombinierten die Daten der GPS-Technik, klassischer Höhenmessungsstechnologien und der Laserscanner. Vor allem der Laserscanner war uns eine grosse Hilfe."

    22.000 Laserscanner waren im Einsatz. Bei der Laseraltimetrie wird ein Objekt von einer Vielzahl von punktweisen Entfernungsmessungen abgetastet. Die von Todaro und seinen Mitarbeitern benutzten Lasermesssysteme erreichen eine Genauigkeit von bis zu einem Millimeter. Das Ergebnis ist eine hochaufgelöste 3D-Karte der Stadt. "Ramses" gibt dem Benutzer die Möglichkeit, jede Strasse, Gasse und jeden Platz Venedigs auf dem Computerbildschirm aufzurufen - wie bei einem Videospiel. Distanzen zwischen verschiedenen Orten können so genau bestimmt werden. Vor allem aber gibt das Projekt Auskunft über kleinste Höhenunterschiede am Boden. Das ist extrem wichtig im Fall von Hochwasser. Ein Beispiel: Gibt man die aktuellen Daten der venezianischen Wasserbehörde bezüglich eines drohenden Hochwassers ein - mittel, schwer oder sehr schwer, also zwischen 18 und 100 Zentimeter über Normalpegel– liefert der Rechner umgehend Informationen darüber, welche Teile der Stadt als erstes betroffen sind. Rudi Maria Todaro:

    "Wenn wir also wissen, welche Stadtgebiete überschwemmt werden, können wir rechtzeitig bei der Stadtverwaltung intervenieren, damit sie aktiv wird."

    Mit Hilfe der Daten der städtischen Wasserbehörde kann "Ramses" Hochwasserprognosen von bis zu drei Tagen erstellen. Bleibt jetzt nur zu hoffen, dass die Stadt mehr Holzstege anschaffen wird, denn es existieren zu wenig, um im Fall eines grossflächigen Hochwassers alle betroffenen wichtigen Strassen und Plätze begehbar zu machen.