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Weg von der Werft

Sportliche Events wie die Tall Ship Races, Konzerte, Galerien und Studios: Stettin tut viel dafür, um die örtliche Kulturszene zu fördern. Nach dem Niedergang der einst wichtigen Werften will sich die Ostseestadt nun als modernes Kunstzentrum etablieren.

Von Katrin Kühne |
    Vom Wasser aus sieht man die Veränderungen der polnischen Hafenstadt Sczcecin oder deutsch Stettin besonders gut. Hier die vor sich hingammelnden Werftanlagen der kommunistischen Ära, dort die adrett hergerichtete Altstadt. Frischen Wind verspricht für den stellvertretenden Stadtdirektor Krysztof Soska auch die Regatta.

    "Wir erwarten ab dem ersten, zweiten August rund 100 Großsegler für das Finale der Tall Ships Races hier in Stettin. Das ist nicht nur eine sportliche Veranstaltung, sondern vor allem auch ein Festival mit vielen Kulturevents."

    Bei dem zum Auftakt am Freitag die Stettiner Philharmoniker mit der Experimentalgruppe "VooVoo" ein gemeinsames Konzert geben, umsonst und draußen.

    Mut zum Neuen beweist die Stadt momentan auch mit den sogenannten "Leuchttürmen der Kultur" für Stettin. Da ist zum einen das Konzerthaus des spanische Architekten Alberto Fernandez Veiga im Bau, mit spektakulärer weißer Aluminiumfassade, zum anderen ein weitgehend unterirdisch entstehendes Gedenkzentrum. Es trägt den Namen "Przelomy" - zu deutsch - "Umbrüche". Nicht ohne Grund, berichtet Stadtführerin Dorota Moskalek auf ihrer Rundfahrt:

    "Das war, glaube ich, die größte Wende in der Geschichte der Stadt in letzter Zeit, also die Vertreibung der Deutschen, Ankunft der polnischen Einwohner der Stadt, unter denen sich auch sehr viele Vetriebene aus ehemaligen polnischen Gebieten befanden. Dieses Schicksal Vertreibung war unseren beiden Nationen gemeinsam."

    Der dritte Kultur-Leuchtturm neben Konzerthaus und Gedenkzentrum ist das TRAFO – ein Zentrum für zeitgenössische Kunst. Die restaurierte Transformatorenstation von 1912 eröffnet bereits jetzt während des Tall Ships Races Final.

    Leiterin ist die deutsche Kulturmanagerin Constanze Kleiner, die vorher auf der Berliner Museumsinsel arbeitete. Die Stettiner Kunstavantgardeszene ist bis jetzt zwar klein, aber fein.

    "Ich sehe es als eine unserer Hauptaufgaben, diese Szene zu fördern, vor allem durch Kunstvermittlungsprogramme, Veranstaltungen, durch einen sehr starken Schwerpunkt auf "Artists in Residence"-Projekte.""

    Den "Artists in Residence" stehen zwei Apartments und auch Studios zur Verfügung. Die Licht durchflutete, rund 20 Meter hohe Haupthalle mit zwei umlaufenden Galerien kann für alle Arten von Kunstprojekten genutzt werden, ob Multimedia, Klanginstallationen oder Tanzveranstaltungen.

    "Was Stettin braucht, sind Künstler, die hierher kommen, hier leben und arbeiten, sich mit der regionalen Szene vernetzen, ihre Spuren hinterlassen, nach Hause gehen und sozusagen die Stettiner auch mitnehmen. Was die Stettiner Künstler brauchen, sie müssen nicht nur in Deutschland, in Berlin, sie müssen auch im Ausland gezeigt werden."

    Eröffnet wird das TRAFO am Wochenende mit der Vernissage der Ausstellung "Genesis" des in Lodz geborenen Künstlers Ryszard Wasko. Er arbeitet interdisziplinär unter anderem in New York, Berlin sowie in seiner Heimatstadt.

    Im Anschluss an die Vernissage tritt auch der deutsche Experimental-Musiker Hauschka auf, mit der eigens dafür komponierten Performance "Nuit Blanche". Sozusagen Zukunftsmusik für eine Stadt im Wandel.