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Wehrpflicht in Norwegen
Rekrutinnen rücken in die Kasernen ein

Frauen können in europäischen Ländern in der Regel freiwillig bei der Armee arbeiten. Nicht so in Norwegen. Das Land hat Anfang vergangenen Jahres die Wehrpflicht für Frauen eingeführt. Nun rückten die ersten Rekrutinnen in den Kasernen und auf den Schiffen ein.

Von Kai Schlüter | 25.07.2016
    Die norwegischen Reservistinnen Elin Jörgensen (l) und Anne Dugstad überwinden am 2.8.2000 in Berlin beim internationalen CIOR-Militärwettkampf der Reserveoffiziere der NATO-Mitgliedsstaaten und befreundeter Länder eine Balkentreppe auf der Hindernisbahn.
    Norwegen hat schon Anfang letzten Jahres die Wehrpflicht für Frauen eingeführt (picture-alliance / dpa/ Jens Kalaene)
    Frauen sind beim norwegischen Militär ein gewohntes Bild. Etwa zehn Prozent sind Soldatinnen. Bisher alles Freiwillige. Kristin Gulbrandsröd, die Mutter einer Soldatin, findet den Berufswunsch ihrer Tochter in Ordnung.
    "Ich glaube, dass die Mädchen, die diesen Beruf wählen, ganz schön tough sein müssen. Physisch und psychisch. Aber ich habe mir keine Sorgen gemacht."
    Während andere Länder die Wehrpflicht auch für Männer aussetzen oder abschaffen, geht Norwegen den entgegengesetzten Weg. Seit 2015 ist die Wehrpflicht auch für Frauen Gesetz. Für die Einführung gab es im Parlament einen breiten parteipolitischen Konsens. Nur die kleine christliche Partei mit knapp sechs Prozent stimmte dagegen. Jetzt werden die ersten Rekrutinnen eingezogen.
    "Wir haben ja seit vielen, vielen Jahren Frauen beim Militär, sagt Armeechef Håkon Bruun-Hanssen, und der Anteil ist stetig gestiegen. Wir sind also bereit für die ersten weiblichen Wehrpflichtigen."
    Eine militärische Landesverteidigung ist für die meisten Norweger selbstverständlich. Nach dem Trauma der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg wollte Norwegen verhindern, dass ein wieder erstarktes Deutschland oder der Nachbar Sowjetunion das Land noch einmal besetzen könnte und wurde Gründungsmitglied der NATO. Deutschland sollte eingebunden und die Sowjetunion abgeschreckt werden. In den USA sieht Norwegen seine Schutzmacht. Mit dem früheren Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg stellt Norwegen heute den NATO-Generalsekretär.
    Verteidigungsministerin will Frauenanteil steigern
    Die Wehrpflicht gilt für alle jungen Leute ab 19 und dauert ein Jahr. Nora Axe Gulbrandsröd, Freiwillige bei der Marine, betont die Herausforderungen des Soldatenlebens. Es sind lange Tage, und es ist anstrengend. Aber das ist ja ein Teil des Ganzen und dadurch wächst man dann auch.
    Verteidigungsministerin Ine Marie Eriksen Söreide betont, das Ziel sei, den Frauenanteil zu steigern. Per Tomas Bøe, im Verteidigungsministerium Projektleiter Wehrpflicht für Frauen, sieht bei den Rekrutinnen großes Interesse für die Armee.
    "Das große Interesse von weiblichen Rekruten ist durch unsere Informationsarbeit zu erklären. Information erzeugt Neugier. Außerdem sind sie jetzt wehrpflichtig und müssen sich mit der Armee auseinandersetzen."
    Die Gesamtzahl der Soldaten soll aber gleich bleiben. Die norwegische Armee ist klein. Die Friedensstärke beträgt etwa 18.000 Soldatinnen und Soldaten. Trotzdem mangelt es ihr an geeignetem Nachwuchs. Bøe sagt offen, dass es nicht nur oder vielleicht gar nicht um die Gleichstellung der Frauen geht, sondern um die Sicherung der Truppenstärke.
    "Das Wichtigste für uns ist, dass wir die Richtigen bekommen, Frauen oder Männer. Wir sehen die Erweiterung als einen besseren Zugang zu Kompetenz und auch als eine Verbesserung der Arbeitsatmosphäre."