Es kommt dieser gesamtgesellschaftlichen Stimmung gelegen, dass Hans Christian Andersen bald Geburtstag hat oder vielmehr hätte, den 200sten nämlich. Sofort ziehen beflissene Theatermacher seine Kunstmärchen aus der Tasche, allein seine "Schneekönigin" wird in diesem Monat an vier verschiedenen Theatern Premiere haben, nicht nur in Zürich, sondern auch in Essen (allerdings in einer Fassung von Jewgenij Schwarz), in Esslingen und in Leipzig. In Zürich nun war der aus der Hamburger Szene bekannte Rocksänger und Kabarett-Chaot Schorsch Kamerun beauftragt, den Salat gehörig anzurichten, und post actum muss man sagen: es ist eine Inszenierung der Bühnenbildnerin Barbara Ehnes, die massenweise Geld verpulvert hat. Zweitens unterscheidet sich die Aufführung in ihrem aufklärerischen Gehalt nicht wesentlich von "Peterchens Mondfahrt", einer Kulissenschieberei, der ich einstens am Theater am Aegi in Hannover beiwohnen durfte, und das war ungefähr 1965.
Gut, also, an Weihnachten wird man mal träumen dürfen. Aber, war da nicht was? Grips-Theater, Alltagsnähe, Kabarett auch für Kinder? Ist der Regisseur Schorsch Kamerun nicht Sänger bei den "Goldenen Zitronen"? Ist er wohl, aber er hat auch ein Faible für Kitsch und falsche Gefühle. Seine Schneekönigin kommt daher, als hätte "Holiday on Ice" gerade Hochzeit mit Walt Disney gefeiert. Das ist genau richtig für die Kinder der Züricher Reichen, aber ist es auch gutes Kindertheater? Vor allem: ist es eines, bei dem sich auch die Erwachsenen amüsieren?
Ich fürchte: nein. Es geht bei Andersen um folgendes: die unschuldigen Kinder Kay und Gerda mögen sich (bei Kamerun geschieht das ganz shakespearsch auf dem Balkon). Nun zerspringt dem Teufel ein Spiegel, die Splitter geraten dem Buben Kay ins Auge, und damit sieht man natürlich nicht mehr gut, sondern nur noch das Negative im Leben. Ganz schlecht ist das! Kays Herz gefriert zu einem Eisklumpen, und er wohnt nun bei der Schneekönigin im Reich abstrakter Vernunft, ziemlich nahe beim Nordpol. Gerda muss ihn suchen und mit ihren heißen Tränen befreien, denn dann schmilzt das Eis der Ratio.
Nur mit dem Herzen sieht man gut!, sagte schon der kleine Prinz. Auf dem Weg zur Befreiung begegnet Gerda allerlei sprechenden Pflanzen, Tieren, Hexen, Video- und Showeffekten, aber nie kann sie ihren Kay vergessen:
Es wird also viel und schön gesungen, der Erzähler Michael von der Heide lässt es den Kindern auf Schwyzerdütsch auch mal gruseln, die forsche Rebecca Klingenberg gibt die Gerda als patentes Mädchen, Sebastian Rudolph ist zunächst ein gutmütiger Kay, der dann ganz schnell umschaltet zum kühlen Vernunftbubi. Die Zuschauer sitzen auf einer Art Eisscholle, die vor- und zurückgefahren wird in den Dschungel und die Antarktis. Dort tun sich immer wieder Höhlen und Verliese auf, Libellen gleiten auf Rollschuhen heran, Pflanzen strecken ihre Stempel aus, Krähen krächzen, Schneekristalle rieseln, Rentiere stapfen aus den Kulissen – Mutter Natur drückt uns an ihren gefährlichen Busen. Flora und Fauna und Pappmaché triumphieren über das Theater. Man möchte ein Eisbär sein – Eisbären können nicht weinen. Alles nicht so schlimm? Ist ja nur für Kinder? Nun, es ist die Gegenaufklärung, die in Zürich gefeiert wird. Nach der Sonne der Vernunft, das war historisch schon immer so, kommt die dunkel raunende Märchen-Romantik. Nach der Moderne die Postmoderne. Sie ist so tümlich. Hier erscheint sie kurioserweise in Gestalt des Hamburger Szene-Punkers Schorsch Kamerun, der das Tümliche ins Videotische und Balletteuse holt und am Ende das Codewort buchstabiert: es geht um die "Ewigkeit" von Gefühl und kindlichem Herzschmerz. Die Phantasie an die Macht, hieß es damals. Klar. Aber bitte nicht so.
Gut, also, an Weihnachten wird man mal träumen dürfen. Aber, war da nicht was? Grips-Theater, Alltagsnähe, Kabarett auch für Kinder? Ist der Regisseur Schorsch Kamerun nicht Sänger bei den "Goldenen Zitronen"? Ist er wohl, aber er hat auch ein Faible für Kitsch und falsche Gefühle. Seine Schneekönigin kommt daher, als hätte "Holiday on Ice" gerade Hochzeit mit Walt Disney gefeiert. Das ist genau richtig für die Kinder der Züricher Reichen, aber ist es auch gutes Kindertheater? Vor allem: ist es eines, bei dem sich auch die Erwachsenen amüsieren?
Ich fürchte: nein. Es geht bei Andersen um folgendes: die unschuldigen Kinder Kay und Gerda mögen sich (bei Kamerun geschieht das ganz shakespearsch auf dem Balkon). Nun zerspringt dem Teufel ein Spiegel, die Splitter geraten dem Buben Kay ins Auge, und damit sieht man natürlich nicht mehr gut, sondern nur noch das Negative im Leben. Ganz schlecht ist das! Kays Herz gefriert zu einem Eisklumpen, und er wohnt nun bei der Schneekönigin im Reich abstrakter Vernunft, ziemlich nahe beim Nordpol. Gerda muss ihn suchen und mit ihren heißen Tränen befreien, denn dann schmilzt das Eis der Ratio.
Nur mit dem Herzen sieht man gut!, sagte schon der kleine Prinz. Auf dem Weg zur Befreiung begegnet Gerda allerlei sprechenden Pflanzen, Tieren, Hexen, Video- und Showeffekten, aber nie kann sie ihren Kay vergessen:
Es wird also viel und schön gesungen, der Erzähler Michael von der Heide lässt es den Kindern auf Schwyzerdütsch auch mal gruseln, die forsche Rebecca Klingenberg gibt die Gerda als patentes Mädchen, Sebastian Rudolph ist zunächst ein gutmütiger Kay, der dann ganz schnell umschaltet zum kühlen Vernunftbubi. Die Zuschauer sitzen auf einer Art Eisscholle, die vor- und zurückgefahren wird in den Dschungel und die Antarktis. Dort tun sich immer wieder Höhlen und Verliese auf, Libellen gleiten auf Rollschuhen heran, Pflanzen strecken ihre Stempel aus, Krähen krächzen, Schneekristalle rieseln, Rentiere stapfen aus den Kulissen – Mutter Natur drückt uns an ihren gefährlichen Busen. Flora und Fauna und Pappmaché triumphieren über das Theater. Man möchte ein Eisbär sein – Eisbären können nicht weinen. Alles nicht so schlimm? Ist ja nur für Kinder? Nun, es ist die Gegenaufklärung, die in Zürich gefeiert wird. Nach der Sonne der Vernunft, das war historisch schon immer so, kommt die dunkel raunende Märchen-Romantik. Nach der Moderne die Postmoderne. Sie ist so tümlich. Hier erscheint sie kurioserweise in Gestalt des Hamburger Szene-Punkers Schorsch Kamerun, der das Tümliche ins Videotische und Balletteuse holt und am Ende das Codewort buchstabiert: es geht um die "Ewigkeit" von Gefühl und kindlichem Herzschmerz. Die Phantasie an die Macht, hieß es damals. Klar. Aber bitte nicht so.