Die Ausstellung "Demokratie aus Weimar. Die Nationalversammlung 1919" fängt nicht in Weimar an, sondern im 1. Weltkrieg. Der Leiter des Stadtmuseums Weimar und Kurator der Ausstellung, Alf Rößner, will den vergifteten Boden zeigen, auf dem die Deutschen vor 95 Jahren ihre erste Demokratie ausprobierten – auch mit einem Blick in ein stilisiertes Wohnzimmer.
"Patriotischer Kitsch, Pfeifen mit Kaiser-Bildern; aus Granatsplittern arbeiten die Soldaten Brieföffner. Der Hindenburg wird zum großen Helden – er wird in der Weimarer Republik zum Reichspräsidenten auch gewählt, also der hängt hier. Der Geist von Potsdam – symbolisiert durch eine Porzellanfigur Friedrichs des Großen … Aber da ist auch die Desillusionierung: Der verwundete Soldat, der Armstumpf für einen Amputierten aus dem 1. Weltkrieg."
Unsicheres Terrain der ersten deutschen Demokratie
Es folgen Bilder vom Bürgerkrieg in Berlin, die verdeutlichen: In der vibrierenden Hauptstadt fehlt die Ruhe und die Sicherheit, eine dauerhafte deutsche Verfassung zu erarbeiten und zu verabschieden. Die Wahl fiel auf Weimar. Die Ausstellung zeigt zeitgenössische Darstellungen einer beschaulichen Residenzstadt, fernab des politischen Trubels. Sie zeigt aber auch das Militär, das durch den Park an der Ilm marschiert und die Maschinengewehre, die den Eingang des Theaters sicherten. Diese Bilder versinnbildlichen, auf welch unsicherem Terrain die erste deutsche Demokratie entstand.
"Das war also mehrere Standorte für Maschinengewehre. Es gab Jagdfliegerstaffeln in Weimar, es gab Artillerie hier, also tausende Soldaten, die da richtig die Stadt dicht gemacht haben. Na ja, in Berlin gab es den Spartakusaufstand! Und in Weimar war der eher nicht zu erwarten, weil man eben nicht die Arbeiter hier hatte. Und man hat aber trotzdem durchaus mit Luftangriffen gerechnet, ja, also dass ein Flieger eine Bombe aufs Nationaltheater schmeißt – da gibt’s Protokolle –, das musste auch mit verhindert werden. Man hatte einfach Angst, dass Gegner der Demokratie von Rechts wie Links dieses Werk der Nationalversammlung hier stören wollten."
Angst vor Gegnern der Demokratie
Im Weimarer Theater sollten die Abgeordneten ein halbes Jahr lang tagen. Der Intendant hatte es passenderweise am Tag der Wahl zur Nationalversammlung in "Deutsches Nationaltheater" umbenannt. Filmaufnahmen zeigen die Abgeordneten auf dem Weg ins Theater, auch einige Frauen, die 1919 erstmals wählen und gewählt werden durften. Das Theater wird in historischen Dokumenten als Ikone der Demokratie gefeiert. Ein deutscher Siegfried hält die Verfassung vor sich, Hammer und Meißel noch in der Hand, mit der er die Verfassungsartikel wie Moses in Stein gehauen hat.
Besonders interessant ist der Teil der Ausstellung, der die Wechselwirkung zwischen Nationalversammlung und der Stadt Weimar belegt: Die über 2000 Parlamentarier, Soldaten, Politiker, Diplomaten, Journalisten machten aus dem Musentempel eine hektische Weltstadt: Konzerte in den Cafés, ein Kabarett, steigende Preise. Auch sonst wurde nicht gespart. Die Straßenlaternen brannten wieder heller; wer Fremdenzimmer vermietete, erhielt mehr Kohlen und durfte seinen Gasbadeofen wieder verwenden. Die erste zivile Fluglinie Deutschlands brachte täglich zwei Mal Post aus Berlin, Sonderzüge verkehrten ebenfalls täglich zwischen Weimar und Berlin.
Die auf 5 Jahre angelegte Ausstellung ist, das weiß auch der Kurator Alf Rößner, erst der Beginn der Auseinandersetzung mit der Nationalversammlung in Weimar.
"Die Ausstellung ist erst einmal ein Pflock, der eingeschlagen ist, und der soll mit Katalog, der noch kommt, mit Werbung, mit Internetauftritt, auch mit museumspädagogischen Programm jetzt in den nächsten Jahren ergänzt werden. Und der Kampf um die Demokratie ist ja heute nicht beendet. Also, wenn man Demokratie will, dann darf man nicht nachlassen. Und das kann man auch aus Weimar lernen."
Bundesbeachtung und Bundesmittel
Und auch Oberbürgermeister Stefan Wolf fordert mehr Bundesbeachtung und Bundesmittel für Weimar als Demokratieort.
"Also, der Bund engagiert sich ja an den Orten der Demokratiegeschichte an vielen Stätten – Hambacher Schloss, Paulskirche, auch in Leipzig –, und wir meinen, dass er das auch in Weimar tun müsste. Wir haben in Weimar ja viele Gäste, die sich gerade wegen der schwierigen Geschichte der Stadt – zwischen Goethe und Schiller auf der einen und Buchenwald auf der anderen Seite – mit derartigen Fragen schon beschäftigen."
Außerdem, so Wolf, könnte am Weimarer Nationaltheater die Deutschlandfahne wehen, denn dort wurde sie am 31. Juli 1919 zum ersten Mal als Symbol des neuen demokratischen Deutschlands gehisst.