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Weinbau
Mit Nanotechnik gegen Schrumpeltrauben

Rot-gelbe Tigerstreifen auf Weinblättern: Was herbstlich anmutet, ist eine tödliche Krankheit für die Reben, verursacht von verschiedenen Pilzen. Antipilzmittel helfen kaum, deswegen testen Forscher, ob winzige Nano-Transporter Gegenmittel in den Stamm einschleusen können.

Von Anke Petermann | 19.09.2018
    Das Bild zeigt eine Nahaufnahme eines Weinberges.
    Forscher untersuchen, wie sich Pilze im Weinstock bekämpfen lassen (Deutschlandradio / Wolf Renschke)
    Weinreben wurzeln tief, Trockenheit kann ihnen nicht viel anhaben, wenn sie gesund sind. Aber wenn nach dem Rebschnitt Pilzsporen des sogenannten Esca-Komplexes in den Stamm gelangen, dann stirbt der Stock allmählich ab. Andreas Kortekamp vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum muss im DLR-eigenen Weinberg in Neustadt an der Weinstraße nicht lange nach den Esca-typischen Tigerstreifen im Laub suchen. Die Blätter zerbröseln dem Leiter des Instituts für Phytomedizin in den Fingern.
    "Und man kann ebenso die vertrocknenden Trauben sehen, die lassen sich ganz leicht ablösen. Die Triebe sind vertrocknet, die einzelnen Beeren sind verschrumpelt, diese Trauben sind für die Weinzubereitung nicht mehr zu benutzen. Wenn wir die Weinrebe rausreißen und aufschneiden würden, könnten wir in dem Stamm das vermorschte Holz sehen."
    Andreas Kortekamp vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz kontrolliert den Esca-Befall von Reben: die Blätter vertrocknen und zerbröseln
    Andreas Kortekamp vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz kontrolliert den Esca-Befall von Reben: die Blätter vertrocknen und zerbröseln (Anke Petermann / Deutschlandradio)
    Pro Jahr befällt die Krankheit durchschnittlich ein Prozent der Reben.
    "Das klingt erstmal nicht viel, aber wir sprechen ja über eine Dauerkultur, die durchaus auch mal 35, 40 Jahre im Weinberg stehenbleibt, und wenn sie das hochrechnen, haben sie nach 30, 40 Jahren, 30, 40 Prozent der Reben, die zerstört sind, und damit wird die gesamte Anlage unwirtschaftlich."
    Jochen Fischer vom Institut für Biotechnologie und Wirkstoff-Forschung Kaiserslautern setzt den Bohrer im 45-Grad-Winkel an eine Rieslingpflanze. In das zwei Zentimeter tiefe Loch setzt der Wissenschaftler eine Spritze. Aus der Injektionskapsel, wie man sie aus dem Mandel- und Obstanbau kennt, läuft eine braune Flüssigkeit. Die hat der Nano-Forscher Frederik Wurm zuvor im Labor des Mainzer Max-Planck-Instituts hergestellt. Das Lignin darin ist sozusagen der Köder für den Pilz. Weil dieser in den Holzstamm eingedrungen ist, lässt er sich mit Spritzmitteln von außen nicht bekämpfen.
    "Der Pilz oder die Pilze ernähren sich von dem Holz und entsprechend von dem Lignin aus dem Holz. Lignin ist ein Bestandteil von Holz neben Zellulose. Wir haben dem quasi giftiges Futter zubereitet, das wir aus dem Lignin-Nanopartikel hergestellt haben, die mit einem Fungizid beladen sind."
    Verdirbt das Pilzgift den Wein?
    Und sobald der hungrige Pilz die nanometergroße Lignin-Verpackung anknabbert, vergiftet er sich, eine Art getarnte Giftpille für den Pilz. Doch werden die Nanopartikel und das Fungizid später im Wein mitgetrunken? Die ersten der 300 Test-Reben sind untersucht.
    "Was wir sagen können, ist, dass wir keinen Wirkstoff in den Früchten finden, dem entsprechend keine Nano-Partikel finden",
    bilanziert der Chemiker Frederik Wurm - vorläufig.
    "Und abgesehen davon, der Partikel ist aus einem holzeigenen Bestandteil, der ist ohnehin biologisch. Nur der Wirkstoff wäre hier eine Chemikalie, und der ist so gering konzentriert, dass die Menge, selbst wenn er komplett in die Traube ginge, was er nicht tut, unproblematisch wäre."
    Um das vorläufige Ergebnis zu erhärten, untersucht das Trio aus Mainz, Kaiserslautern und Neustadt an der Weinstraße Trauben aus der laufenden Lese beim Dienstleistungszentrum Rheinpfalz und bei einem Rheingau-Winzer. Der stellte Esca-befallene Pflanzen für Tests zur Verfügung. Ob und in welchem Krankheits-Stadium der Nano-verpackte Wirkstoff befallene Reben kurieren kann, ermittelt die Langzeitbeobachtung. Wann und wie das Fungizid präventiv am besten wirkt, wird ebenso erforscht.
    Forscher testen weitere "trojanische Pferde"
    Einen weiteren Versuch haben die Wissenschaftler soeben mit einem biologischen Wirkstoff gestartet, mit Trichoderma. Das sind natürlich vorkommende Pilze, die den Esca-Komplex bekämpfen. Der Wirkstoff-Forscher Jochen Fischer deutet auf eine Injektionskapsel.
    "Auch wieder grüne Pilze, und diese Sporen können wir auch in die Pflanze injizieren, und die besetzen einfach eine Nische, die nicht mehr besetzt werden kann durch die pathogenen Pilze",
    … also die Schadpilze der tödlichen Esca-Krankheit. Die Trichoderma-Sporen sind ein natürliches Gegenmittel, konstatiert Andreas Kortekamp vom DLR Rheinpfalz. Deshalb könnten sie auch für den Bioweinbau taugen. Doch erstmal erforscht das Team um Frederik Wurm den Trichoderma-Einsatz genauer.
    Dr. Jochen Fischer vom Institut für Biotechnologie spritzt das Fungizid in der Nanohülle aus Lignin
    Dr. Jochen Fischer vom Institut für Biotechnologie spritzt das Fungizid in der Nanohülle aus Lignin (Anke Petermann / Deutschlandradio)
    "Einmal nehmen wir die ohne Verpackung, um die Wirkweise in der Pflanze per se zu analysieren, zum anderen verpacken wir die auch wieder genauso, dass wir die quasi in einem schlafenden Zustand in den Stamm reinkriegen und die erst dann aufgeknackt werden, sobald der Pilz in der Pflanze drin wäre."
    Der Bio-Wirkstoff als Trojanisches Pferd, eine Nummer größer als Nano, nämlich Mikrometer groß.