Joachim Humberg: " Ich sage ganz ehrlich, körperlich fühle ich mich fit, ich könnte auch bis 65 arbeiten, aber ich sehe das eigentlich unter dem Aspekt, dass man wie gesagt mit 60 noch viel unternehmen kann, mehr unternehmen kann wie mit 65. Zum anderen sage ich aber auch, man macht ja dadurch auch einen Arbeitsplatz frei für einen Jüngeren. Ja, die Stelle wird wieder neu besetzt. "
Joachim Humberg arbeitet als Maschinenbautechniker bei der Deutz AG in Köln-Porz - noch. Seit 35 Jahren dokumentiert er hier alle gebauten Motoren, und es macht ihm Spaß. Trotzdem hört der schlanke, dynamisch wirkende 58-Jährige in eineinhalb Jahren auf zu arbeiten - für ihn beginnt dann der passive Teil der Altersteilzeit. Drei Jahre voll arbeiten für 82 Prozent des normalen Gehaltes, drei Jahre nichts tun - ebenfalls für 82 Prozent des letzten Gehaltes. Aus dem Nichtstun wird aber voraussichtlich nichts bei Joachim Humberg.
" Ich bin also in verschiedenen Vereinen hier tätig, ich bin im Bürgerverein hier tätig, ich bin auch hier in der Narrengilde tätig, dann hab ich im Garten hier viel zu tun, vier Enkelkinder, da finde ich, die Freizeit, die dann demnächst ansteht, die ist voll ausgefüllt. "
Wie Humberg denken mehr als 400.000 Berufstätige. Sie ermöglicht es über 55-Jährigen, gleitend in den Ruhestand zu gehen: Das heißt, über einen Zeitraum von maximal zehn Jahren können die Beschäftigten ihre Arbeitszeit halbieren. Dabei haben sie die Wahl zwischen einer Halbtagstätigkeit und einem so genannten Blockmodell, bei dem zunächst weiter Vollzeit gearbeitet wird - und dann gar nicht mehr. Neun von zehn Arbeitnehmern entscheiden sich für das Blockmodell, und scheiden somit bis zu fünf Jahre früher aus dem Erwerbsleben aus.
Der Reiz der Altersteilzeit liegt für die Beschäftigten darin, dass sie nur noch halb so viel arbeiten wie zuvor, trotzdem aber deutlich über 50 Prozent ihrer Nettobezüge über die gesamte Spanne der Altersteilzeit behalten. Denn der Arbeitgeber zahlt einen Aufstockungsbeitrag von mindestens 20 Prozent; viele Tarifverträge sehen einen höheren Zuschuss vor. Außerdem entrichten die Firmen Rentenversicherungsbeiträge, die ebenfalls einem größeren Einkommen entsprechen. Der Staat unterstützt dieses Modell, indem er auf einen Teil der eigentlich anfallenden Steuern und Sozialabgaben verzichtet.
Bei dieser Regelung soll es nach dem Willen der großen Koalition auch bleiben. Sie ist weitgehend unstrittig. Dagegen läuft die staatlich geförderte Altersteilzeit Ende 2009 aus. Und genau darüber wird in Berlin diskutiert. Denn die SPD möchte dieses Modell fortführen, die Union will es ersatzlos streichen. Die unterschiedlichen Standpunkte prallen dabei unversöhnlich aufeinander - so argumentiert die SPD mit Parteichef Kurt Beck an der Spitze:
" Wer einem Band hinterherläuft, wer in der Notaufnahmestation eines Krankenhauses ständig höchstangespannt arbeitet, solche Menschen, die können irgendwann nicht mehr. "
Die Union hält dagegen. Stellvertretend für die CDU sagt Günther Oettinger, der Ministerpräsident von Baden Württemberg:
" Wir haben viel zu lange in Deutschland den Vorruhestand von Staats wegen finanziert. Der Weg ist falsch und wir müssen begreifen dass wir im Regelfall alle etwas länger arbeiten müssen. "
Im Unterschied zur betrieblichen Altersteilzeit übernimmt bei der staatlich geförderten Variante die Bundesagentur für Arbeit die Mindestbeträge für die Aufstockung bei Gehalt und Rentenversicherung. Dies allerdings nur für maximal sechs Jahre und unter der Voraussetzung, dass der frei werdende Arbeitsplatz mit einem Arbeitslosen oder einem gerade Ausgebildeten wieder besetzt wird. Auf diese Weise werden die Arbeitgeber finanziell entlastet, wenn sie einen älteren Mitarbeiter gehen lassen und durch einen jüngeren ersetzen.
Ersonnen hatte dieses Modell der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm. Er glaubte, mit der Altersteilzeit den Ausweg aus einem Dilemma gefunden zu haben. Denn Mitte der neunziger Jahre herrschte in Deutschland hohe Arbeitslosigkeit, zugleich aber drängten geburtenstarke Jahrgänge ins Berufsleben. Mit dem Altersteilzeit-Modell sollten die Alten - sozial gut abgefedert - Platz machen für die Jungen. - "Diese Rechnung ist nicht aufgegangen", sagen nunmehr nicht nur Blüms Parteifreunde, sondern auch Arbeitsmarktexperten wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Heinrich Kolb:
" Zu dem ursprünglich angedachten Koppelgeschäft, also die Förderung des Ausscheidens Älterer, damit Platz für die Einstellung jüngerer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen wird, ist es doch in den allerwenigsten Fällen gekommen. "
Hinzu kommt: Es sind weniger mittelständische Betriebe, sondern in erster Linie große Konzerne, die die staatlich geförderte Altersteilzeit nutzen - um sich kostengünstig zu verjüngen und zu verschlanken.
Absolut unterrepräsentiert in der Altersteilzeit sind die Angehörigen besonders belasteter Berufsgruppen. Also genau die "Malocher", für die das Modell eigentlich gedacht ist, klagt der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs:
" 15 Prozent der 105.000 in Altersteilzeit Befindlichen sind aus dem Öffentlichen Dienst. Zweiter Punkt: Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen, da können sie auch wieder davon ausgehen, dass das in großen Teilen öffentlicher Dienst ist. Dritter ist dann das Kreditgewerbe wahrscheinlich, die Sparkassen und dann kommen erst Maschinenbau und die Automobilhersteller. "
Beim Start der geförderten Altersteilzeit im Jahr 1997 nahmen knapp über 3000 Beschäftigte die Förderung in Anspruch, das kostete rund zehneinhalb Millionen Euro. Ein Jahrzehnt später - also 2007 - nutzten etwas über 100.000 Menschen das Angebot; und die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit schnellten auf nunmehr fast 1,4 Milliarden Euro hoch. Im Schnitt schlägt derzeit jeder Altersteilzeit-Fall mit insgesamt rund 30.000 Euro an Fördergeldern zu Buche.
Diese hohen Ausgaben sind nach Überzeugung der meisten Experten noch aus einem anderen Grund kontraproduktiv: Der demographische Wandel in einer alternden Gesellschaft sorgt dafür, dass den Unternehmen allmählich der Nachwuchs ausgeht - in Baden-Württemberg ist das schon jetzt der Fall, sagt Landesvater Oettinger:
" Wir brauchen dringend jeden Techniker und jeden Facharbeiter und jeden Ingenieur in der Produktion, in der Arbeitswelt, weil wir nicht mehr genügend junge Leute haben, die in diese Aufgaben gehen, dass heißt, wir sollten wo immer es zumutbar ist die lebensälteren Beschäftigten länger mitnehmen und nicht durch Vorruhestand den falschen Weg aufzeigen. "
Die SPD will jedoch Kurs halten und die Altersteilzeit mit Förderung durch den Staat in leicht modifizierter Form fortsetzen. Den Sozialdemokraten geht es dabei vor allem darum, all jene Härten zu mildern, die mit der sukzessiven Verlängerung der Lebensarbeitszeit einhergehen. - Oder, anders herum gewendet: Die SPD möchte den subventionierten, allmählichen Übergang in den Ruhestand beibehalten, um Arbeitnehmern, die am Ende ihrer Kräfte sind, bevor sie die Altersgrenze erreichen, die bittere Pille einer "Rente mit 67" eher zumuten zu können. - Parteivize Andrea Nahles:
" Wenn wir an dieser Stelle nicht einen humanen flexiblen Übergang schaffen, werden wir die Bevölkerung in ihrer großen breiten Mehrheit nicht mitnehmen auf den Weg in eine längere Lebensalterzeit. "
Bei der "Rente mit 67" hat die SPD die Gewerkschaften gegen sich - bei der Verlängerung der geförderten Altersteilzeit steht hingegen der DGB hinter den Sozialdemokraten. - Annelie Buntenbach vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
" Die Unternehmer brauchen auch weiterhin die Möglichkeit, flexibel und sozial abgesichert vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu wechseln. Für den flexiblen Übergang benötigen wir auch in Zukunft die Altersteilzeit mit Förderung der Bundesagentur. "
"Altersteilzeit ja, aber bitte ohne Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit, sondern allein auf Grundlage betrieblicher Vereinbarungen" - so lautet hingegen das Credo nicht nur von CDU und CSU, sondern auch der Arbeitgeber. So setzt Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt seine Hoffnungen auf die Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, wo die Tarifpartner einen erbitterten Streit über die Fortführung der betrieblichen Altersteilzeit auskämpfen:
" Ich habe Verständnis dafür, dass für besonders belastete Beschäftigte Regelungen eines weichen Übergangs in die Rente geschaffen werden, und ich halte es für notwendig das auch in der Metall und Elektroindustrie eine entsprechende Regelung getroffen wird. "
Im Südwesten bewegen sich die beiden Tarifparteien nur zögerlich wieder aufeinander zu. Dabei war eine Einigung in der Altersteilzeitfrage in der 7. Verhandlungsrunde so greifbar. Das Ergebnis hätte bundesweit auf alle 3,6 Millionen Beschäftigten der Branche übertragen werden sollen. Die Gespräche im Südwesten wurden stellvertretend für alle Tarifbezirke geführt. Überraschend gab der Verhandlungsführer der Südwest - IG Metall, Bezirksleiter Jörg Hofmann, Ende Juni das Scheitern der Verhandlungen bekannt:
" Es war in der siebten Verhandlungsrunde die seltene Situation, die ich bisher nie erlebt habe, dass wir mehrere Verhandlungsrunden uns über ein Modell verständigt haben, ein Grundmodell auf dem Tisch lag, an dem noch an Feinheiten gearbeitet wurde, wo es auch Unterschiede noch gab in Einzelheiten, und nun in der siebten Verhandlungsrunde die Gegenseite dieses Grundmodell, seine Basis vom Tisch genommen hat und damit das ganze an Feinheiten und übrigen Themen die verhandelt wurden dann auch de facto vom Tisch genommen hat. "
Die Arbeitgeberseite, vertreten durch den Arbeitgeberverband Südwestmetall, wollte keine Details aus den Verhandlungen nennen. Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer Michael Dick verwies auf eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Tarifparteien gleich nach dem Abbruch der Gespräche. Dick betonte wenige Tage später:
" Wir sind gemeinsam auf dem Weg gewesen, wir sind gemeinsam am vorläufigen Ende des Weges zu einem, wie wir dachten für beide Seiten tragbaren Kompromiss gekommen. Die IG-Metall hat es dann an einer einzigen Stellschraube scheitern lassen. Das ist natürlich auch eine Verhandlungsart, wo man sich fragen muss, welchen verlässlichen Verhandlungspartner haben wir da? "
Knackpunkt war die Frage: Wie viele Mitarbeiter eines Betriebes sollen ab 2009 maximal Anspruch auf Altersteilzeit haben? Nach Gewerkschaftsangaben hatte man sich darauf geeinigt, dass künftig vier Prozent der Belegschaft eines Betriebes einen Anspruch auf Altersteilzeit bekommen soll. Die Hälfte davon, also zwei Prozent, war für Schichtarbeiter vorgesehen. Schichtarbeiter hätten demnach mit 57 Jahren in eine sechsjährige Altersteilzeit einsteigen können; die andere Hälfte mit 61 Jahren. Gescheitert seien die Verhandlungen nach Gewerkschaftsangaben an der Frage, wie viel Prozent der Beschäftigten eines Betriebes ohne Schichtarbeiter künftig einen Anspruch auf Altersteilzeit haben können.
Die Arbeitgeberseite wollte nach Gewerkschaftsangaben künftig pro Betrieb zwei Prozent der Beschäftigten einen Anspruch auf Altersteilzeit gewähren - die Schichtarbeiter nicht mitgerechnet. Die IG Metall hielt diese Zahl für nicht akzeptabel.
Wie viel Prozent der Beschäftigten eines Betriebes sollen künftig einen Anspruch auf Altersteilzeit haben und wer hat überhaupt einen Anspruch auf Altersteilzeit? Diese Fragen werden nun erneut im Südwesten hinter verschlossenen Türen verhandelt werden müssen. Denn obwohl die Verhandlungen in Baden- Württemberg gescheitert sind, soll die Lösung nun dennoch im Südwesten gefunden werden. Die Vorstände von Gesamtmetall sowie die IG Metall Spitze haben sich schon wenige Tage nach dem Scheitern der Verhandlungen darauf geeinigt, die Gespräche in Baden-Württemberg fort zu setzen.
IG Metall wie die Arbeitgeberseiten wollen den Streit noch vor den anstehenden Lohn- und Gehaltsrunde im Herbst beilegen. Um eine Anschlusslösung für die noch bis Ende 2009 geförderte Altersteilzeit zu erreichen. Sollte bis zum Beginn der Entgelttarifrunde im September keine Lösung für die Branche mit ihren bundesweit 3,4 Millionen Beschäftigten gefunden werden, droht die IG Metall mit einem Arbeitskampf. Möglicherweise aber halten sich nicht alle Gewerkschaftsbezirke an diesen Zeitplan. Die IG Metall in Bayern hält sich die Möglichkeit offen, die Altersteilzeitfrage mit der anstehenden Lohn- und Gehaltsrunde zu verbinden.
Neben der heftig diskutierten Altersteilzeit gibt es noch andere Modelle, die es Arbeitnehmern ermöglichen, flexibel aus dem Berufsleben auszusteigen. Besonders vor dem Hintergrund der beschlossenen Rente mit 67 wird darüber diskutiert, wie man die Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente flexibel gestalten kann.
Eine Option ist die Teilrente. Sie ermöglicht es, früher Rente zu beziehen und zusätzlich zu arbeiten. Langjährig Rentenversicherte können eine Teilrente beantragen. Sie können dann wählen zwischen einem Drittel, der Hälfte oder zwei Drittel des bis dahin erreichten Anspruchs auf eine reguläre Altersrente. Dafür müssen sie Rentenabschläge von 0,3 Prozent pro vorgezogenen Monat hinnehmen - zwar nur auf die Höhe der Teilrente, aber dafür für den Rest ihres Lebens. Der Vorteil der Teilrente liegt in der Höhe des Zuverdienstes. Je niedriger die Teilrente ist, desto höher darf der Zuverdienst ohne Abzüge bei der Rente sein. Die Vorstellungen der SPD erläutert Generalsekretär Hubertus Heil
" Ab 2010 soll die Teilrente bereits ab dem 60. Lebensjahr möglich sein, bislang ab dem 63. Lebensjahr. Wenn durch den Teilrentenbezug später keine Abhängigkeit von Grundsicherung im Alter verursacht wird und hierzu sollen die Hinzuverdienstgrenzen fallen. "
In der Praxis spielt diese Rente allerdings kaum eine Rolle. Im Jahr 2006 gab es nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung lediglich die bescheidene Zahl von 2270 Teilrentnern.
Die Diskussion um einen flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in die Rente beschäftigt vor allem die SPD. Für die Partei zählt die Rente mit 67 neben den Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder zu den umstrittensten politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Die Unruhe bei den Mitgliedern hat dazu geführt, dass der Hamburger SPD-Parteitag im Herbst 2007 eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der SPD-Sozialexpertin Elke Ferner damit beauftragt hat, Korrekturen zu prüfen. Das Ziel: die Rente mit 67 für gesundheitlich angeschlagene Arbeitnehmer sozial abzufedern. An der Entscheidung zur Rente mit 67 aber will die SPD-Spitze grundsätzlich festhalten. Der richtige Weg, findet auch Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
" Wir können es uns nicht leisten, auf die Qualifikationen der Älteren zu verzichten. Und das gilt in der Zukunft noch mehr als heute und man sollte jetzt auch nicht mit staatlichen Mitteln oder mit Mitteln der Beitragszahler die Leute vorzeitig in den Ruhestand schicken damit subventionieren "
Wer aber wirklich nicht mehr kann, der soll auch nach Ansicht von Karl Brenke früher in den Ruhestand gehen können - mit einer Erwerbsminderungsrente.
Die Erwerbsminderungsrente erhalten chronisch Kranke, die nicht bis zum regulären Rentenalter arbeiten können.
Typische Erkrankungen sind Wirbelsäulenverschleiß oder gravierende psychische Probleme. Die Erwerbsminderungsrente wird nur an tatsächlich Kranke ausgezahlt. Das prüft ein Arzt. Die volle Rente erhält nur, wer ärztlich bestätigt weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. Wer noch drei bis sechs Stunden arbeiten könnte, bekommt das halbe Geld. Dennoch: Wer nach Ansicht der Mediziner gar nicht mehr arbeiten kann, egal ob mit 45 oder mit 55 Jahren, bekommt so viel Rente, als wäre er mit gleichem Entgelt bis zum 60. Lebensjahr berufstätig geblieben. Dies bedeutet einen Abschlag von fast elf Prozent gegenüber jener Rente, die der Betroffene mit 65 Jahren hätte erwarten können. Für die Gewerkschaften eine vollkommen unzureichende Regelung, stellt DBG-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach klar:
" Die Gefahr von Altersarmut erhöht sich überdurchschnittlich bei Erwerbsminderung und zwar vor allem deswegen, weil das Erwerbsminderungsrisiko privat fast nicht abgesichert werden kann. Deshalb brauchen wir Verbesserung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung und fordern die Abschaffung der Abschläge von bis zu 10,8 Prozent. "
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat sich gegen Änderungspläne seiner Partei bei der Erwerbsminderungsrente ausgesprochen. Er werde an den seit 2001 geltenden Grundlagen festhalten, stellte Scholz klar. Damals wurden die Zugangsvoraussetzungen zur Erwerbsminderungsrente verschärft. Dabei soll es auch nach dem Willen der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände bleiben. Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner:
" Zur Erwerbsminderungsrente darf ich ergänzen, teilen wir den Standpunkt des Bundesarbeitsministers, der gesagt hat, dass das nicht in Frage kommt, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Rente mit 67 und der Erwerbsminderungsrente. Wer gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, nicht mehr zu Arbeiten, hat bereits jetzt die Möglichkeit, eine Erwerbsminderungsrente ohne versicherungsmathematischen Abschlag. "
Immer früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden - das sei sowieso längst nicht mehr die Regel, sagt Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Schon seit zehn Jahren gebe es die Tendenz, immer später aus dem Betrieb auszuscheiden.
" Ich glaube, da hat sich sehr viel verändert. Auch seitens der Betriebe, früher war ja so weitgehend der Jugendkult gepflegt. Heute gibt es viele, die sich Sorgen machen, wie wird denn ihr Fachkräftebedarf in der Zukunft aussehen und manche planen auch und gucken sich an, wie ist denn meine Beschäftigungsstruktur heute, wie wird die in zehn Jahren sein. Manche kriegen auch einen Schreck, weil sie dann feststellen, dass die Belegschaft kräftig altert und dass man verstärkt auch Maßnahmen treffen muss, Weiterbildung, verstärkt Gesundheitsmaßnahmen und ähnliches und das wird durchaus gemacht. "
Joachim Humberg arbeitet als Maschinenbautechniker bei der Deutz AG in Köln-Porz - noch. Seit 35 Jahren dokumentiert er hier alle gebauten Motoren, und es macht ihm Spaß. Trotzdem hört der schlanke, dynamisch wirkende 58-Jährige in eineinhalb Jahren auf zu arbeiten - für ihn beginnt dann der passive Teil der Altersteilzeit. Drei Jahre voll arbeiten für 82 Prozent des normalen Gehaltes, drei Jahre nichts tun - ebenfalls für 82 Prozent des letzten Gehaltes. Aus dem Nichtstun wird aber voraussichtlich nichts bei Joachim Humberg.
" Ich bin also in verschiedenen Vereinen hier tätig, ich bin im Bürgerverein hier tätig, ich bin auch hier in der Narrengilde tätig, dann hab ich im Garten hier viel zu tun, vier Enkelkinder, da finde ich, die Freizeit, die dann demnächst ansteht, die ist voll ausgefüllt. "
Wie Humberg denken mehr als 400.000 Berufstätige. Sie ermöglicht es über 55-Jährigen, gleitend in den Ruhestand zu gehen: Das heißt, über einen Zeitraum von maximal zehn Jahren können die Beschäftigten ihre Arbeitszeit halbieren. Dabei haben sie die Wahl zwischen einer Halbtagstätigkeit und einem so genannten Blockmodell, bei dem zunächst weiter Vollzeit gearbeitet wird - und dann gar nicht mehr. Neun von zehn Arbeitnehmern entscheiden sich für das Blockmodell, und scheiden somit bis zu fünf Jahre früher aus dem Erwerbsleben aus.
Der Reiz der Altersteilzeit liegt für die Beschäftigten darin, dass sie nur noch halb so viel arbeiten wie zuvor, trotzdem aber deutlich über 50 Prozent ihrer Nettobezüge über die gesamte Spanne der Altersteilzeit behalten. Denn der Arbeitgeber zahlt einen Aufstockungsbeitrag von mindestens 20 Prozent; viele Tarifverträge sehen einen höheren Zuschuss vor. Außerdem entrichten die Firmen Rentenversicherungsbeiträge, die ebenfalls einem größeren Einkommen entsprechen. Der Staat unterstützt dieses Modell, indem er auf einen Teil der eigentlich anfallenden Steuern und Sozialabgaben verzichtet.
Bei dieser Regelung soll es nach dem Willen der großen Koalition auch bleiben. Sie ist weitgehend unstrittig. Dagegen läuft die staatlich geförderte Altersteilzeit Ende 2009 aus. Und genau darüber wird in Berlin diskutiert. Denn die SPD möchte dieses Modell fortführen, die Union will es ersatzlos streichen. Die unterschiedlichen Standpunkte prallen dabei unversöhnlich aufeinander - so argumentiert die SPD mit Parteichef Kurt Beck an der Spitze:
" Wer einem Band hinterherläuft, wer in der Notaufnahmestation eines Krankenhauses ständig höchstangespannt arbeitet, solche Menschen, die können irgendwann nicht mehr. "
Die Union hält dagegen. Stellvertretend für die CDU sagt Günther Oettinger, der Ministerpräsident von Baden Württemberg:
" Wir haben viel zu lange in Deutschland den Vorruhestand von Staats wegen finanziert. Der Weg ist falsch und wir müssen begreifen dass wir im Regelfall alle etwas länger arbeiten müssen. "
Im Unterschied zur betrieblichen Altersteilzeit übernimmt bei der staatlich geförderten Variante die Bundesagentur für Arbeit die Mindestbeträge für die Aufstockung bei Gehalt und Rentenversicherung. Dies allerdings nur für maximal sechs Jahre und unter der Voraussetzung, dass der frei werdende Arbeitsplatz mit einem Arbeitslosen oder einem gerade Ausgebildeten wieder besetzt wird. Auf diese Weise werden die Arbeitgeber finanziell entlastet, wenn sie einen älteren Mitarbeiter gehen lassen und durch einen jüngeren ersetzen.
Ersonnen hatte dieses Modell der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm. Er glaubte, mit der Altersteilzeit den Ausweg aus einem Dilemma gefunden zu haben. Denn Mitte der neunziger Jahre herrschte in Deutschland hohe Arbeitslosigkeit, zugleich aber drängten geburtenstarke Jahrgänge ins Berufsleben. Mit dem Altersteilzeit-Modell sollten die Alten - sozial gut abgefedert - Platz machen für die Jungen. - "Diese Rechnung ist nicht aufgegangen", sagen nunmehr nicht nur Blüms Parteifreunde, sondern auch Arbeitsmarktexperten wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Heinrich Kolb:
" Zu dem ursprünglich angedachten Koppelgeschäft, also die Förderung des Ausscheidens Älterer, damit Platz für die Einstellung jüngerer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen wird, ist es doch in den allerwenigsten Fällen gekommen. "
Hinzu kommt: Es sind weniger mittelständische Betriebe, sondern in erster Linie große Konzerne, die die staatlich geförderte Altersteilzeit nutzen - um sich kostengünstig zu verjüngen und zu verschlanken.
Absolut unterrepräsentiert in der Altersteilzeit sind die Angehörigen besonders belasteter Berufsgruppen. Also genau die "Malocher", für die das Modell eigentlich gedacht ist, klagt der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs:
" 15 Prozent der 105.000 in Altersteilzeit Befindlichen sind aus dem Öffentlichen Dienst. Zweiter Punkt: Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen, da können sie auch wieder davon ausgehen, dass das in großen Teilen öffentlicher Dienst ist. Dritter ist dann das Kreditgewerbe wahrscheinlich, die Sparkassen und dann kommen erst Maschinenbau und die Automobilhersteller. "
Beim Start der geförderten Altersteilzeit im Jahr 1997 nahmen knapp über 3000 Beschäftigte die Förderung in Anspruch, das kostete rund zehneinhalb Millionen Euro. Ein Jahrzehnt später - also 2007 - nutzten etwas über 100.000 Menschen das Angebot; und die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit schnellten auf nunmehr fast 1,4 Milliarden Euro hoch. Im Schnitt schlägt derzeit jeder Altersteilzeit-Fall mit insgesamt rund 30.000 Euro an Fördergeldern zu Buche.
Diese hohen Ausgaben sind nach Überzeugung der meisten Experten noch aus einem anderen Grund kontraproduktiv: Der demographische Wandel in einer alternden Gesellschaft sorgt dafür, dass den Unternehmen allmählich der Nachwuchs ausgeht - in Baden-Württemberg ist das schon jetzt der Fall, sagt Landesvater Oettinger:
" Wir brauchen dringend jeden Techniker und jeden Facharbeiter und jeden Ingenieur in der Produktion, in der Arbeitswelt, weil wir nicht mehr genügend junge Leute haben, die in diese Aufgaben gehen, dass heißt, wir sollten wo immer es zumutbar ist die lebensälteren Beschäftigten länger mitnehmen und nicht durch Vorruhestand den falschen Weg aufzeigen. "
Die SPD will jedoch Kurs halten und die Altersteilzeit mit Förderung durch den Staat in leicht modifizierter Form fortsetzen. Den Sozialdemokraten geht es dabei vor allem darum, all jene Härten zu mildern, die mit der sukzessiven Verlängerung der Lebensarbeitszeit einhergehen. - Oder, anders herum gewendet: Die SPD möchte den subventionierten, allmählichen Übergang in den Ruhestand beibehalten, um Arbeitnehmern, die am Ende ihrer Kräfte sind, bevor sie die Altersgrenze erreichen, die bittere Pille einer "Rente mit 67" eher zumuten zu können. - Parteivize Andrea Nahles:
" Wenn wir an dieser Stelle nicht einen humanen flexiblen Übergang schaffen, werden wir die Bevölkerung in ihrer großen breiten Mehrheit nicht mitnehmen auf den Weg in eine längere Lebensalterzeit. "
Bei der "Rente mit 67" hat die SPD die Gewerkschaften gegen sich - bei der Verlängerung der geförderten Altersteilzeit steht hingegen der DGB hinter den Sozialdemokraten. - Annelie Buntenbach vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
" Die Unternehmer brauchen auch weiterhin die Möglichkeit, flexibel und sozial abgesichert vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu wechseln. Für den flexiblen Übergang benötigen wir auch in Zukunft die Altersteilzeit mit Förderung der Bundesagentur. "
"Altersteilzeit ja, aber bitte ohne Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit, sondern allein auf Grundlage betrieblicher Vereinbarungen" - so lautet hingegen das Credo nicht nur von CDU und CSU, sondern auch der Arbeitgeber. So setzt Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt seine Hoffnungen auf die Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, wo die Tarifpartner einen erbitterten Streit über die Fortführung der betrieblichen Altersteilzeit auskämpfen:
" Ich habe Verständnis dafür, dass für besonders belastete Beschäftigte Regelungen eines weichen Übergangs in die Rente geschaffen werden, und ich halte es für notwendig das auch in der Metall und Elektroindustrie eine entsprechende Regelung getroffen wird. "
Im Südwesten bewegen sich die beiden Tarifparteien nur zögerlich wieder aufeinander zu. Dabei war eine Einigung in der Altersteilzeitfrage in der 7. Verhandlungsrunde so greifbar. Das Ergebnis hätte bundesweit auf alle 3,6 Millionen Beschäftigten der Branche übertragen werden sollen. Die Gespräche im Südwesten wurden stellvertretend für alle Tarifbezirke geführt. Überraschend gab der Verhandlungsführer der Südwest - IG Metall, Bezirksleiter Jörg Hofmann, Ende Juni das Scheitern der Verhandlungen bekannt:
" Es war in der siebten Verhandlungsrunde die seltene Situation, die ich bisher nie erlebt habe, dass wir mehrere Verhandlungsrunden uns über ein Modell verständigt haben, ein Grundmodell auf dem Tisch lag, an dem noch an Feinheiten gearbeitet wurde, wo es auch Unterschiede noch gab in Einzelheiten, und nun in der siebten Verhandlungsrunde die Gegenseite dieses Grundmodell, seine Basis vom Tisch genommen hat und damit das ganze an Feinheiten und übrigen Themen die verhandelt wurden dann auch de facto vom Tisch genommen hat. "
Die Arbeitgeberseite, vertreten durch den Arbeitgeberverband Südwestmetall, wollte keine Details aus den Verhandlungen nennen. Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer Michael Dick verwies auf eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Tarifparteien gleich nach dem Abbruch der Gespräche. Dick betonte wenige Tage später:
" Wir sind gemeinsam auf dem Weg gewesen, wir sind gemeinsam am vorläufigen Ende des Weges zu einem, wie wir dachten für beide Seiten tragbaren Kompromiss gekommen. Die IG-Metall hat es dann an einer einzigen Stellschraube scheitern lassen. Das ist natürlich auch eine Verhandlungsart, wo man sich fragen muss, welchen verlässlichen Verhandlungspartner haben wir da? "
Knackpunkt war die Frage: Wie viele Mitarbeiter eines Betriebes sollen ab 2009 maximal Anspruch auf Altersteilzeit haben? Nach Gewerkschaftsangaben hatte man sich darauf geeinigt, dass künftig vier Prozent der Belegschaft eines Betriebes einen Anspruch auf Altersteilzeit bekommen soll. Die Hälfte davon, also zwei Prozent, war für Schichtarbeiter vorgesehen. Schichtarbeiter hätten demnach mit 57 Jahren in eine sechsjährige Altersteilzeit einsteigen können; die andere Hälfte mit 61 Jahren. Gescheitert seien die Verhandlungen nach Gewerkschaftsangaben an der Frage, wie viel Prozent der Beschäftigten eines Betriebes ohne Schichtarbeiter künftig einen Anspruch auf Altersteilzeit haben können.
Die Arbeitgeberseite wollte nach Gewerkschaftsangaben künftig pro Betrieb zwei Prozent der Beschäftigten einen Anspruch auf Altersteilzeit gewähren - die Schichtarbeiter nicht mitgerechnet. Die IG Metall hielt diese Zahl für nicht akzeptabel.
Wie viel Prozent der Beschäftigten eines Betriebes sollen künftig einen Anspruch auf Altersteilzeit haben und wer hat überhaupt einen Anspruch auf Altersteilzeit? Diese Fragen werden nun erneut im Südwesten hinter verschlossenen Türen verhandelt werden müssen. Denn obwohl die Verhandlungen in Baden- Württemberg gescheitert sind, soll die Lösung nun dennoch im Südwesten gefunden werden. Die Vorstände von Gesamtmetall sowie die IG Metall Spitze haben sich schon wenige Tage nach dem Scheitern der Verhandlungen darauf geeinigt, die Gespräche in Baden-Württemberg fort zu setzen.
IG Metall wie die Arbeitgeberseiten wollen den Streit noch vor den anstehenden Lohn- und Gehaltsrunde im Herbst beilegen. Um eine Anschlusslösung für die noch bis Ende 2009 geförderte Altersteilzeit zu erreichen. Sollte bis zum Beginn der Entgelttarifrunde im September keine Lösung für die Branche mit ihren bundesweit 3,4 Millionen Beschäftigten gefunden werden, droht die IG Metall mit einem Arbeitskampf. Möglicherweise aber halten sich nicht alle Gewerkschaftsbezirke an diesen Zeitplan. Die IG Metall in Bayern hält sich die Möglichkeit offen, die Altersteilzeitfrage mit der anstehenden Lohn- und Gehaltsrunde zu verbinden.
Neben der heftig diskutierten Altersteilzeit gibt es noch andere Modelle, die es Arbeitnehmern ermöglichen, flexibel aus dem Berufsleben auszusteigen. Besonders vor dem Hintergrund der beschlossenen Rente mit 67 wird darüber diskutiert, wie man die Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente flexibel gestalten kann.
Eine Option ist die Teilrente. Sie ermöglicht es, früher Rente zu beziehen und zusätzlich zu arbeiten. Langjährig Rentenversicherte können eine Teilrente beantragen. Sie können dann wählen zwischen einem Drittel, der Hälfte oder zwei Drittel des bis dahin erreichten Anspruchs auf eine reguläre Altersrente. Dafür müssen sie Rentenabschläge von 0,3 Prozent pro vorgezogenen Monat hinnehmen - zwar nur auf die Höhe der Teilrente, aber dafür für den Rest ihres Lebens. Der Vorteil der Teilrente liegt in der Höhe des Zuverdienstes. Je niedriger die Teilrente ist, desto höher darf der Zuverdienst ohne Abzüge bei der Rente sein. Die Vorstellungen der SPD erläutert Generalsekretär Hubertus Heil
" Ab 2010 soll die Teilrente bereits ab dem 60. Lebensjahr möglich sein, bislang ab dem 63. Lebensjahr. Wenn durch den Teilrentenbezug später keine Abhängigkeit von Grundsicherung im Alter verursacht wird und hierzu sollen die Hinzuverdienstgrenzen fallen. "
In der Praxis spielt diese Rente allerdings kaum eine Rolle. Im Jahr 2006 gab es nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung lediglich die bescheidene Zahl von 2270 Teilrentnern.
Die Diskussion um einen flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in die Rente beschäftigt vor allem die SPD. Für die Partei zählt die Rente mit 67 neben den Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder zu den umstrittensten politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Die Unruhe bei den Mitgliedern hat dazu geführt, dass der Hamburger SPD-Parteitag im Herbst 2007 eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der SPD-Sozialexpertin Elke Ferner damit beauftragt hat, Korrekturen zu prüfen. Das Ziel: die Rente mit 67 für gesundheitlich angeschlagene Arbeitnehmer sozial abzufedern. An der Entscheidung zur Rente mit 67 aber will die SPD-Spitze grundsätzlich festhalten. Der richtige Weg, findet auch Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
" Wir können es uns nicht leisten, auf die Qualifikationen der Älteren zu verzichten. Und das gilt in der Zukunft noch mehr als heute und man sollte jetzt auch nicht mit staatlichen Mitteln oder mit Mitteln der Beitragszahler die Leute vorzeitig in den Ruhestand schicken damit subventionieren "
Wer aber wirklich nicht mehr kann, der soll auch nach Ansicht von Karl Brenke früher in den Ruhestand gehen können - mit einer Erwerbsminderungsrente.
Die Erwerbsminderungsrente erhalten chronisch Kranke, die nicht bis zum regulären Rentenalter arbeiten können.
Typische Erkrankungen sind Wirbelsäulenverschleiß oder gravierende psychische Probleme. Die Erwerbsminderungsrente wird nur an tatsächlich Kranke ausgezahlt. Das prüft ein Arzt. Die volle Rente erhält nur, wer ärztlich bestätigt weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. Wer noch drei bis sechs Stunden arbeiten könnte, bekommt das halbe Geld. Dennoch: Wer nach Ansicht der Mediziner gar nicht mehr arbeiten kann, egal ob mit 45 oder mit 55 Jahren, bekommt so viel Rente, als wäre er mit gleichem Entgelt bis zum 60. Lebensjahr berufstätig geblieben. Dies bedeutet einen Abschlag von fast elf Prozent gegenüber jener Rente, die der Betroffene mit 65 Jahren hätte erwarten können. Für die Gewerkschaften eine vollkommen unzureichende Regelung, stellt DBG-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach klar:
" Die Gefahr von Altersarmut erhöht sich überdurchschnittlich bei Erwerbsminderung und zwar vor allem deswegen, weil das Erwerbsminderungsrisiko privat fast nicht abgesichert werden kann. Deshalb brauchen wir Verbesserung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung und fordern die Abschaffung der Abschläge von bis zu 10,8 Prozent. "
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat sich gegen Änderungspläne seiner Partei bei der Erwerbsminderungsrente ausgesprochen. Er werde an den seit 2001 geltenden Grundlagen festhalten, stellte Scholz klar. Damals wurden die Zugangsvoraussetzungen zur Erwerbsminderungsrente verschärft. Dabei soll es auch nach dem Willen der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände bleiben. Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner:
" Zur Erwerbsminderungsrente darf ich ergänzen, teilen wir den Standpunkt des Bundesarbeitsministers, der gesagt hat, dass das nicht in Frage kommt, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Rente mit 67 und der Erwerbsminderungsrente. Wer gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, nicht mehr zu Arbeiten, hat bereits jetzt die Möglichkeit, eine Erwerbsminderungsrente ohne versicherungsmathematischen Abschlag. "
Immer früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden - das sei sowieso längst nicht mehr die Regel, sagt Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Schon seit zehn Jahren gebe es die Tendenz, immer später aus dem Betrieb auszuscheiden.
" Ich glaube, da hat sich sehr viel verändert. Auch seitens der Betriebe, früher war ja so weitgehend der Jugendkult gepflegt. Heute gibt es viele, die sich Sorgen machen, wie wird denn ihr Fachkräftebedarf in der Zukunft aussehen und manche planen auch und gucken sich an, wie ist denn meine Beschäftigungsstruktur heute, wie wird die in zehn Jahren sein. Manche kriegen auch einen Schreck, weil sie dann feststellen, dass die Belegschaft kräftig altert und dass man verstärkt auch Maßnahmen treffen muss, Weiterbildung, verstärkt Gesundheitsmaßnahmen und ähnliches und das wird durchaus gemacht. "