Archiv


Welcome to Dollywood

Dass die Great Smoky Mountains heute zu den beliebtesten Nationalparks der USA zählen, ist auch den fünf Millionen Dollar der Familie Rockefeller zu verdanken. Vor allem aber ihr: Dolly Parton. Ohne diese kleine, energische Blondine mit der unglaublichen Frisur wären die grünen Hügel von Tennessee nicht die grünen Hügel von Tennessee. Sie singt, und ihr gehören mehrere Freizeitparks.

Von Bettina Schmieding |
    "She’s a wonderful lady.
    What you see is what you get with Dolly.
    She is just as real as they come."

    "Haben wir das nicht schon mal gehabt?"

    Ja, das haben wir in der Tat schon einmal gehört. Von Pete. Er arbeitet für besagte Dolly.

    "What you see is what you get.
    Was du siehst, ist genau das, was du kriegst.
    Sie hat sich überhaupt nicht verändert, seit sie die Berge verlassen hat.
    Sie ist enorm erfolgreich, aber immer noch dasselbe Mädchen vom Land.
    Sie ist großzügig und sehr freundlich zu jedermann. Aber was die meisten echt überrascht ist, dass sie wirklich schlau ist.""

    Dies ist Dolly-Parton-Land. Ohne diese kleine, energische Blondine mit der unglaublichen Frisur wären die grünen Hügel von Tennessee nicht die grünen Hügel von Tennessee. Ihr gehören mehrere Freizeitparks, einer trägt den bezeichnenden Namen Dollywood. Sie hat sich selbst zu einer Marke gemacht, von der ein ganzer Landstrich im Südosten der USA profitiert. Ach ja, und sie singt.

    "Ihre Persönlichkeit und ihr Charakter sind reines Show Business. Man könnte ihre Umrisse zeichnen, und Menschen auf der ganzen Welt würden sofort wissen: Klar, dass ist Dolly Parton. Es scheint fast so, als sei sie ihre eigene Marke. Sie ist schon einzigartig. Ihre schöne Stimme, ihre Kreativität und ihr äußeres Erscheinungsbild sind wirklich bemerkenswert. Sie deckt wirklich alles ab. Oder sie legt alles offen."

    Wenn John LaFevre durch den Great Smoky Mountains National Park wandert, dann ist das jedes Mal wie eine kleine Liebeserklärung, eine Liebeserklärung an die Berge von Tennessee. Und auch auf Dolly Parton, die weltberühmte Sängerin, die in einer Hütte in den Smoky Mountains geboren wurde, singt John ein Loblied. Dolly Rebecca Parton war das vierte von zwölf Kindern, ihr Elternhaus hatte nur ein Zimmer und ihr Spielplatz waren die Berge und die Flüsse.

    Als Dolly Parton 1946 geboren wurde - ja, sie ist tatsächlich schon eine ältere Dame Anfang 60 - da war auch der Great Smoky Mountains National Park noch ganz jung. Wer heute hinauf steigt zum Mount LeConte, braucht feste Schuhe und einen festen Willen. Der Wanderweg entlang eines Gebirgsbaches ist nicht mehr als ein Trampelpfad, Bäume und Sträucher schwitzen grün und üppig, bilden die ersten Kilometer bergan ein blättriges Gehäuse aus Zweigen und Farn. Schwierige Stellen - es geht tatsächlich ein Stück mitten durch einen Felsen - sind mit Drahtseilen gesichert. Und wer nicht bis ganz nach oben will oder kann, der stoppt eben schon vorher und stellt sich mal unter den Alum Cave Bluffs, einen Felsenüberhang so groß wie ein Football-Feld.

    Die Eiszeit hat ihn geschaffen, diesen riesigen Felsen, berichtet die Videostimme im Besuchercenter - wie die Gletscher überhaupt ein ganzes Gebirge und eine Vegetation erst möglich gemacht haben, wie es sie sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Die Smokies haben die höchsten Berge östlich der Rocky Mountains.

    Heute sind die Smokies, die in Europa kaum jemand kennt, der beliebteste Nationalpark der USA. Und dabei hatte es lange gar nicht gut ausgesehen. Die Cherokee-Indianer waren schon längst umgesiedelt, weiße Farmer hatten ihre kleinen Hütten gebaut, als Anfang des vorigen Jahrhunderts das große Abholzen begann. Jahrhundertealte Hemlocktannen, ganze Rhododendron-Dschungel fielen den Äxten zum Opfer.

    Und fast hätten sich die Smokies einen neuen Namen suchen müssen, weil auch der natürliche Dunst, der in den Morgen- und Abendstunden alles in einen blauen Schimmer hüllt, ohne Bäume und Sträucher nicht mehr aufziehen wollte. Die Smoky Mountains standen kurz vor dem Kollaps, wären da nicht die fünf Millionen Dollar der Familie Rockefeller gewesen und die Anstrengungen von Regierung und Bürgern gleichermaßen, jeden Zentimeter aufzukaufen und in einen Nationalpark umzuwandeln.

    "Generationen von Menschen hatten hier seit dem 19. Jahrhundert gelebt. Wenn Ihre Familie beispielsweise seit 1850 hier gelebt hätte und siebzig oder achtzig Jahre später heißt es dann, ihr müsst wegziehen, dann war das schon schlimm für die Menschen, die hier ihr Zuhause hatten. Viele mussten außerhalb des Nationalparks neu anfangen."

    Die Umsiedlung, die hundert Jahre vorher viele Cherokee-Indianer auf dem sogenannten Trail of Tears, dem Zug der Tränen, mit dem Leben bezahlen mussten, forderte jetzt auch von den weißen Siedlern Opfer, berichtet John LaFevre, der über die Smokies Bücher schreibt, in denen auch die alte Hütte von Lucinda Ogle beschrieben wird.

    "Wir kannten ja nichts anderes. Wir waren die glücklichsten Menschen auf der Welt. Wir hatten ja nicht die Probleme und Sorgen und all das, was die Leute heutzutage haben."

    Lucinda Ogle ist heute eine alte Frau. Sie war noch ein Kind, als ihre Familie wie viele andere ihre kleines Holzhaus in den Bergen verlassen musste, um Platz für den Nationalpark zu machen. Ein bitteres Erlebnis, aber heute ist Lucinda froh, dass die Wälder und die Tiere durch den Park gerettet wurden. Vor dem Besuchercenter mitten im Wald erzählt John LaFevre, wie viel damals auf dem Spiel stand.

    "Dies wäre wohl eine Autobahn hier, und da drüben könnten wir halten und bei Kentucky Fried Chicken essen. Und da hinten gäbe es bestimmt Hamburger von McDonalds. So wäre es gekommen. Der Nationalpark hat diese Gegend in ein Juwel verwandelt, und darüber sind natürlich alle froh."

    Die Armut der Bergbewohner, der Familien von Lucinda Ogle und Dolly Parton, ist längst Geschichte. Aber was weiter lebt, ist ihre Kultur. Musik ist, was die Menschen in Tennessee zusammenhält. Im Osten des Bundesstaates ist das nach wie vor die Bluegrass Music, die Musik der Berge, importiert durch die Einwanderer und Sklaven, perfektioniert in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein Banjo gehört immer dazu, ebenso eine Gitarre, eine Fiedel und manchmal auch eine Mandoline.

    "Früher war die Musik meistens die einzige Art der Unterhaltung. Es gab ja noch kein Fernsehen, oft bekam man hier in den Bergen noch nicht mal einen Radioempfang. Die Menschen haben sich mit ihren Musikinstrumenten und Stimmen amüsiert."

    Roger Elton ist in den Bergen von Tennessee geboren, spielt Gitarre und besteht darauf, dass Bluegrass eine lebendige, moderne Musik ist. Verwandt mit Jazz und Country und geprägt durch die Musik der Sklaven von Tennessee.

    Für viele Menschen im östlichen Tennessee steht Dolly Parton wie ein Symbol für den industriellen Fortschritt und die Bewahrung der Kultur. Sie ist in den Bergen geboren, nennt die Musik der Mountain People, der Bergmenschen, ihr kulturelles Erbe. Gitarre spielt die Multimillionärin auch mit ihren gigantischen aufgeklebten Fingernägeln noch meisterlich. In ihrem Lied "Coat of many colors" besingt sie die Armut in ihrer 14-köpfigen Familie und ihren Stolz.

    Der amerikanische Traum "from rags to riches", zum Reichtum aufzusteigen aus Lumpen, diesen Traum hat Dolly Parton perfektioniert. Wie keine andere steht sie für die Mischung aus Künstlichkeit und Natur, die so typisch ist für die Gegend, meint John LaFevre.

    Der drahtige Naturbursche mit den vergnügten Augen und dem offenen Lachen hat überhaupt kein Problem damit, dass der beliebteste Nationalpark der USA Seit an Seit mit Pigeon Forge liegt, einer Stadt, die wie ein gigantischer Vergnügungspark am Fuß der Great Smoky Mountains vor sich hin glitzert und zu Weihnachten so erleuchtet ist, dass man ihn wahrscheinlich von einem Satellit aus sehen kann, wie John meint:

    "Auf dem Weg zur Achterbahn kommt man direkt an einem kleinen gurgelnden Flüsschen vorbei. Von da sind es nur fünf Meilen bis mitten in die Wildnis. Dolly Parton wird in die Gemeinschaft, in die Stadt, mit einbezogen, weil sie ein Teil der lokalen Geschichte ist. Sie berührt jeden einzelnen Punkt dieses Ortes. Sie führt all das zusammen, die Country Musik, die Geschichte, die Kultur und die Freizeitindustrie mit den Achterbahnen, und so weiter. Ich finde, das ist eine unglaubliche Mischung. Wir lieben das ganze Paket."

    So kitschig es auch klingt, aber diese kleine Frau ohne Alterserscheinungen berührt die Herzen der Menschen. Die, die von ihr bezahlt werden, dafür dass sie in ihrem kleinen Vergnügungsimperium unten in Pigeon Forge die Karten abreißen, schwärmen sowieso von ihr. Aber auch alle anderen, die nicht auf ihrer Lohnliste stehen, sind begeistert. Aber vielleicht stehen ja alle ein bisschen in ihrer Schuld, denn schließlich war sie es, die die Kleinstadt Pigeon Forge aus ihrem Dornröschenschlaf geholt hat.

    Dolly Partons Show namens Dixie Stampede ist ganz und gar nach dem Geschmack der Amerikaner. Dolly selbst erscheint auf einer Leinwand und schickt ihre Grüße per Videobotschaft.

    "This is Dolly. Welcome to my Dixie Stampede."

    Im Halbrund der Manege sitzen die Zuschauer an endlos langen schmalen Tischen in den Rängen. Im Minutentakt servieren strenge Kellnerinnen in Südstaatenuniformen Essen und Softdrinks in lustigen Plastikcowboystiefeln.

    Auftritt der Büffel, Staubwolken ziehen durchs Halbdunkel. Früher, so erzählen sich die Stammgäste, hat Dolly noch Panzer auffahren lassen. Ein bisschen Patriotismus gehört hier im Süden einfach dazu. Aber das war, bevor sich der Irakkrieg als militärisches Desaster entpuppte. Jetzt müssen scheunentorgroße Fahnen genügen, damit die Menge aufspringt und sich geschlossen ans Herz greift.

    Die Geschichte der Vereinigten Staaten in einer Stunde zehn Minuten - es wird viel getrampelt in der riesigen Halle, die Pferde ziehen die Planwagen in Höchstgeschwindigkeit durch die Manege. Ob Dolly wohl reiten kann?

    "Nein, sie sagt, dass sie nicht reitet, weil sonst ihre Perücke runterfallen könnte. Überhaupt meint sie, dass es eine Menge Geld kostet, so billig auszusehen."

    Neun Millionen Menschen besuchen die Smokies pro Jahr, dreimal so viel wie den Yellowstone Park, und 5000 allein schleust Dollys Show Dixie Stampede täglich durch Pigeon Forge. Und viele kommen nur wegen der Hauptattraktion des Ortes, nämlich Dollywood.

    "All aboard, welcome on board the Dollywood Express."

    Cinderella heißt die betagte Lokomotive, und sie dampft schon seit 69 Jahren. Nachdem die üblichen Vorsichtsmaßnahmen - "nicht rauslehnen, nicht mit den Füßen aufs grüne Brett, Kinder in die Mitte nehmen" - ausgetauscht sind, müssen alle "Howdy" rufen, und schon stampft Cinderella los.

    Fünf Meilen lang ist die Tour. Don, der Schaffner, spricht ein bisschen über Goldgräber und die Rolle der Eisenbahn bei der Besiedlung der USA - und ruckzuck sind wir bei Pearl Harbour und dem Zeiten Weltkrieg.
    Der Blick aus dem Zugfenster fällt auf Souvenirgeschäfte, getarnt als alte Holzschindelhütten. Sie erinnern an die Zeit der Besiedlung der USA. Gekocht wird in Dollywood an jeder Ecke in großen Pfannen unter freiem Himmel, und der Fußweg zwischen den Attraktionen ist von großen Bäumen beschattet - die Smokies eben.

    Hier und mit Dolly fing alles an in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als Ost-Tennessee noch ein strukturschwaches Gebiet war, erinnert sich Pete Owens, der im Park die Öffentlichkeitsarbeit für Dolly Parton macht:

    "Sicherlich war sie die Vorreiterin, als wir begannen, Pigeon Forge zu entwickeln. Pigeon Forge ist während der letzten 22 Jahre um Dollywood herum gewachsen, wurde immer größer und erfolgreicher."

    Dolly Parton, die als erste aus ihrer Familie einen High School Abschluss gemacht hat, hält mit den Rechten an über 3000 Songs einen der größten Titelkataloge, den je ein Künstler kreiert hat. Sie besitzt neben den Themenparks auch drei Plattenfirmen und beteiligt sich an Spielfilmproduktionen. Und sie unterhält in Dollywood ein Museum, in dem echte Fans das eine oder andere Tränchen verdrücken können.

    Die Dolly-Devotionalien-Tour hält alles bereit, was ihre Anhänger sehen wollen, vom Text des berühmten Songs "Coat of many colors", mit der Hand auf die Rückseite eines Reinigungszettels gekritzelt, bis zum golddurchwirkten Glitzerkleid in Größe 0 mit surrealer Taille. Es gibt sogar einen kleinen Automaten, der auf Knopfdruck ihre coolsten Sprüche abspult. Nach ihrer Rolle in der Frauenbewegung gefragt, sagt Dolly:

    "Ja, ich habe tatsächlich meinen BH verbrannt. Die Feuerwehr brauchte mehrere Tage, um ihn zu löschen. Und einige Teile brennen immer noch."

    Frau Parton, trifft es Sie nicht, dass alle Leute Blondinen für dumm halten?

    "Nein, ich weiß schließlich, dass ich nicht dumm bin. Und ich weiß auch, dass ich nicht blond bin."

    "Eine sehr, sehr intelligente Frau. Sehr talentiert, sie gehört zu den klügsten Menschen, die ich jemals getroffen habe. Dolly übertreibt es total, aber sie will das so. Sie ist eine sehr erfolgreiche und sehr schöne Frau","

    sagt Joe Sharp und stimmt sich schon mal ein. Es ist Bluegrass Festival in Dollywood, und Sharp und seine schwergewichtige Combo stehen in engen blauen Latzhosen in der Mitte des Parks, machen Musik, träumen von Dolly Parton und schwitzen.

    ""I’m Joe Sharp, and we are the Smoky Mountains String Band: Roger Elton on Guitar and Sunny Smith on the Banjo. Let’s do the Salty Dog."

    Übrigens, sagt Dolly Parton, es gebe nur einen Tag im Jahr, an dem sie sich frei bewegen könne. Das sei Halloween. Da würden alle denken, sie sei als Dolly Parton verkleidet.