Die betörend schöne, aber auch grausame Malerei des italienischen Barockkünstlers Caravaggio hat Zeit seines kurzen Lebens für Spekulationen und Mythen gesorgt und auch heute noch ist die Kunstwissenschaft sich in vielen Fragen uneins. Um 1600, als der 30-jährige Maler auf dem Höhepunkt seiner Karriere Aufträge für Altartafeln und von Sammlern in Rom erhielt, fragte man sich, ob die Lebensnähe seiner Figuren Resultat eines direkten Malens unmittelbar vor dem Modell sei. Angesichts seiner Aufsehen erregenden Lichtregie, die theatralisch ganz neue, plastische Qualitäten in Szene zu setzen weiß, spekulierten spätere Biografen über schwarzgetünchte Wände und schräg einfallendes Oberlicht im Atelier. Und sie mutmaßten, dass Spiegel und optische Instrumente zum Einsatz gekommen seien. Man glaubte, in seinen Madonnen stadtbekannte Prostituierte als Modelle wiederzuerkennen und munkelte, dass dem "Tod der Maria" eine aus dem Fluss gezogene Leiche Pate gestanden habe, eine junge Frau, mit der Caravaggio zu Lebzeiten ein Verhältnis gehabt haben soll.
Lange galt der streitsüchtige Maler, der die darstellerischen Konventionen seiner Zeit missachtete, als Genie und Einzelkämpfer - einer der aus sich heraus die Malerei seiner Zeit erneuerte, und der jedes Bild nur ein einziges Mal eigenhändig schuf. Inzwischen aber sind aus Privatsammlungen so stilechte Doppelgänger von bekannten Bildern aufgetaucht, dass die Forschung davon ausgeht, dass Caravaggio auch mehrere Fassungen eines Werkes schuf, um Sammler und Auftraggeber zu befriedigen. Dies ist eine Praxis, die in seiner Zeit durchaus nicht unüblich war. Der bei Hatje Cantz erschienene Katalog stellt die unterschiedlichen Positionen zu Zuschreibungsfragen zur Diskussion und gibt damit en passant eine veritable Einführung in die Arbeit des Kunstwissenschaftlers, der, wenn er nicht Historiker ist und minutiös den Weg eines Bildes über die Jahrhunderte von Sammler zu Sammler verfolgt, heute Kunsttechnologe ist. Im Falle von Caravaggio gibt es ein einziges lückenlos dokumentiertes Bild, den "Sieg des Amors" aus der Berliner Gemäldegalerie, das einen lachenden, sehr hübschen Knaben zeigt, der in selbstbewusster Körperlichkeit über Künste und Wissenschaft triumphiert.
Ansonsten trägt die Geschichte der Zuschreibungen Züge einer Spurensicherung, wie im Falle einer Kriminalgeschichte: man findet Beschreibung und Inventarisierung eines Bildes in einer Sammlung. Dann wird es verkauft und verschwindet für einige Zeit, taucht mit einer großen zeitlichen Lücke wieder an anderer Stelle auf. Möglicherweise aber ist das wiederaufgetauchte Bild eine Kopie, oder die Beschreibung lässt viele Fragen offen. Und ach: "Dokumente allein sind nicht immer allgemein gültige Belege. Auch die bloße Erwähnung eines Werkes von Caravaggio im Inventar einer Sammlung ist keineswegs eine Garantie für die Echtheit eines Gemäldes", heißt es in einem der Aufsätze.
Manchmal taucht ein Gemälde gleich zwei- oder dreimal auf, manchmal kennt man ein Werk auch nur als Kopie. Für einige Gemälde gibt es allerdings überhaupt kein verfügbares Archivmaterial, so dass andere Methoden zur Anwendung kommen müssen. Die technologischen Mittel, welche die Kunstwissenschaft heute bereit hält wie Infrarot- und Röntgenaufnahmen, ermöglichen es dem Fachmann, Stationen des Malprozesses nachzuvollziehen. Im Falle Caravaggios sind Einritzungen zu finden, welche die Position und die Volumina eines Körpers festlegen, aber auch korrigierende Übermalungen und Spuren von unterlegtem Bleiweiß. All das deutet verstärkt auf Echtheit hin, da die Kopisten kein Bleiweiß verwendeten - Caravaggio allerdings tat dies, wie sich später herausstellte, in seinen Frühwerken auch nicht. Auch sind Übermalungen und Einritzungen bei zeitgenössischen Kopisten wohl eher die Ausnahme, aber es sind doch Fälle bekannt, dass einzelne Caravaggio-Nachfolger auch hierin ihrem Meister nacheiferten. Man kann sich also täuschen:
Moderne Technologien liefern zwar eindeutige Befunde, eindeutige Schlüsse daraus ziehen kann man allerdings nicht. Zuschreibungsfragen sind die "Königsdisziplin der Caravaggio-Forschung", wie es in einem Beitrag heißt. Die Meinung der Forscher, deren aktuelle Bandbreite in den gut lesbaren Aufsätzen und der Einzeldokumentation zu den Werken minutiös dargelegt wird, divergiert in ihren Ansichten beträchtlich: Ging man lange Zeit von einem originalschöpferischen Genie aus, das im Handstreich die Kunst seiner Zeit revolutionierte, so mehren sich jetzt die Stimmen, die doch eher von einem traditionell arbeitenden, komponierenden und kalkulierenden Maler ausgehen. Caravaggio selbst, von dem man annimmt, dass er Kopien von fremder Hand auch autorisierte, war indes nicht zimperlich, wenn es darum ging, gegen Kollegen vorzugehen, die seinen Stil allzu sehr imitierten und für ihre eigenen Werke fruchtbar machten. Der Bildteil zeigt Originale, Zweitfassungen und Kopien - die ganze Welt der Doppelgänger, welche die Caravaggio-Forschung zu einer Kriminalgeschichte sondergleichen macht, noch ohne auf das wilde Leben des Malers zu sprechen zu kommen. Dessen an Delikten reichen Werdegang haben sich einige Krimischriftsteller angenommen, die Kriminalgeschichten zu Caravaggio geschrieben haben - ein ebenfalls bei Hatje Cantz erschienener opulenter Ausgleich zum eher nüchternen, aber sehr informativen Katalog.
"Caravaggio. Originale und Kopien im Spiegel der Forschung." Hrsg. v. Jürgen Harten und Jean-Hubert Martin.
"Maler, Mörder, Mythos. Geschichten zu Caravaggio." Hrsg. v. Jean-Hubert Martin, Bert Antonius Kaufmann.
Lange galt der streitsüchtige Maler, der die darstellerischen Konventionen seiner Zeit missachtete, als Genie und Einzelkämpfer - einer der aus sich heraus die Malerei seiner Zeit erneuerte, und der jedes Bild nur ein einziges Mal eigenhändig schuf. Inzwischen aber sind aus Privatsammlungen so stilechte Doppelgänger von bekannten Bildern aufgetaucht, dass die Forschung davon ausgeht, dass Caravaggio auch mehrere Fassungen eines Werkes schuf, um Sammler und Auftraggeber zu befriedigen. Dies ist eine Praxis, die in seiner Zeit durchaus nicht unüblich war. Der bei Hatje Cantz erschienene Katalog stellt die unterschiedlichen Positionen zu Zuschreibungsfragen zur Diskussion und gibt damit en passant eine veritable Einführung in die Arbeit des Kunstwissenschaftlers, der, wenn er nicht Historiker ist und minutiös den Weg eines Bildes über die Jahrhunderte von Sammler zu Sammler verfolgt, heute Kunsttechnologe ist. Im Falle von Caravaggio gibt es ein einziges lückenlos dokumentiertes Bild, den "Sieg des Amors" aus der Berliner Gemäldegalerie, das einen lachenden, sehr hübschen Knaben zeigt, der in selbstbewusster Körperlichkeit über Künste und Wissenschaft triumphiert.
Ansonsten trägt die Geschichte der Zuschreibungen Züge einer Spurensicherung, wie im Falle einer Kriminalgeschichte: man findet Beschreibung und Inventarisierung eines Bildes in einer Sammlung. Dann wird es verkauft und verschwindet für einige Zeit, taucht mit einer großen zeitlichen Lücke wieder an anderer Stelle auf. Möglicherweise aber ist das wiederaufgetauchte Bild eine Kopie, oder die Beschreibung lässt viele Fragen offen. Und ach: "Dokumente allein sind nicht immer allgemein gültige Belege. Auch die bloße Erwähnung eines Werkes von Caravaggio im Inventar einer Sammlung ist keineswegs eine Garantie für die Echtheit eines Gemäldes", heißt es in einem der Aufsätze.
Manchmal taucht ein Gemälde gleich zwei- oder dreimal auf, manchmal kennt man ein Werk auch nur als Kopie. Für einige Gemälde gibt es allerdings überhaupt kein verfügbares Archivmaterial, so dass andere Methoden zur Anwendung kommen müssen. Die technologischen Mittel, welche die Kunstwissenschaft heute bereit hält wie Infrarot- und Röntgenaufnahmen, ermöglichen es dem Fachmann, Stationen des Malprozesses nachzuvollziehen. Im Falle Caravaggios sind Einritzungen zu finden, welche die Position und die Volumina eines Körpers festlegen, aber auch korrigierende Übermalungen und Spuren von unterlegtem Bleiweiß. All das deutet verstärkt auf Echtheit hin, da die Kopisten kein Bleiweiß verwendeten - Caravaggio allerdings tat dies, wie sich später herausstellte, in seinen Frühwerken auch nicht. Auch sind Übermalungen und Einritzungen bei zeitgenössischen Kopisten wohl eher die Ausnahme, aber es sind doch Fälle bekannt, dass einzelne Caravaggio-Nachfolger auch hierin ihrem Meister nacheiferten. Man kann sich also täuschen:
Moderne Technologien liefern zwar eindeutige Befunde, eindeutige Schlüsse daraus ziehen kann man allerdings nicht. Zuschreibungsfragen sind die "Königsdisziplin der Caravaggio-Forschung", wie es in einem Beitrag heißt. Die Meinung der Forscher, deren aktuelle Bandbreite in den gut lesbaren Aufsätzen und der Einzeldokumentation zu den Werken minutiös dargelegt wird, divergiert in ihren Ansichten beträchtlich: Ging man lange Zeit von einem originalschöpferischen Genie aus, das im Handstreich die Kunst seiner Zeit revolutionierte, so mehren sich jetzt die Stimmen, die doch eher von einem traditionell arbeitenden, komponierenden und kalkulierenden Maler ausgehen. Caravaggio selbst, von dem man annimmt, dass er Kopien von fremder Hand auch autorisierte, war indes nicht zimperlich, wenn es darum ging, gegen Kollegen vorzugehen, die seinen Stil allzu sehr imitierten und für ihre eigenen Werke fruchtbar machten. Der Bildteil zeigt Originale, Zweitfassungen und Kopien - die ganze Welt der Doppelgänger, welche die Caravaggio-Forschung zu einer Kriminalgeschichte sondergleichen macht, noch ohne auf das wilde Leben des Malers zu sprechen zu kommen. Dessen an Delikten reichen Werdegang haben sich einige Krimischriftsteller angenommen, die Kriminalgeschichten zu Caravaggio geschrieben haben - ein ebenfalls bei Hatje Cantz erschienener opulenter Ausgleich zum eher nüchternen, aber sehr informativen Katalog.
"Caravaggio. Originale und Kopien im Spiegel der Forschung." Hrsg. v. Jürgen Harten und Jean-Hubert Martin.
"Maler, Mörder, Mythos. Geschichten zu Caravaggio." Hrsg. v. Jean-Hubert Martin, Bert Antonius Kaufmann.