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Weniger reinstressen

Die Eintrittskarte für die Berufswelt lösen, die eigene Persönlichkeit bilden und Spaß haben, das sind gleich drei Dinge auf einmal, und das Studium gilt als Überraschungsei, in dem all das drin sein sollte. Doch im Studium selbst bleibt vieles auf der Strecke, wahlweise Spaß oder Studienerfolg. Verzetteln, sich übernehmen, abtauchen, das sind altbewährte Reaktionen. Abhilfe verspricht der Study Survial Guide eines ehemaligen Studenten der Universität Witten-Herdecke, Martin Krengel, der jetzt gerade in London promoviert.

Moderation: Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Herr Krengel, Survival Guide, das hört sich an, als würde einen das Studentenleben in Grenzsituationen führen. In welche denn?

    Martin Krengel: Grenzsituationen bestehen einerseits, wenn man ins Studium hineinkommt und erstmal komplett orientierungslos ist. Man ist in einer anderen Stadt, ist plötzlich Heimwerker, ist Koch. Man muss seine Wohnung einrichten, man muss die Versicherung und alles so einen Kram klären, und man soll eigentlich auch studieren. Dann kommt man in dieses riesige Gebäude, oder auch selbst in ein kleines Gebäude, ich war an einer kleinen Universität, aber selbst da weiß man nicht, wo sind die Raumnummern, das ist alles kompliziert, und man ist da halt echt irgendwie wie im Dschungel, und es kommen immer wieder neue Fallstricke oder neue Hindernisse in den Weg, die man erstmal überwinden muss als Studieneinsteiger.

    Später führt das Studium dann weiter in andere Extremsituationen, lange Prüfungsmarathons, verzweifelte Versuch aus dem Statistikskript irgendwas Brauchbares herauszulesen und so weiter und so weiter, und man fühlt sich auf dieser Reise oft alleingelassen, und ich will halt aber auch, dass es eine Abenteuerreise ist, dass es jetzt nicht nur um das pure, nackte Überleben geht, sondern auch um den Spaß, denn es gibt Leute, die machen Abenteuerreisen, was ein bisschen so neuzeitliches Survival ist, um Spaß in dem Studium zu haben, bewusst Abenteuer einzugehen, sich bewusst auszuprobieren, um auch mal den Pfad zu verlassen, um neue Gegenden zu finden. Das ist so ein bisschen die Kernbotschaft des Buches.

    Pfister: Ihr Buch wirkt wie eine Mischung aus verschiedenen Strategien, auch aus verschiedenen Beratungsbüchern, Sie haben das auch gerade schon erwähnt. Auf mich wirkt es so, als sei es erstens ein normaler Studienführer, als Zweites kommt ganz stark bei Ihnen raus die Persönlichkeitsanalyse, was will ich und wie komme ich dort hin, und drittens ist ganz großgeschrieben das Zeitmanagement. Ordne ich das richtig ein?

    Krengel: Um ehrlich zu sein, also mein Projekt war ein Buch zu schreiben, Zeitmanagement für Studenten, weil ich das in meinem Studium vermisst habe und ich habe kein Buch gefunden, was mich dort abholt, und während man sich dann beschäftigt mit dem Thema, taucht man immer tiefer und tiefer ein und merkt eigentlich, Zeitmanagement ist in dem Sinne… - ich meine, Zeit kann man nicht managen, man kann sich nur selbst managen, und damit wird das Feld aber weiter, wenn ich halt auf mich selber eingehe, und es ist tatsächlich eine Mischung und ich habe auch ziemlich breit Konzepte reingemacht, die alle aufeinander bezogen sind und Sinn machen.

    Aber eine der wichtigen Thesen in diesem Buch ist, dass das eine Art Werkzeugkoffer ist oder eine Toolbox, es sind sehr, sehr verschiedene Mittel drin, die mir sehr viel geholfen haben und auch anderen Studenten, mit denen ich gesprochen habe, und aus dieser Toolbox kann man sich bedienen, man muss das aber immer auf seine eigene persönliche Situation anwenden. Also es ist sowohl eine Mischung, das ist beabsichtigt, es ist auch ein Studienführer, das ist also als Begleiter gedacht, den man mal immer wieder zu Hand nehmen kann.

    Pfister: Sie versprechen in dem Buch Tricks, die man auch direkt einüben kann, und so ist das Buch auch angelegt. Welche denn zum Beispiel?

    Krengel: Eine Übung, die mir sehr viel gebracht hat, die ich mir mehr oder weniger selber ausgedacht habe, ist, einen eigenen Lebenslauf zu schreiben: Wo möchte ich stehen am Ende meines Vordiploms, wo möchte ich im Jahre 2010 stehen am Ende meines Studiums, welche Fremdsprachen möchte ich gelernt haben, welche Praktika in welchen Bereichen möchte ich gemacht haben, und wenn das einmal dort steht, dann bekommt es plötzlich eine Sogwirkung, ich sehe Schwarz auf Weiß, was meine Ziele sind, und fange an darüber nachzudenken und denke, ist es realistisch, ist es das nicht. Ich filtere Informationen ganz anders und komme so meinen Zielen schon ein bisschen näher.

    Zum anderen ist ja unser Gegenspieler, den wir haben, unser innerer Schweinhund, und den zu überlisten, das ist schwierig. Also ich bin hier nach London gekommen und stand wieder plötzlich am Studienanfang, ein anderes Studienfach, eine andere Sprache, eine ganz andere Organisation, und ich habe wieder viele Sachen falsch gemacht am Anfang und habe dann das Buch zu Hand genommen und habe mich an diese Tools teilweise gehalten, was mir viel gebracht hat, zum Beispiel dass man sich am Abend überlegt, auf den Tag zurückblickt und guckt, wo habe ich Zeit verschwendet oder was war wirklich unnütz, dass man so eine kleine Analyse macht, aha, von der und der Uhrzeit war ich sehr unproduktiv, woran lag das.

    Pfister: Wenn Sie Ihr Buch schon vor fünf Jahren geschrieben hätten und dann auch schon darüber nachgedacht hätten, was hätten Sie denn anders gemacht in Ihrem Studium?

    Krengel: Ich weiß auch nicht, also ich glaube, nichts. Man muss seine Grenzen testen, man muss seine Grenzen überschreiten, um zu sehen, wo sie sind. Also ich sehe das Studium eigentlich als die Chance das auch zu machen im geschützten Rahmen, den man auch im Studium hat. Ich hätte mich gern weniger reingestresst, sage ich mal. Ich habe das Studium sehr, sehr ernst genommen, aber wollte auf das andere nicht verzichten. Deswegen bin ich halt, sage ich mal, auf beiden Spuren sehr intensiv gefahren. Ich hätte mehr mit Freunden zusammen studiert, ich habe mit Freunden natürlich zusammen studiert, aber halt noch intensiver in Lerngruppen gearbeitet von Anfang an.

    Zum Anfang ist man ja immer so, das sehe ich jetzt halt auch bei meinen Kommilitonen hier in London, man hat immer Angst so seine Gedanken zu teilen, ja, wenn du jetzt mein Essay siehst, dann klaust du mir die Gedanken und so, und das braucht eine ganze Weile, bis man das respektiert, dass es eine Bereicherung ist, wenn ich mein Essay vor dem Abgeben mit meinem Kommilitonen bespreche, der ein ähnliches Essay schreibt, aber man kann dich selbst kritisieren, man ist im Fachgebiet drin und kann sozusagen eine Version 2.0 abgeben, die einmal auch von jemand anders durchdacht ist, ohne dass es halt abgeschrieben wird. Die Studenten hier haben halt sehr viel Angst, und jetzt stand ich plötzlich wieder da und musste mein Essay alleine schreiben.