Sonntag, 12. Mai 2024

Archiv


Wenn auf dem Truppenübungsplatz Schafe weiden

Die Bundeswehr schließt Standorte und viele Gemeinden haben Angst, ihre Wirtschaftskraft zu verlieren. Im württembergischen Münsingen hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz weiden heute Schafe und die Stadt ist ein Touristenmagnet.

Von Michael Brandt | 28.10.2011
    Am Rande des ehemaligen Truppenübungsplatzes in Münsingen auf der Ostalb spielen noch immer sie die Hauptrolle:

    20 000 Schafe sind das feste Inventar des 6700 Hektar großen Areals, auf dem über 100 Jahre nur Soldaten unterwegs waren, und eben Schafe:

    "Mir Schäfer haben den Auftrag, die Kulturlandschaft hier ist von de Schäfer und Schafen geprägt und genauso der Truppenübungsplatz, der ist davon geprägt, dass die Schafe die Landschaft frei gehalten haben, nur so konnte sich die einmalige Kulturlandschaft entwickeln."

    Sagt Gerhard Hotz, seit vier Generationen Schäfer in Münsingen. Heute kann jeder die einmalige Landschaft erwandern, auch wenn er sich wegen des Naturschutzes und wegen möglicher Munitionsreste an die Wege halten muss. Und der ehemalige Truppenübungsplatz ist der Kern für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb, das nach dem Weggang der Bundeswehr im Jahr 2005 entstanden ist, so Petra Bernert, die Leiterin der Geschäftsstelle:

    "Das ist das Herz des Biosphärengebiets bis heute. Dieser Weggang des Militärs war der Auslöser, warum das Biosphärengebiet überhaupt entstehen könnte. Ich kann ihnen nicht sagen, wo wir heute wären, wenn das nicht passiert wäre."

    Der Weggang der Bundeswehr war aber nur ein Grund, warum innerhalb von nur drei Jahren das Biosphärengebiet ausgewiesen werden konnte. Zweitens setzte sich der damals neue Ministerpräsident Günther Oettinger massiv dafür ein und erklärte es zum Leuchtturmprojekt seiner Regierung, und drittens zogen die 3 Gemeinden um den Übungsplatz mit. Besonders stark zog der Münsinger Bürgermeister Mike Münzing:

    "Uns war klar, dass ein Militärstandort wie Münsingen sich neu definieren muss, und zwar der gesamte Standort."

    Und tatsächlich führte der Abzug der Bundeswehr dann nicht zum Ausbluten der Region, sondern das neue Ziel Biosphärengebiet brachte sie zum Blühen. Und zwar umfassend. Der Tourismus entwickelte sich dank der einmaligen Landschaft prächtig, die heimischen Unternehmen prosperierten, nicht zuletzt, weil die Idee des nachhaltigen Wirtschaftens neue Impulse brachte. Neue Betriebe kamen hinzu und ein kleiner Teil des ehemaligen Truppenübungsplatzes wurde preiswertes Bauland. Das Ergebnis 6 Jahre nach dem Abzug:

    "Wir haben Einwohnerzuwächse in den vergangenen Jahren, wir haben seit über drei Jahren die niedrigste Arbeitslosenquote mit im gesamten Bundesgebiet, die Wirtschaftskraft ist gestiegen, obwohl die Bundeswehr etwa 70 Millionen Wirtschaftskraft gebracht hatte."

    Der Münsinger Landtagsabgeordnete Andreas Glück bestätigt das. Wesentlicher Erfolgsfaktor für ihn: Alle machen mit:

    "Wir haben auf ganz breitem Konsens dieses Biosphärengebiet angestrebt. Es ist mittlerweile so, dass die meisten, die dort wohnen, sich ein bisschen als Biosphäre fühlen, man sich sehr stark damit identifiziert."

    Davon profitiert natürlich auch Schäfer Hotz. Seinen Schafen ist es zwar egal, ob sie zwischen Panzern oder zwischen Wanderern weiden, aber seine Produkte sind gefragter denn je:

    "Es ist in Biosphäre wunderbar, dass mehr Tourismus kommt und so auch die regionalen Produkte in der Gastronomie und in Metzgereien mehr Nachfrage erfahren. Das kann ich selber bestätigen."