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Wenn die Natur aus dem Ruder läuft

Die Inseln vor der Westküste von Schottland haben wegen des Golfstroms sehr milde Winter. Für Schottische Adlige ergab sich in Kolonialzeiten daraus ein schönes Hobby: sie bepflanzten ihre Schlossgärten mit Importen aus Afrika und Asien, besonders beliebt war und ist der herrlich blühende Rhododendron. Auf der Insel Arran westlich von Glasgow bedrohen die Rhododendron-Pflanzen aber jetzt das ökologische Gleichgewicht und Naturschützer rücken ihm mit schwerem Gerät und Chemie zu Leibe.

von: Michael Schlag |
    Brodick Castle, der ehemalige Sitz der Herzöge von Hamilton auf der Insel Arran vor der Westküste von Schottland. Ein mächtiger, roter Sandsteinbau hoch über der Küste mit Blick auf den Schlosspark und das Meer. Der warme Golfstrom sorgt für mildes Klima, in dem es trotz der nördlichen Breite kaum einmal dauerhaft friert. Und so bietet der Park von Brodick eine südlich anmutende Pflanzen- und Blütenvielfalt. Die Entstehungsgeschichte des Gartens erzählt Eileen McAllister, Chef-Fremdenführerin in Brodick-Castle:

    Die Herzogin von Montrose - sie war die Tochter des 12. Herzogs von Hamilton - stattete botanische Expeditionen nach Nepal aus und von dort brachte man Pflanzensamen hierher. Daher haben wir heute die sehr berühmten Rhododendron-Gärten, die in dieser Zeit entstanden. Wir haben auch Pflanzensammlungen von anderen Inseln, mit Rhododendron, Kamelien, Magnolien und vielen anderen Blumen.

    Umgeben ist Brodick Garden von einem Landschaftspark mit Waldgebieten, Wanderwegen, Bächen und immer wieder Blütenmeeren von rosa-violettem Rhododendron, vor allem im Frühjahr. Doch was die Touristen in Entzücken versetzt, bereitet dem Ranger Service der Denkmal- und Naturschutzorganisation "National Trust for Scotland" große Sorgen. Denn diese Rhododendron-Art hat sich unkontrolliert vom Schlosspark aus in der Gegend verbreitet. Kate Simpson vom National Trust:

    Wir haben ganz sicher ein Problem mit Rhododendron Ponticum, der sich in den Waldgebieten breit macht. Er produziert sehr viele Samen und findet hier auf Arran ein phantastisches Klima für sein Wachstum. Wenn der Rhododendron dann heranwächst setzen seine Wurzeln ein Gift in den Boden, das alle anderen Pflanzen in seiner Nähe am Wachstum hindert. Und weil der Rhododendron so gut gedeiht verdrängt er schließlich die natürliche Pflanzenwelt. So entsteht ein Riesengebiet von Rhododendron Ponticum und mit der Zeit verlieren Sie die natürliche Waldflora und schließlich verlieren Sie den gesamten Wald. Denn die Baumsamen bekommen keine Chance mehr, zu neuen Bäumen heranzuwachsen.

    Der herrlich blühende Rhododendron-Wald, der bis zu 10 Meter hoch wächst, hat ökologisch kaum einen Wert. Im Gegenteil, er vergiftet den Boden mit einer Blausäure-Verbindung und seine Blätter sind ebenfalls giftig. Vor allem aber bedroht Rhododendron ponticum die Artenvielfalt der Insel. Und so ist das Blütenmeer für Kate Simpson nichts als ein "Rhodie-Desert" - eine Rhododendron-Wüste, dem Freiwillige jetzt mit schweren Häckslern und sogar Giftspritzen zu Leibe rücken.

    Wir haben ein Programm, bei dem wir die Gegend vollkommen frei schneiden von Rhododendron. Anschliessend lassen wir ihn ein Jahr wieder heranwachsen und besprühen die Pflanzen dann mit einem Herbizid um sie endgültig abzutöten. Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte, denn es kommen immer wieder Samen aus anderen Gegenden dazu. Also gehen wir wieder hin und ziehen alle Sämlinge heraus, die immer noch durchkommen.

    Besonders schön sieht das nicht aus. Der Rhodie-Kahlschlag auf insgesamt 100 Hektar erinnert weniger an Naturschutz als an umstrittene Methoden der Forstwirtschaft. Die Touristen sind entsetzt, aber in den neuen Schonungen finden sich bald wieder Birken, Stechginster, Lärchen, Kastanien und die natürliche Waldgesellschaft, die es hier gab, bevor der Rhododendron kam.