Archiv


Wenn kluge Frauen davonlaufen

Not am Mann - so lautet der Titel einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, die in den letzten Wochen viel Aufmerksamkeit erregt hat. Danach herrscht in den neuen Bundesländern der größte Frauenmangel Europas. Es wandern sehr viel mehr junge Frauen als junge Männer in den Süden und Westen Deutschlands, um dort zu studieren oder zu arbeiten.

Von Claudia van Laak |
    30 Prozent aller Schülerinnen in Ostdeutschland machen das Abitur, aber nur 20 Prozent der Schüler. Die besseren Schul- und Bildungsabschlüsse machen es Mädchen und jungen Frauen leichter, woanders einen Arbeitsplatz zu finden. So auch Britta Öknig aus dem brandenburgischen Herzberg. Die 23-Jährige ist nach dem Abitur nach Baden-Württemberg gegangen, hat eine Ausbildung als Krankenschwester begonnen. Ein Drittel ihrer Klasse stammt aus Ostdeutschland.

    "Ich würde gerne wieder zurückkommen, aber ich wurde jetzt übernommen. Und da werde ich erst mal da bleiben, ich weiß es ja nicht, die Chancen hier sind schlechter, übernommen zu werden als da. Das ist eben das Problem. "

    Ihre Schwester hat es genauso gemacht, auch sie ist nach dem Abitur nach Baden-Württemberg gezogen. Beide haben sich eingewöhnt, Freundeskreise aufgebaut. Ob sie noch einmal in ihre Heimatstadt Herzberg zurückkehren werden, das steht in den Sternen.

    "Ich mache das auch nicht vom Geld abhängig, ich mache das eher von der Arbeit abhängig, ob ich Arbeit habe oder nicht. Was soll ich hier machen, wenn ich arbeitslos bin, da gehe ich doch lieber arbeiten. "

    Bei ihren Besuchen in Herzberg stellt Britta Öknig fest, dass es in ihrer Heimatstadt nicht vorangeht. Im letzten Jahr schloss der Armaturenhersteller Grohe sein Werk, der größte Arbeitgeber in der Stadt. Die Verkehrsanbindungen sind schlecht, neue Investoren nicht in Sicht. Die Abwanderung junger Frauen hat dazu geführt, dass im Elbe-Elster-Kreis mittlerweile zehn junge Männer auf acht Frauen kommen.

    "Damit geht ja was verloren in der Region, und wenn nix mehr nachwächst, oder wenn das, was nachwächst, weg geht, was bleibt dann, das ist ja das Problem. "

    Britta Öknigs Vater ist Bürgermeister in Herzberg. Michael Öknig hat durch seine beiden Töchter gelernt, was seine Stadt besonders nötig braucht: qualifizierte Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Frauen.

    "Die Frauen, die dürfen wir nicht vergessen, ganz wichtig. Sonst erleben wir in 20, 30 Jahren ein Desaster. Dann gibt es ja nicht nur, weil es ein Trend ist, weniger Geburten. Sondern es gibt weniger Geburten, weil die Frauen schlicht und einfach nicht mehr da sind. "

    Neben dem Herzberger Rathaus, vor dem frisch sanierten Melanchthon-Gymnasium, stehen einige Schülerinnen. Sie sind aufgeregt, haben gerade ihre Abiturnoten bekommen - noch ein paar Wochen, dann werden sie ihre Heimatstadt verlassen:

    "Ich werde erst mal studieren, und wenn ich dann keine Anstellung kriege, werde ich in den Westen gehen, ja."

    "Also ich werde auch weggehen, ja, denn hier wird ja nix. Wir haben ja quasi keine andere Möglichkeit, ich will auch nicht von einem Mann abhängig sein, und wir haben im Ausland oder im Westen andere Chancen, das ist ganz einfach so. "

    Mehr Brandenburger Mädchen als Jungen machen das Abitur, doch an der Universität kehrt sich das Verhältnis um - es studieren mehr Männer als Frauen. Und viele von ihnen verlassen zum Studium das Land. Die Landesregierung hat das Problem erkannt. Wir wollen unsere Hochschulen familienfreundlicher machen, sagt Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, das macht sie attraktiver für junge Frauen.

    "Wir sind sehr gut in dem Bereich, aber wir wollen da den ersten Platz haben in der Bundesrepublik. Wir möchten gerne das Bundesland sein, wo das Hochschul- und Wissenschaftssystem, also auch die außeruniversitäten Einrichtungen, am familienfreundlichsten sind. "

    Aus dem Brandenburger Wissenschaftsministerium heißt es: Eine Frauenhochschule ist nicht die Lösung des Problems.

    Die Abwanderungsstudie im Internet