Archiv


Wer guckt denn da?

Technologie.- Um Menschenaffen vor dem Aussterben zu schützen, müssen Forscher wissen, wie groß eine Population ist. Doch das herauszufinden, ist mühsam und zeitaufwendig. Wildhüter müssen oft stundenlang Videoaufnahmen von Kamerafallen auswerten. Eine neue Software soll dabei jetzt helfen: Sie erkennt einzelne Affengesichter.

Von Anna-Lena Dohrmann |
    Die Schimpansen im Leipziger Zoo toben gerade: In der Mitte steht ein großes Klettergerüst und direkt davor eine Futterbox, aus der sich die Affen das Futter mithilfe eines Stockes angeln müssen. In dieser Box ist auch eine Kamera versteckt. Hjalmar Kühl arbeitet am Leipziger Max-Planck-Institut in der Abteilung für Primatologie. Zusammen mit zwei Fraunhofer-Instituten entwickelt er ein Computerprogramm zur Gesichtserkennung von Menschenaffen. Hier im Zoo wird diese Software ausprobiert:

    "Der Zweck dieser Aufnahmen war vor allem die Software zu trainieren. Das heißt, dass wir hochaufgelöste Bilder bekommen. Und ein erster Schritt ist, diese Bilder dann auszuschneiden, also dass man einen relativ großen Kopf auf dem Bild hat, und dann Marker zu setzen. Das heißt, es werden Marker-Punkte auf den Augen zum Beispiel gesetzt, auf der Nase und auf dem Mund. Und damit ist so ein Bild sozusagen fixiert und die Software kann dann dieses Bild recht gut erkennen."

    Denn das Programm muss erst lernen, was ein Affengesicht ausmacht. Dafür braucht es eindeutige, gut belichtete Bilder. Solche Aufnahmen sind im Zoo natürlich leichter zu bekommen als im dichten Regenwald. Momentan kann die Software zwei Dinge. Erstens: Videosequenzen herausfiltern, auf denen Affengesichter zu erkennen sind. Und zweitens: Diese Gesichter der richtigen Art zuordnen.

    Kühl:

    "Wir haben jetzt mit Schimpansen und Gorillas angefangen, um die beiden Arten zu unterscheiden. Und der nächste Schritt wäre, das Ganze auch auf Individuenebene zu machen. Das heißt, dass wir dann auch sagen können: Das ist Individuum A, und das ist Individuum B."

    Genau das ist eigentlich der Kern dieses Projektes. Denn um die bedrohten Menschenaffen besser schützen zu können, müssen die Forscher die einzelnen Affen auseinanderhalten. Nur so können sie zum einen die Größe einer Population schätzen und zum anderen das soziale Verhalten der Tiere erforschen.

    Bisher ist das eine mühsame Puzzlearbeit. Denn die Affen sind sehr scheu, so Kühl:

    "Gerade in den Regenwäldern, in denen Menschenaffen vorkommen, ist es nicht so, dass man in so einen Wald gehen kann und dann sehr leicht die Menschenaffen sieht. Normalerweise wird man nichts sehen, man wird Spuren der Menschenaffen finden. Und es kann Wochen und Monate dauern, bis solche Daten gesammelt werden."

    Deshalb stellen Forscher mittlerweile mehrere Dutzend Kamerafallen auf. Diese Kameras nehmen automatisch auf, sobald sich vor ihnen ein Tier bewegt. Doch das ist nicht immer ein Schimpanse oder Gorilla. Es kann genauso gut ein Leopard oder eine Antilope sein. Außerdem sind die Tiere oft nur von der Seite oder von hinten zu sehen. Diese Flut an Videomaterial vorzusortieren, soll jetzt die neue Software übernehmen – und den Forschern damit diese zeitraubende und ermüdende Arbeit abnehmen.

    Kühl:

    "Die Information, die wir aus dieser Software bekommen, ist, um welche Art es sich handelt, wie viele Individuen detektiert wurden und auch: zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Datum. Und letztendlich, wenn man die GPS-Koordinaten noch der Kamera hat, hat man das natürlich als zusätzliche Information und kann das dann alles in einer Karte darstellen."

    Dass die Software wirklich funktioniert, beweist Kühl mit seinem Laptop. Er öffnet das Gesichtserkennungsprogramm und hält eine Fotocollage vor die im Laptop integrierte Kamera. Das Foto zeigt einen Schimpansen, einen Gorilla und einen Bonobo, einen Zwergschimpansen.

    "Was die Software hier richtig erkennt, ist: Der Gorilla, wir bekommen hier den Gorillanamen. Schimpanse, wir bekommen den Schimpansennamen. Und es ist auch noch ein Bonobo abgebildet. Aber hier wird auch richtigerweise die Art nicht erkannt."

    Den Schimpansen- und Gorillakopf markiert das Programm mit einem weißen Rahmen – darüber steht die jeweilige Art. Bei dem Bonobo passiert nichts.

    Im Leipziger Zoo erreichen die Forscher eine Trefferquote von 83 Prozent. Im nächsten Schritt muss sich die Software im Freiland unter schlechten Lichtverhältnissen bewähren. Langfristig soll sie weitere Arten erkennen. Und sie soll auch lernen, bestimmte Bewegungen zu bestimmen – also beispielsweise, ob ein Tier gerade frisst oder kämpft.