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Wer hat das Bestimmungsrecht über öffentliche Sammlungen?

Die Sammlung herausragender deutscher Nachkriegskunst des Bauunternehmers Hans Grothe wird verkauft. Die 700 Werke umfassende Sammlung, deren Wert auf auf 50 Millionen Euro geschätzt wird, geht an das Ehepaar Ströher aus Darmstadt, Erben des Unternehmens "Wella" für Kosmetik und Haarpflegeprodukte. Bislang sind die Werke in der Duisburger Küppersmühle und im Bonner Kunstmuseum betreut worden. Dessen Direktor Dieter Ronte hofft jetzt auf eine harmonische Zusammenarbeit mit den neuen Eigentümern der Grothe-Sammlung.

Moderation: Michael Köhler |
    Michael Köhler: Müssen Sie nach dem Verkauf jetzt Ihr Museum leer räumen?

    Dieter Ronte: Nein, mit Sicherheit nicht. Wir arbeiten mit anderen Sammlern zusammen., zum Beispiel Ströher seit 15 Jahren. Wir haben ja auch eine eigene Sammlung und ich gehe auch nicht davon aus, dass die Sammlung uns verlässt, denn es sind Stücke darin, die einfach zur Geschichte des Hauses gehören. Das sind unsere Ikonen sozusagen. Polkes entartete Kunst oder Richters 'Familienbild', der Graubner-Raum und so, die hätten wir schon gerne weiterhin in Bonn. Und ich glaube auch, dass das klappt.

    Köhler: Die Leihverträge, so heißt es, sollen fortgeführt werden. Aber größerer Einfluss wird doch geltend gemacht.

    Ronte: Nein, in dem Moment, wo Hans Grothe verkauft, wird auch der Vertrag mit ihm desolat, hebt sich auf. Und wir sind in einem sehr ergebnisorientierten, positiven Gespräch mit den neuen Eigentümern. Und das wird jetzt in den Einzelheiten festgelegt und dann wird das glaube ich eine sehr, sehr harmonische Zusammenarbeit.

    Köhler: Was heißt das aber, Sie sagen es so vage. Wollen die die Beziehung zu Ihrem Haus fortsetzen oder nicht?

    Ronte: Sie wollen die Beziehung zu unserem Haus fortsetzen und natürlich auch zur Küppersmühle, denn sie haben ja auch als engagierte Sammler ein großes Interesse daran, dass die Sammlung in Teilen irgendwo zu sehen ist. Genauso haben sie Interesse daran, dass man dann ihre Sammlung, wie die eigene Sammlung betreut, präsentiert, ausstellt und erforscht und so weiter.

    Köhler: Ihr Spielraum ist aber doch, wenn man sich Ihren neuen Vertrag anguckt, wesentlich eingeschränkter.

    Ronte: Das ist ein interner Vertragsvorschlag des Ehepaars Ströher, aber der ist nicht Teil unserer Verhandlung.

    Köhler: Das heißt, der ist verworfen worden, so wie er jetzt entworfen worden ist.

    Ronte: Das ist ja nur ein erstes Angebot gewesen.

    Köhler: Das Grundproblem aber bleibt. Sie als öffentliches Museum zahlen Versicherungen, Lagerungen, Restaurierung und Katalogisierung von privaten Sammlungen, die steigern ihren Wert und unter Umständen wandern die dann ab.

    Ronte: Auch über diese Punkte reden wir gerade mit dem Ehepaar Ströher, ob wir da eine Bestandssicherung haben können. Wir müssen sehen, wie das ausgeht. Nun ist es ein Irrtum zu glauben, das meinen viele Politiker heute, dass die Museen früher immer nur von der öffentlichen Hand bestückt worden sind. Es gibt überhaupt kein einziges Museum in Deutschland, das nicht auch diese Kontakte auch zu privaten Sammlern hat. Das war immer so, in der ganzen Geschichte der deutschen Museen, weil die öffentliche Hand nie sozusagen genügend Geld ausgegeben hat, um diese Museen im Bereich der Sammlung sinnvoll zu führen.

    Köhler: Aber ist es nicht trotzdem langsam Zeit, vielleicht den Namen Museum für eine öffentliche Sammlung, die dem Gemeinwohl gewidmet ist, zu ändern und zu sagen: Sammlermuseum? Sind Sie noch Herr im Haus?

    Ronte: Ja, selbstverständlich. Es kann ja nur im Interesse der Sammler sein, dass wir das Haus so führen, wie man eben ein öffentliches Haus mit eigenen Sammlungen und anderen Leihgebern und dann auch diesen Leihgebern führt.

    Köhler: Herr Ronte, wie viele Werke aus der Sammlung Grothe - künftig Ströher - zeigen Sie und wie viele verwahren Sie?

    Ronte: Ich habe das nie genau gezählt, weil wir das immer nach Bedarf machen, manchmal sind Bilder auf Reisen, sind als Leihgabe im Ausland oder in anderen Ausstellungen. Ich schätze, dass wir so 20, 25 zurzeit zeigen und dass wir 110, 120 Arbeiten hier haben.

    Köhler: Nicht mehr?

    Ronte: Nein, der große Teil ist ja in Duisburg. Wir könnten das gar nicht lagern, wir haben die Räume gar nicht dafür.

    Köhler: Wir hoch schätzen Sie den Wert ein?

    Ronte: Das ist schwer zu sagen, weil das ja Marktpreise sind, die von außen herangetragen werden.

    Köhler: Da sind Kiefers dabei, da sind Richters dabei, da sind Polkes dabei.

    Ronte: Sie wissen, Sie können für einen Kiefer, für einen Richter plötzlich unheimlich viel erzielen und auf der nächsten Auktion bringt er wieder die Hälfte oder ein Drittel. Das ist eine sehr irrationale Bewertung.

    Köhler: Wenn ich ein ganz fieser Kulturpolitiker wäre und sagen würde, Sie werden zunehmend eine Marionette privater Sammler, was würden Sie entgegnen?

    Ronte: Dann würde ich dem Kulturpolitiker sagen müssen: Solange die öffentliche Hand nicht ausführlich dafür sorgt, dass das Museum eine eigene Sammlung zielvoll aufbauen kann, weil zum Beispiel die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, wird das Museum wie bisher und wie auch alle anderen Museen mit privaten Leihgebern weiterarbeiten müssen. Es wäre auch eine Katastrophe für den Kunstbetrieb, wenn dieses System nicht mehr funktionieren würde.

    Köhler: Werden Sie sich auch dem Passus entgegen stellen oder dagegen wehren, dass Sie im jährlichen Rhythmus den Leihgebern, also den neuen Inhabern oder Besitzern, einen Ausstellungsplan vorlegen müssen?

    Ronte: Dieses Haus wird seine Politik selbst bestimmen. Auch in der Zukunft.