Damit gerät die bislang wichtigste Stütze des deutschen Wirtschaftswachstums ins Wanken: der Export!
"Beschissen! Was sollst du dazu noch sagen? Die müssten mal oben am Wasserkopf aufräumen. - Natürlich ist das konsequent schlecht. Es werden keine Autos mehr verkauft. Die Leute haben kein Geld mehr."
Schichtende im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Opel in Kaiserslautern haben soeben die 2400 Mitarbeiter des Werks erfahren, dass die Hälfte von ihnen bis Ende des Monats abwechselnd zuhause bleiben muss.
Der amerikanische Mutterkonzern General Motors hat beschlossen, dass in seinen europäischen Fabriken die Bänder bis Ende Oktober stillstehen. Und wenn Opel, die schwedische Schwestermarke SAAB und die britische Tochter Vauxhall keine Autos mehr bauen, werden auch die Teile aus dem Komponentenwerk Kaiserslautern nicht mehr gebraucht. Weiterproduziert wird erst einmal nur in Rüsselsheim - dort läuft gerade die Fertigung des neuen Opel-Modells "Insignia" an, des vielleicht letzten Hoffnungsträgers für den angeschlagenen Konzern und seine Mitarbeiter:
Opel-Arbeiter: "Ich bin guter Dinge, dass wir dieses Tief überwinden können. Weil, es ist ein Top-Auto, die Leute sind alle begeistert davon. Und die Produktion läuft jetzt an und ich bin sicher, dass doch die ersten Bestellungen da rausgehen."
Optimismus, den Arndt Ellinghorst nur bedingt oder gar nicht teilen kann. Er ist Leiter des Aktienresearch für die Automobilindustrie bei der Credit Suisse in London und er beurteilt die Lage:
"Ja, schlecht. Der private Konsument ist extrem verunsichert. Die Finanzkrise hat natürlich dazu geführt, dass die Leute sich dreimal überlegen, ob sie insbesondere viel Geld ausgeben für langlebige Wirtschaftsgüter. Insofern kann man sagen, dass in den letzten Wochen es quasi zum Stillstand gekommen ist. Alle größeren Investitionen werden aufgeschoben. Und wenn man sich die Präferenzlisten der Konsumenten anschaut, wo Geld gespart werden soll, dann steht das Auto an allererster Stelle."
Nun ist die Zurückhaltung der Privatkunden beim Autokauf nichts Neues: Nach den Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes entfallen schon seit einigen Jahren weniger als vierzig Prozent aller Neuzulassungen auf Privatpersonen. Und die greifen bevorzugt zu kleinen, preiswerten Modellen. In diesem Segment sind vor allem die französischen und koreanischen Hersteller stark - und die rumänische Billig-Marke Dacia, die zum Renault-Konzern gehört. Die deutschen Autobauer, vor allem die sogenannten "Premium-Hersteller", setzen ihre teuren Produkte dagegen überwiegend als Geschäftswagen an Unternehmen und Freiberufler ab.
Doch gerade die machen sich angesichts der Finanzkrise kritische Gedanken über ihren Fuhrpark: Muss es wirklich das große Modell sein oder geht es auch eine Nummer kleiner? Und braucht überhaupt jeder Mitarbeiter einen Dienstwagen, der zur Zeit einen hat?
Fragen, die bei Kunibert Schmidt durchaus Besorgnis auslösen. Schmidt ist Geschäftsführer des VDA, dem Verband der Automobilindustrie in Frankfurt am Main, Er schätzt die aktuelle Lage wenig optimistisch ein:
"Auch in den zurückliegenden Jahren war der deutsche Markt, der Inlandsmarkt, alles andere als rosig. Und das lag zunächst einmal ganz entscheidend an der Zurückhaltung der privaten Autokäufer. Und was wir jetzt natürlich noch dazukriegen ist auch im Bereich der gewerblichen Halter eine gewisse Zurückhaltung, Vorsicht."
Die guten Zeiten scheinen damit vorbei zu sein. Denn der Absatz lahmt nicht nur im Inland, auch das Exportgeschäft schwächelt. Vor allem auf dem wichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Automobilindustrie, in den USA, ist die Nachfrage eingebrochen. Und mit dem Schrumpfen der Verkaufzahlen wird ein Schrumpfen der Belegschaften einhergehen. VDA-Geschäftsführer Kunibert Schmidt drückt das so aus:
"Wir haben in diesem Jahr im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum noch mal zehntausend Arbeitsplätze dazu gewinnen können. Klar, wir werden jetzt hier erstmal eine Phase der Konsolidierung erleben."
Zu spüren bekommen diese "Konsolidierung" auch die Händler. Peter Enders zum Beispiel, ein solider Mittelständler, der zwischen Mainz und Fulda mehrere BMW-Autohäuser betreibt. Er spürt den Rückgang bei den Neuwagenbestellungen durchaus, misst der verringerten Autoproduktion in Deutschland aber auch einen reinigenden Effekt bei:
"Sicherlich gibt es Einbußen, schon seit Wochen im Bereich Neuwagen. Die Kunden üben eine gewisse Kaufzurückhaltung. Jetzt die Finanzkrise, die wir ja global jeden Tag im Fernsehen vorgeführt kriegen, tut sicherlich ihres dazu. Aber ich glaube, dass wir relativ kurzfristig dieses überwinden. Für alle Hersteller in Deutschland ist es eigentlich sinnvoll gewesen, mal von der Überproduktion wegzukommen, die uns ja schon seit Jahren plagt. Ich sage "uns", das sind die Handelsorganisationen und die Händler. Es wurden weltweit einfach zu viele Autos produziert, weit über den Bedarf hinaus. Und jetzt durch diese äußeren Erscheinungen der Wirtschaftskrise beziehungsweise Bankenkrise, besinnt sich ein jeder neu. Und es kann nicht immer nur aufwärts gehen."
Nicht nur in der Automobilindustrie schrillen die Alarmglocken. Der wirtschaftliche Abschwung könnte sich wie ein roter Faden quer durch alle Branchen ziehen. So erwarten die erfolgsverwöhnten Maschinenbauer im kommenden Jahr nur noch eine Stagnation. Die überwiegend mittelständisch geprägte Branche wird ihre Produktion nicht mehr steigern können, weil die Auslandsmärkte einbrechen.
Damit gerät die bislang wichtigste Stütze des deutschen Wirtschaftswachstums ins Wanken: der Export! Der Bundesverband Groß- und Außenhandel hat bereits seine Wachstumsprognose deutlich gesenkt. Anstatt vier Prozent erwarten die deutschen Exporteure im kommenden Jahr nur noch ein Umsatzplus von 2,5 Prozent.
Auch die Möbelindustrie lebt vom Export. Die stark im Mittelstand verankerten Unternehmen verdienen mit ihren 83.000 Beschäftigten mittlerweile fast jeden zweiten Euro im Ausland. Das lukrative Exportgeschäft dürfte deutlich abflauen. Dirk Uwe Klass von der Deutschen Möbelindustrie:
"Und das hat auch etwas damit zu tun, dass die Konjunktur in unseren Hauptabnehmerländern - und das ist nach wie vor Kerneuropa - zurückgeht. Wenn Sie sich den spanischen Markt, den englischen Markt oder den französischen Markt anschauen, dann wissen Sie auch, dass die Konjunktur dort nicht von der Sonne bestrahlt wird."
Länder, in denen jahrelang die Immobilienmärkte boomten und die Baukonjunktur beflügelten. Nun ist dort die Immobilienblase geplatzt und die Exporteure gehen schwierigen Zeiten entgegen. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds wird das Bruttoinlandsprodukt in Großbritannien, Spanien und Italien im kommenden Jahr schrumpfen.
Auch jenseits des so wichtigen EU-Binnenmarktes ziehen dunkle Wolken auf. Für die USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, erwartet der IWF eine Stagnation. Die Wirtschaft wachse im nächsten Jahr nicht mehr und selbst diese Prognose könnte noch zu optimistisch sein.
Offensichtlich beschleunigt sich in den Vereinigten Staaten die konjunkturelle Talfahrt. So hat die US-Notenbank am Mittwoch in ihrem Bericht ein äußerst düsteres Bild von der US-Wirtschaft gezeichnet. Die Unternehmen streichen ihre Investitionspläne zusammen. Die Ausgaben für Konsum und Produktion gehen zurück. Die Ängste vor der Rezession plagen die Amerikaner. Im ganzen Land registriert die Notenbank eine völlig neue Art der Kreditvergabe, nämlich zurückhaltend.
Die internationale Finanzkrise wirkt dabei wie ein Verstärker. Wegen der zahlreichen Bankpleiten sind die Finanzhäuser extrem vorsichtig geworden, leihen sich gegenseitig kein Geld mehr. Die Notenbanken müssen nun diese Vertrauenslücke schließen und pumpen Milliarden in den ausgetrockneten Geldmarkt.
Zunehmend steigt deshalb die Sorge, dass die Finanzkrise auch auf die Realwirtschaft in Europa übergreift. Die Banken sind quasi die Geldpumpen in der Volkswirtschaft und versorgen die Unternehmen und Verbraucher mit Krediten. Wenn sie nun aber die Spar- und Bankeinlagen horten, um jederzeit zahlungsfähig zu bleiben, dann droht die sogenannte Kreditklemme. Manfred Jäger, Finanzökonom vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, erklärt es an einem Beispiel:
"Im Vorweihnachtsgeschäft muss der Händler seinen Laden voll machen mit Ware und da er das Zeug noch nicht verkauft hat, muss er das vorfinanzieren. Dafür braucht er also einen Kredit. Das heißt: wenn die Bank sagt, wir finden die Zeiten zu unsicher, dann bekommt er den Kredit nicht und dann kann er seinen Laden für das Vorweihnachtsgeschäft nicht so bestücken wie er das geplant hat und muss, das weiß er, dass er weniger verkaufen wird. Denn nur die Ware, die im Laden ist, kann er auch verkaufen. Und das bedeutet, dass er möglicherweise eine Person weniger im Laden einstellt und dann haben wir auch die Wirkung am Arbeitsmarkt."
Vor allem jene Branchen, die mit wenig Eigenkapital arbeiten und auf Kredite angewiesen sind, wären von dieser Kreditklemme betroffen. Drehen die Banker den Geldhahn zu, geraten die Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten. Pleiten sind nicht ausgeschlossen. Diese Sorgen sind aber - so die Einschätzung von Wirtschaftsminister Glos - unbegründet:
"Wir stellen aber fest, dass eine generelle Verknappung an Krediten an deutsche Unternehmungen auf breiter Front nicht sichtbar ist."
Wobei dem Mittelstand auch das dreigliedrige Bankensystem helfe, unterstreicht Wirtschaftsminister Glos. Die Genossenschaftsbanken und Sparkassen hätten ihre Kundenbeziehungen aufrechterhalten und die Kredite an die mittelständische Wirtschaft sogar ausgeweitet.
Gleichwohl schauen sich die Banker jedes Unternehmen genau an, bewerten die Risiken und entscheiden von Fall zu Fall. Stefan Gent vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels:
"Wir fürchten natürlich, wenn es zu einer Verschärfung der Kreditfinanzierungskrise kommt, dass wir im Handel damit auch ein Problem haben, dass also die Kredite teurer werden, wenn die Banken höhere Zinsen oder höhere Sicherheiten fordern. So würde sich der Zugang zu Krediten verschlechtern, was heute noch nicht der Fall ist, aber dann möglich wäre."
Anders sieht es bei millionenschweren Großprojekten aus, wenn zum Beispiel neue Fabriken, Kaufhäuser, Brücken, Hotels oder Kläranlagen gebaut werden. Hier gebe es sehr wohl eine Kreditklemme, sagt Heike Joebges, Finanzexpertin des Instituts für Markoökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf. Denn eine Bank allein kann die hohen Summen nicht finanzieren, sondern nur ein Konsortium:
"Vor allem in den letzten Wochen und Tagen ist das noch einmal stärker geworden, dass ganz stark nach Risiko unterschieden wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Großprojekte nicht mehr finanziert werden, also Projekte, die von Banken als sehr riskant eingestuft werden. Dafür wird man wohl keine Kredite mehr bekommen. Im Moment ist es sehr schwierig, Kredite für Großprojekte zu erhalten, weil es bislang üblich war, dass sich mehrere Banken zusammenschließen und einen syndizierten Kredit vergeben - also mehrere Banken gemeinsam das Risiko eines Großprojektes tragen. Da sich die Banken bisher nicht untereinander trauen, ist so was deutlich zurückgegangen. Vielleicht wird das aber mit dem Rettungspaket des Staates wieder besser werden, aber bisher sehen wir das nicht."
400 Milliarden Euro umfassen die Staatsgarantien. 80 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung den angeschlagenen Banken als Kapitalspritze zur Verfügung. Damit will sie den Finanzmarkt beruhigen. Denn ohne neues Vertrauen, ohne eine funktionierende Kreditwirtschaft, könnte die Realwirtschaft in den heftigen Sog der Finanzkrise geraten. Wirtschaftsminister Glos hat gestern deshalb seine Wirtschaftsprognose nach unten korrigiert und erwartet im kommenden Jahr nur noch ein Wachstum um 0,2 Prozent. Der Rückgang der Produktion in zwei aufeinander folgenden Quartalen - genau das ist eine Rezession - kann nur verhindert werden, wenn an Stelle des sinkenden Exportes die Konjunktur im Land anspringt.
Die Voraussetzungen dafür sind trotz aller Skepsis gar nicht so schlecht. Die Notenbank hat die Zinsen gesenkt, die Arbeitslosigkeit ist relativ niedrig, höhere Lohnabschlüsse sind wahrscheinlich und der Druck lässt angesichts sinkender Energie- und Rohstoffpreise nach. Die Verbraucher hätten also im kommenden Jahr tatsächlich mehr Geld in der Kasse, Geld, das rein theoretisch in den Konsum fließen könnte.
"Bislang liegen uns noch keine aktuellen Zahlen vor. Es ist allerdings zu vermuten, dass die Verschärfung der Finanzmarktkrise vor allem die Konjunkturerwartungen der Verbraucher beeinträchtigt. Das heißt, die Angst vor Arbeitslosigkeit dürfte wieder ansteigen. Und das ist für den Einzelhandel und den Konsum ein schlechtes Zeichen. Die Kaufzurückhaltung dürfte wieder zunehmen, so dass vom Konsum derzeit keine größeren Impulse zu erwarten sind,"
sagt Rolf Bürkel von der GfK. Die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung befragt jeden Monat Verbraucher nach ihrer Konsumneigung. Zwar hat die GfK erst Ende dieses Monats aussagekräftige Daten, die zeigen, ob die Finanzkrise die Konsumneigung bremst. Doch die Verhaltensmuster der Verbraucher seien in der Krise immer ähnlich:
"Also, wir haben in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, wenn es für die Verbraucher wirtschaftlich schwieriger wurde, dass zu aller erst die Bereiche betroffen waren, die für längerfristige Anschaffungen oder Investitionen der Haushalte gedacht sind, also Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, die Wohnungseinrichtung bis hin zum PKW, die in aller Regel am meisten darunter zu leiden haben, wenn die Kosumneigung zurückgeht. Hier versuchen die Verbraucher zunächst einzusparen oder die Anschaffung zu verschieben, um das Geld für andere Zwecke zu sichern."
Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels geht unterdessen weiterhin von einem ganz normalen Weihnachtsgeschäft aus. Der HDE will von einer Verunsicherung der Verbraucher nichts wissen, traut sich aber für 2009 keine Prognose zu.
Selten lagen die Erwartungen und Prognosen so weit auseinander -auch in den Betrieben und Konzernen. Während die genossenschaftlich organisierte Lebensmittelkette Edeka in den kommenden zwei Jahren weitere 1000 Läden eröffnen und neue 25.000 Jobs schaffen will, bereitet sich der Einzelhandels-Riese Tengelmann auf schwere Zeiten vor. Karl Erivan Haub, Chef des milliardenschweren Handelskonzerns, prophezeit der Branche wegen der Verunsicherung das bislang schwächste Weihnachtsgeschäft. Der Handel werde über Jahre unter den Nachwirkungen der Krise leiden:
"Alles andere ist Schön-Rederei. Wir werden jetzt in eine Rezession gehen. Alle Vorzeichen sind dafür da. Diese Rezession ist aus meiner Sicht unausweichlich. Und das wird deutlich Konsequenzen haben, viel deutlichere und drastischere Konsequenzen, als wir das in den vergangenen Jahren hatten."
Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben diesen Fall in ihrem Herbstgutachten durchaus berücksichtigt. Sollte die Finanzkrise länger als erwartet dauern, dann wird die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nicht stagnieren, sondern tatsächlich schrumpfen. Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle:
"Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Herbst des Jahres 2008 am Rande einer Rezession."
Oder in Zahlen ausgedrückt: die Wirtschaftsleistung in Deutschland würde um 0,8 Prozent zurückgehen. Die Bundesregierung selbst rechnet lieber mit dem optimistischen Szenario und erwartet für 2009 ein Miniwachstum. Deswegen werde es auch kein staatliches Konjunkturprogramm geben - wie es zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert.
Das Wirtschaftsministerium arbeitet an einem Plan B. Sollte wider Erwartung doch eine Kreditklemme auftreten, will Wirtschaftsminister Glos für die mittelständischen Unternehmen die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau ins Spiel bringen:
"Wir würden das sofort zusätzlich einsetzen, wenn Wachstum und Beschäftigung beziehungsweise Investitionen, die im Mittelstand notwendig sind, nicht finanziert werden können."
Darüber hinaus fordert der Bundeswirtschaftsminister reale Kostenentlastungen für die Industrie. Beispielsweise für die Automobilhersteller, die Milliarden in Forschung und Entwicklung investieren müssten, um die Vorgaben der EU zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu erfüllen:
"Unsere Automobilindustrie darf jetzt nicht noch weiter durch überzogene CO2-Zielwerte für Pkws belastet werden."
Nur: Den Autoabsatz wird der Minister damit nicht ankurbeln.
Umfrage: "Man muss Angst bekommen, wenn man sieht, wie es momentan aussieht. Die Leute sparen für Heizkosten und da kauft keiner mehr ein Auto.
Man kriegt auch Sorgen um die Existenz. Als Familienvater, man hat eine Familie zu ernähren und es ist alles so teuer. Das Geld langt hinten und vorne nicht mehr."
Auf die Privatkunden kann die Automobilindustrie bis auf weiteres also nicht setzen. Und auch das Geschäft mit den Firmenkunden bereitet den Herstellern jetzt erst recht Kopfzerbrechen. Denn sie haben in der Vergangenheit gerade die großen, teuren Modelle mit niedrigen Leasingraten versehen. Die sogenannten Leasing-Rückläufer rollen nun als große Blechlawine wieder auf die Hersteller zu. Für diese Fahrzeuge haben sie oft überhöhte Restwerte angesetzt, die am Markt keinesfalls realisierbar sind. Hohe Wertberichtigungen seien deshalb erforderlich, so der Analyst Arndt Ellinghorst:
"Bei BMW hat man schon gesehen, dass aus den USA schon Abwertungen vorgenommen worden sind auf das Leasingvermögen. Und diese Probleme, davon gehen wir aus, kommen wahrscheinlich auch nach Europa, so dass Abwertungen auf Leasingvermögen und auch höhere Kreditausfälle bei Kunden- und Händlerforderungen durchaus zu erwarten sind. Und zudem ist davon auszugehen, dass die Refinanzierung dieses Geschäfts teurer wird."
Die aktuelle Krise könnte deswegen nicht nur Gefahr, sondern auch Chance sein für die Autohersteller und andere Industrien, glaubt Arndt Ellinghorst von der Credit Suisse in London ähnlich wie der Autohändler Peter Enders:
"Es gibt ganz klar Produktionsrückgänge, wahrscheinlich gibt es auch Werksschließungen. Und so bitter das ist: Wahrscheinlich werden auch Unternehmen ausscheiden aus dem Markt und es wird stärkere Konsolidierung geben. Aber das passiert in jedem wirtschaftlichen Abschwung, und danach entstehen wieder neue Unternehmen und es gibt wieder Wachstum. Und die deutsche Wirtschaft kann sich, glaube ich, auf seine Innovationskraft verlassen."
So scheinen das auch die Opel-Werker in Kaiserslautern zu sehen. Sie setzen darauf, dass ihr Unternehmen in Europa bestehen kann, notfalls auch ohne die seit Wochen am Randes des Zusammenbruchs taumelnde Muttergesellschaft General Motors:
"Weiter geht's immer - es kommt bloß darauf an, wie."
"Beschissen! Was sollst du dazu noch sagen? Die müssten mal oben am Wasserkopf aufräumen. - Natürlich ist das konsequent schlecht. Es werden keine Autos mehr verkauft. Die Leute haben kein Geld mehr."
Schichtende im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Opel in Kaiserslautern haben soeben die 2400 Mitarbeiter des Werks erfahren, dass die Hälfte von ihnen bis Ende des Monats abwechselnd zuhause bleiben muss.
Der amerikanische Mutterkonzern General Motors hat beschlossen, dass in seinen europäischen Fabriken die Bänder bis Ende Oktober stillstehen. Und wenn Opel, die schwedische Schwestermarke SAAB und die britische Tochter Vauxhall keine Autos mehr bauen, werden auch die Teile aus dem Komponentenwerk Kaiserslautern nicht mehr gebraucht. Weiterproduziert wird erst einmal nur in Rüsselsheim - dort läuft gerade die Fertigung des neuen Opel-Modells "Insignia" an, des vielleicht letzten Hoffnungsträgers für den angeschlagenen Konzern und seine Mitarbeiter:
Opel-Arbeiter: "Ich bin guter Dinge, dass wir dieses Tief überwinden können. Weil, es ist ein Top-Auto, die Leute sind alle begeistert davon. Und die Produktion läuft jetzt an und ich bin sicher, dass doch die ersten Bestellungen da rausgehen."
Optimismus, den Arndt Ellinghorst nur bedingt oder gar nicht teilen kann. Er ist Leiter des Aktienresearch für die Automobilindustrie bei der Credit Suisse in London und er beurteilt die Lage:
"Ja, schlecht. Der private Konsument ist extrem verunsichert. Die Finanzkrise hat natürlich dazu geführt, dass die Leute sich dreimal überlegen, ob sie insbesondere viel Geld ausgeben für langlebige Wirtschaftsgüter. Insofern kann man sagen, dass in den letzten Wochen es quasi zum Stillstand gekommen ist. Alle größeren Investitionen werden aufgeschoben. Und wenn man sich die Präferenzlisten der Konsumenten anschaut, wo Geld gespart werden soll, dann steht das Auto an allererster Stelle."
Nun ist die Zurückhaltung der Privatkunden beim Autokauf nichts Neues: Nach den Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes entfallen schon seit einigen Jahren weniger als vierzig Prozent aller Neuzulassungen auf Privatpersonen. Und die greifen bevorzugt zu kleinen, preiswerten Modellen. In diesem Segment sind vor allem die französischen und koreanischen Hersteller stark - und die rumänische Billig-Marke Dacia, die zum Renault-Konzern gehört. Die deutschen Autobauer, vor allem die sogenannten "Premium-Hersteller", setzen ihre teuren Produkte dagegen überwiegend als Geschäftswagen an Unternehmen und Freiberufler ab.
Doch gerade die machen sich angesichts der Finanzkrise kritische Gedanken über ihren Fuhrpark: Muss es wirklich das große Modell sein oder geht es auch eine Nummer kleiner? Und braucht überhaupt jeder Mitarbeiter einen Dienstwagen, der zur Zeit einen hat?
Fragen, die bei Kunibert Schmidt durchaus Besorgnis auslösen. Schmidt ist Geschäftsführer des VDA, dem Verband der Automobilindustrie in Frankfurt am Main, Er schätzt die aktuelle Lage wenig optimistisch ein:
"Auch in den zurückliegenden Jahren war der deutsche Markt, der Inlandsmarkt, alles andere als rosig. Und das lag zunächst einmal ganz entscheidend an der Zurückhaltung der privaten Autokäufer. Und was wir jetzt natürlich noch dazukriegen ist auch im Bereich der gewerblichen Halter eine gewisse Zurückhaltung, Vorsicht."
Die guten Zeiten scheinen damit vorbei zu sein. Denn der Absatz lahmt nicht nur im Inland, auch das Exportgeschäft schwächelt. Vor allem auf dem wichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Automobilindustrie, in den USA, ist die Nachfrage eingebrochen. Und mit dem Schrumpfen der Verkaufzahlen wird ein Schrumpfen der Belegschaften einhergehen. VDA-Geschäftsführer Kunibert Schmidt drückt das so aus:
"Wir haben in diesem Jahr im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum noch mal zehntausend Arbeitsplätze dazu gewinnen können. Klar, wir werden jetzt hier erstmal eine Phase der Konsolidierung erleben."
Zu spüren bekommen diese "Konsolidierung" auch die Händler. Peter Enders zum Beispiel, ein solider Mittelständler, der zwischen Mainz und Fulda mehrere BMW-Autohäuser betreibt. Er spürt den Rückgang bei den Neuwagenbestellungen durchaus, misst der verringerten Autoproduktion in Deutschland aber auch einen reinigenden Effekt bei:
"Sicherlich gibt es Einbußen, schon seit Wochen im Bereich Neuwagen. Die Kunden üben eine gewisse Kaufzurückhaltung. Jetzt die Finanzkrise, die wir ja global jeden Tag im Fernsehen vorgeführt kriegen, tut sicherlich ihres dazu. Aber ich glaube, dass wir relativ kurzfristig dieses überwinden. Für alle Hersteller in Deutschland ist es eigentlich sinnvoll gewesen, mal von der Überproduktion wegzukommen, die uns ja schon seit Jahren plagt. Ich sage "uns", das sind die Handelsorganisationen und die Händler. Es wurden weltweit einfach zu viele Autos produziert, weit über den Bedarf hinaus. Und jetzt durch diese äußeren Erscheinungen der Wirtschaftskrise beziehungsweise Bankenkrise, besinnt sich ein jeder neu. Und es kann nicht immer nur aufwärts gehen."
Nicht nur in der Automobilindustrie schrillen die Alarmglocken. Der wirtschaftliche Abschwung könnte sich wie ein roter Faden quer durch alle Branchen ziehen. So erwarten die erfolgsverwöhnten Maschinenbauer im kommenden Jahr nur noch eine Stagnation. Die überwiegend mittelständisch geprägte Branche wird ihre Produktion nicht mehr steigern können, weil die Auslandsmärkte einbrechen.
Damit gerät die bislang wichtigste Stütze des deutschen Wirtschaftswachstums ins Wanken: der Export! Der Bundesverband Groß- und Außenhandel hat bereits seine Wachstumsprognose deutlich gesenkt. Anstatt vier Prozent erwarten die deutschen Exporteure im kommenden Jahr nur noch ein Umsatzplus von 2,5 Prozent.
Auch die Möbelindustrie lebt vom Export. Die stark im Mittelstand verankerten Unternehmen verdienen mit ihren 83.000 Beschäftigten mittlerweile fast jeden zweiten Euro im Ausland. Das lukrative Exportgeschäft dürfte deutlich abflauen. Dirk Uwe Klass von der Deutschen Möbelindustrie:
"Und das hat auch etwas damit zu tun, dass die Konjunktur in unseren Hauptabnehmerländern - und das ist nach wie vor Kerneuropa - zurückgeht. Wenn Sie sich den spanischen Markt, den englischen Markt oder den französischen Markt anschauen, dann wissen Sie auch, dass die Konjunktur dort nicht von der Sonne bestrahlt wird."
Länder, in denen jahrelang die Immobilienmärkte boomten und die Baukonjunktur beflügelten. Nun ist dort die Immobilienblase geplatzt und die Exporteure gehen schwierigen Zeiten entgegen. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds wird das Bruttoinlandsprodukt in Großbritannien, Spanien und Italien im kommenden Jahr schrumpfen.
Auch jenseits des so wichtigen EU-Binnenmarktes ziehen dunkle Wolken auf. Für die USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, erwartet der IWF eine Stagnation. Die Wirtschaft wachse im nächsten Jahr nicht mehr und selbst diese Prognose könnte noch zu optimistisch sein.
Offensichtlich beschleunigt sich in den Vereinigten Staaten die konjunkturelle Talfahrt. So hat die US-Notenbank am Mittwoch in ihrem Bericht ein äußerst düsteres Bild von der US-Wirtschaft gezeichnet. Die Unternehmen streichen ihre Investitionspläne zusammen. Die Ausgaben für Konsum und Produktion gehen zurück. Die Ängste vor der Rezession plagen die Amerikaner. Im ganzen Land registriert die Notenbank eine völlig neue Art der Kreditvergabe, nämlich zurückhaltend.
Die internationale Finanzkrise wirkt dabei wie ein Verstärker. Wegen der zahlreichen Bankpleiten sind die Finanzhäuser extrem vorsichtig geworden, leihen sich gegenseitig kein Geld mehr. Die Notenbanken müssen nun diese Vertrauenslücke schließen und pumpen Milliarden in den ausgetrockneten Geldmarkt.
Zunehmend steigt deshalb die Sorge, dass die Finanzkrise auch auf die Realwirtschaft in Europa übergreift. Die Banken sind quasi die Geldpumpen in der Volkswirtschaft und versorgen die Unternehmen und Verbraucher mit Krediten. Wenn sie nun aber die Spar- und Bankeinlagen horten, um jederzeit zahlungsfähig zu bleiben, dann droht die sogenannte Kreditklemme. Manfred Jäger, Finanzökonom vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, erklärt es an einem Beispiel:
"Im Vorweihnachtsgeschäft muss der Händler seinen Laden voll machen mit Ware und da er das Zeug noch nicht verkauft hat, muss er das vorfinanzieren. Dafür braucht er also einen Kredit. Das heißt: wenn die Bank sagt, wir finden die Zeiten zu unsicher, dann bekommt er den Kredit nicht und dann kann er seinen Laden für das Vorweihnachtsgeschäft nicht so bestücken wie er das geplant hat und muss, das weiß er, dass er weniger verkaufen wird. Denn nur die Ware, die im Laden ist, kann er auch verkaufen. Und das bedeutet, dass er möglicherweise eine Person weniger im Laden einstellt und dann haben wir auch die Wirkung am Arbeitsmarkt."
Vor allem jene Branchen, die mit wenig Eigenkapital arbeiten und auf Kredite angewiesen sind, wären von dieser Kreditklemme betroffen. Drehen die Banker den Geldhahn zu, geraten die Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten. Pleiten sind nicht ausgeschlossen. Diese Sorgen sind aber - so die Einschätzung von Wirtschaftsminister Glos - unbegründet:
"Wir stellen aber fest, dass eine generelle Verknappung an Krediten an deutsche Unternehmungen auf breiter Front nicht sichtbar ist."
Wobei dem Mittelstand auch das dreigliedrige Bankensystem helfe, unterstreicht Wirtschaftsminister Glos. Die Genossenschaftsbanken und Sparkassen hätten ihre Kundenbeziehungen aufrechterhalten und die Kredite an die mittelständische Wirtschaft sogar ausgeweitet.
Gleichwohl schauen sich die Banker jedes Unternehmen genau an, bewerten die Risiken und entscheiden von Fall zu Fall. Stefan Gent vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels:
"Wir fürchten natürlich, wenn es zu einer Verschärfung der Kreditfinanzierungskrise kommt, dass wir im Handel damit auch ein Problem haben, dass also die Kredite teurer werden, wenn die Banken höhere Zinsen oder höhere Sicherheiten fordern. So würde sich der Zugang zu Krediten verschlechtern, was heute noch nicht der Fall ist, aber dann möglich wäre."
Anders sieht es bei millionenschweren Großprojekten aus, wenn zum Beispiel neue Fabriken, Kaufhäuser, Brücken, Hotels oder Kläranlagen gebaut werden. Hier gebe es sehr wohl eine Kreditklemme, sagt Heike Joebges, Finanzexpertin des Instituts für Markoökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf. Denn eine Bank allein kann die hohen Summen nicht finanzieren, sondern nur ein Konsortium:
"Vor allem in den letzten Wochen und Tagen ist das noch einmal stärker geworden, dass ganz stark nach Risiko unterschieden wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Großprojekte nicht mehr finanziert werden, also Projekte, die von Banken als sehr riskant eingestuft werden. Dafür wird man wohl keine Kredite mehr bekommen. Im Moment ist es sehr schwierig, Kredite für Großprojekte zu erhalten, weil es bislang üblich war, dass sich mehrere Banken zusammenschließen und einen syndizierten Kredit vergeben - also mehrere Banken gemeinsam das Risiko eines Großprojektes tragen. Da sich die Banken bisher nicht untereinander trauen, ist so was deutlich zurückgegangen. Vielleicht wird das aber mit dem Rettungspaket des Staates wieder besser werden, aber bisher sehen wir das nicht."
400 Milliarden Euro umfassen die Staatsgarantien. 80 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung den angeschlagenen Banken als Kapitalspritze zur Verfügung. Damit will sie den Finanzmarkt beruhigen. Denn ohne neues Vertrauen, ohne eine funktionierende Kreditwirtschaft, könnte die Realwirtschaft in den heftigen Sog der Finanzkrise geraten. Wirtschaftsminister Glos hat gestern deshalb seine Wirtschaftsprognose nach unten korrigiert und erwartet im kommenden Jahr nur noch ein Wachstum um 0,2 Prozent. Der Rückgang der Produktion in zwei aufeinander folgenden Quartalen - genau das ist eine Rezession - kann nur verhindert werden, wenn an Stelle des sinkenden Exportes die Konjunktur im Land anspringt.
Die Voraussetzungen dafür sind trotz aller Skepsis gar nicht so schlecht. Die Notenbank hat die Zinsen gesenkt, die Arbeitslosigkeit ist relativ niedrig, höhere Lohnabschlüsse sind wahrscheinlich und der Druck lässt angesichts sinkender Energie- und Rohstoffpreise nach. Die Verbraucher hätten also im kommenden Jahr tatsächlich mehr Geld in der Kasse, Geld, das rein theoretisch in den Konsum fließen könnte.
"Bislang liegen uns noch keine aktuellen Zahlen vor. Es ist allerdings zu vermuten, dass die Verschärfung der Finanzmarktkrise vor allem die Konjunkturerwartungen der Verbraucher beeinträchtigt. Das heißt, die Angst vor Arbeitslosigkeit dürfte wieder ansteigen. Und das ist für den Einzelhandel und den Konsum ein schlechtes Zeichen. Die Kaufzurückhaltung dürfte wieder zunehmen, so dass vom Konsum derzeit keine größeren Impulse zu erwarten sind,"
sagt Rolf Bürkel von der GfK. Die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung befragt jeden Monat Verbraucher nach ihrer Konsumneigung. Zwar hat die GfK erst Ende dieses Monats aussagekräftige Daten, die zeigen, ob die Finanzkrise die Konsumneigung bremst. Doch die Verhaltensmuster der Verbraucher seien in der Krise immer ähnlich:
"Also, wir haben in der Vergangenheit immer wieder festgestellt, wenn es für die Verbraucher wirtschaftlich schwieriger wurde, dass zu aller erst die Bereiche betroffen waren, die für längerfristige Anschaffungen oder Investitionen der Haushalte gedacht sind, also Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, die Wohnungseinrichtung bis hin zum PKW, die in aller Regel am meisten darunter zu leiden haben, wenn die Kosumneigung zurückgeht. Hier versuchen die Verbraucher zunächst einzusparen oder die Anschaffung zu verschieben, um das Geld für andere Zwecke zu sichern."
Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels geht unterdessen weiterhin von einem ganz normalen Weihnachtsgeschäft aus. Der HDE will von einer Verunsicherung der Verbraucher nichts wissen, traut sich aber für 2009 keine Prognose zu.
Selten lagen die Erwartungen und Prognosen so weit auseinander -auch in den Betrieben und Konzernen. Während die genossenschaftlich organisierte Lebensmittelkette Edeka in den kommenden zwei Jahren weitere 1000 Läden eröffnen und neue 25.000 Jobs schaffen will, bereitet sich der Einzelhandels-Riese Tengelmann auf schwere Zeiten vor. Karl Erivan Haub, Chef des milliardenschweren Handelskonzerns, prophezeit der Branche wegen der Verunsicherung das bislang schwächste Weihnachtsgeschäft. Der Handel werde über Jahre unter den Nachwirkungen der Krise leiden:
"Alles andere ist Schön-Rederei. Wir werden jetzt in eine Rezession gehen. Alle Vorzeichen sind dafür da. Diese Rezession ist aus meiner Sicht unausweichlich. Und das wird deutlich Konsequenzen haben, viel deutlichere und drastischere Konsequenzen, als wir das in den vergangenen Jahren hatten."
Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben diesen Fall in ihrem Herbstgutachten durchaus berücksichtigt. Sollte die Finanzkrise länger als erwartet dauern, dann wird die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nicht stagnieren, sondern tatsächlich schrumpfen. Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle:
"Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Herbst des Jahres 2008 am Rande einer Rezession."
Oder in Zahlen ausgedrückt: die Wirtschaftsleistung in Deutschland würde um 0,8 Prozent zurückgehen. Die Bundesregierung selbst rechnet lieber mit dem optimistischen Szenario und erwartet für 2009 ein Miniwachstum. Deswegen werde es auch kein staatliches Konjunkturprogramm geben - wie es zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert.
Das Wirtschaftsministerium arbeitet an einem Plan B. Sollte wider Erwartung doch eine Kreditklemme auftreten, will Wirtschaftsminister Glos für die mittelständischen Unternehmen die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau ins Spiel bringen:
"Wir würden das sofort zusätzlich einsetzen, wenn Wachstum und Beschäftigung beziehungsweise Investitionen, die im Mittelstand notwendig sind, nicht finanziert werden können."
Darüber hinaus fordert der Bundeswirtschaftsminister reale Kostenentlastungen für die Industrie. Beispielsweise für die Automobilhersteller, die Milliarden in Forschung und Entwicklung investieren müssten, um die Vorgaben der EU zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu erfüllen:
"Unsere Automobilindustrie darf jetzt nicht noch weiter durch überzogene CO2-Zielwerte für Pkws belastet werden."
Nur: Den Autoabsatz wird der Minister damit nicht ankurbeln.
Umfrage: "Man muss Angst bekommen, wenn man sieht, wie es momentan aussieht. Die Leute sparen für Heizkosten und da kauft keiner mehr ein Auto.
Man kriegt auch Sorgen um die Existenz. Als Familienvater, man hat eine Familie zu ernähren und es ist alles so teuer. Das Geld langt hinten und vorne nicht mehr."
Auf die Privatkunden kann die Automobilindustrie bis auf weiteres also nicht setzen. Und auch das Geschäft mit den Firmenkunden bereitet den Herstellern jetzt erst recht Kopfzerbrechen. Denn sie haben in der Vergangenheit gerade die großen, teuren Modelle mit niedrigen Leasingraten versehen. Die sogenannten Leasing-Rückläufer rollen nun als große Blechlawine wieder auf die Hersteller zu. Für diese Fahrzeuge haben sie oft überhöhte Restwerte angesetzt, die am Markt keinesfalls realisierbar sind. Hohe Wertberichtigungen seien deshalb erforderlich, so der Analyst Arndt Ellinghorst:
"Bei BMW hat man schon gesehen, dass aus den USA schon Abwertungen vorgenommen worden sind auf das Leasingvermögen. Und diese Probleme, davon gehen wir aus, kommen wahrscheinlich auch nach Europa, so dass Abwertungen auf Leasingvermögen und auch höhere Kreditausfälle bei Kunden- und Händlerforderungen durchaus zu erwarten sind. Und zudem ist davon auszugehen, dass die Refinanzierung dieses Geschäfts teurer wird."
Die aktuelle Krise könnte deswegen nicht nur Gefahr, sondern auch Chance sein für die Autohersteller und andere Industrien, glaubt Arndt Ellinghorst von der Credit Suisse in London ähnlich wie der Autohändler Peter Enders:
"Es gibt ganz klar Produktionsrückgänge, wahrscheinlich gibt es auch Werksschließungen. Und so bitter das ist: Wahrscheinlich werden auch Unternehmen ausscheiden aus dem Markt und es wird stärkere Konsolidierung geben. Aber das passiert in jedem wirtschaftlichen Abschwung, und danach entstehen wieder neue Unternehmen und es gibt wieder Wachstum. Und die deutsche Wirtschaft kann sich, glaube ich, auf seine Innovationskraft verlassen."
So scheinen das auch die Opel-Werker in Kaiserslautern zu sehen. Sie setzen darauf, dass ihr Unternehmen in Europa bestehen kann, notfalls auch ohne die seit Wochen am Randes des Zusammenbruchs taumelnde Muttergesellschaft General Motors:
"Weiter geht's immer - es kommt bloß darauf an, wie."