Banken verloben sich, heiraten, trennen sich, sind auf Brautschau und sie heben neue Kinder aus der Taufe, Beispiel "Bank 24". Gerade an diesem Beispiel wird deutlich: Nicht nur die Struktur der Banken ändert sich, auch die Kundenlandschaft wird umstrukturiert. Das krasseste Bekenntnis gab die Deutsche Bank dazu ab, als sie für sich die Zielgruppe mit einem Jahreseinkommen oberhalb 200.000 Mark festsetzte, für die Kleineren sollte die Bank 24 da sein. Die Deutsche-Bank-Tochter strebt dazu in eine Breite, die die Mutterbank nie erreicht hat. Veränderung scheint derzeit das Beständigste im Bankensektor zu sein. Da mutet das rote S der Sparkassen mit dem ruhenden Punkt obendrauf wie eine Insel öffentlich-rechtlich organisierten Bestandsschutzes an. Vor ihrer Sparkassenfiliale in Dresden äußern sich Privatkunden:
"Weil ich mit dem so zufrieden bin, wie es ist, hier in der Sparkasse und was soll denn daran geändert werden? Es ist ja schlimm für ältere Leute, die sich dann vielleicht noch umstellen sollen"
Damit es aber so bleibt, wie es ist, darf es nicht so bleiben wie es ist, sagt Sachsens Finanzminister Georg Milbradt. Die Sparkassen müssen sich verändern, sagt der CDU-Politiker, der auch aktiver Professor für finanzwissenschaftliche Grundlagen an der Uni Münster ist.
Georg Milbradt: "Jedem ist klar: So wie bisher kann der Sparkassensektor nicht bleiben. Es gibt ja Untersuchungen beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband die darauf hinauslaufen, bei Nichtstun ist in 5 Jahren die wesentlich Substanz verwirtschaftet. Und wenn wir eben unsere Deutsche Besonderheit haben wollen insbesondere für den Klein- und Mittelstand, für die Existenzgründer, dann müssen wir auch im Sparkassenbereich Reformen vorsehen."
Ein Research der Hypovereinsbank vom April diesen Jahres kommt zu dem Schluss, dass die Restrukturierung des deutschen Sparkassensektors im europäischen Vergleich noch ganz am Anfang steht. Obwohl der Sparkassensektor in Deutschland der größte in ganz Europa ist Italien und Frankreich haben die bisher umfassendsten Reformen eingeleitet, heißt es weiter in der Untersuchung. In Italien beispielsweise wurden mit dem Amato-Gesetz von 1990 die Aktivitäten der Sparkassen aufgeteilt: der Bankbereich wird seitdem als GmbH, als "Casse die Risparmio" geführt, die Dienstleistungen im Rahmen des öffentlichen Auftrages wurden in staatliche Stiftungen, in "Fondazioni", umgewandelt. Das erlaubt den Stiftungen erleichterte Eigenkapitalbeschaffung. Die Bankenbereiche, also die italienischen Sparkassen GmbH haben nun die Möglichkeit mit Privatbanken zu fusionieren, sich mit anderen Sparkassen zusammenzuschließen oder Holdinglösungen zu gründen, also feste Kooperationsverbünde.
Auch in Österreich werden seit 2 Jahren Sparkassen privatisiert. In Spanien dagegen hat die Regierung keine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute zugelassen. Aber sie hat die Wirtschaftlichkeit der Sparkassen gestärkt. Sie hat bereits 1988 die regionalen Grenzen für die einzelnen Sparkassen aufgehoben und damit die Sparkassen untereinander in Konkurrenz gesetzt. Der Erfolg: Die Sparkassen arbeiten in Spanien so attraktiv, dass sie inzwischen sogar Privatbanken übernehmen.
In Deutschland hat die Diskussion um neue Sparkassenstrukturen erst vor gut 2 Jahren intensiver begonnen. Seither bewegt in Sachsen ein Vorstoß des Finanzministers Georg Milbradt die Gemüter. Er strebt sehr nachdrücklich das Zusammenführen der Sparkassen mit der Landesbank und auch mit der sächsischen Aufbaubank in eine Holding an.
Georg Milbradt: "Es ist also keine Änderung in der Substanz und es war immer vorgesehen, eigenständige Einheiten zu erhalten. Wir müssen dort weiter präsent sein, wo unsere Stärken sind, d.h., der lokale Auftritt in Kreditverhandlungen vor Ort und wir müssen bei all dem, was den Kunden gar nicht interessiert, nämlich wie sein Geschäftsvorfall abgewickelt wird, kostengünstig bleiben und das könne wir nur, wenn wir also die Vorteile der großen Menge, die ja der Sparkassensektor insgesamt hat, auch nutzen."
Die Sparkassen sollen Sparkassen im Landkreis bleiben, aber sie sollen ihre Kräfte bündeln. Ein zentrales Controlling und ein zentraler Einkauf wären billiger als viele dezentrale Parallelarbeiten. Außerdem würden auch Transparenz und damit Wettbewerbsdruck unter die Sparkassen kommen.
Georg Milbradt: "Im Augenblick sage ich, etwa 1/4 der Sparkassenmitarbeiter kümmert sich primär um den Kunden und 3/4 ist in der einen oder anderen Form mit Verwaltung und Abwicklung betraut. Wenn es uns gelänge, dieses Verhältnis umzukehren, also mehr am Kunden und weniger im Hinterzimmer, dann wären wir ein großes Stück weiter und dann würde ich auch keinerlei Sorgen um die Zukunftsfähigkeit und die Marktfähigkeit des Sparkassensystems in Deutschland und Europa haben."
Einen weiteren Vorteil sieht Milbradt darin, dass in seinem Modell die Gewährsträgerschaft aller öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Land gebündelt wird. Die Kommunen, die momentan die Gewährshaftung für die Sparkassen haben, trügen die Risiken der Kredite in dem Finanzverbund nicht mehr allein:
Georg Milbradt: Es ist ganz eindeutig, dass, wenn man Bankinstitute im Verbund führt, dass dann die Notwendigkeit der Rücklagebildung wegen des Gesetzes der großen Zahl und der besseren Steuerungsmöglichkeiten geringer ist, als wenn sie eine Insellösung haben, denn in Ostdeutschland können sie nicht damit rechnen, dass im Falle eines Falles der Gewährträger tatsächlich bereit wäre oder in der Lage wäre, wie im Falle Mannheim, Kapital nachzuschießen. Aus dem Grunde muss eine ostdeutsche Sparkasse ihren gesamten Gewinn behalten, um die Sicherheit zu haben. Das ist natürlich in einer Verbundlösung, wo auch eine Deckung des Landes selbst vorhanden ist, nicht ganz so ausgeprägt, das heißt, tendenziell kann eine höhere Gewinnausschüttung im Verbund erreicht werden."
Zunächst konnte sich kaum ein Bürgermeister oder Landrat in Sachsen damit anfreunden, nicht mehr uneingeschränkter König seiner Sparkasse zu sein. Doch mit der Aussicht, dass die Sparkassen im Verbund Gewinne an die chronisch leeren kommunalen Kassen ausschütten können, legten einige ihre Skepsis ab. Ausschüttungen von 300 Millionen sollen jährlich verteilt werden, sagte Milbradt. Das bereits mit der Stimmenmehrheit der alleinregierenden CDU im Landtag beschlossene Gesetz über den Sachsen-Finanzverbund schließt die Sparkassen nicht automatisch zusammen, der Beitritt ist freiwillig. Die Kommunen können auch wie bisher auch eigenständige Sparkassen behalten. Diese Freiwilligkeit führt dazu, dass 6 von 22 Gewährsträgern der Sparkassen konkret über einen Beitritt verhandeln, andere erwägen ihn, 4 sind jedoch strikt dagegen. Im Land gibt es auch breiten Widerstand. Gegen diesen Sachsen-Finanzverbund sammelt eine Bürgerinitiative Unterschriften. Sie wird von der oppositionellen SPD und PDS, von Gewerkschaften und den Sparkassenmitarbeitern bis hin zu deren Vorständen unterstützt.
Der Landeschef der deutschen Angestelltengewerkschaft, Karl Menges sagte bei einer Demonstration, das Grundanliegen der Sparkassen sei durch diesen Sachsen-Finanzverband gefährdet.
Karl Menges: "Die Sparkassen engagieren sich in einem ganz besonderen Maße für die Fläche und für den Mittelstand und die Sparkassen engagieren sich auch dort, wo nicht unbedingt ganz fette Gewinne zu erwarten sind. Das ist Ausschluß des Gemeinwohlprinzips und des Versorgungsauftrages und das wollen wir erhalten."
und die Mitarbeiter haben eher Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau vor Augen, als eine leistungsfähigere Struktur.
Karl Menges: "In unserer Kreissparkasse Löbau-Zittau, wir sind der letzte Zipfel, im Prinzip Ostsachsen, die Arbeitslosenquote ist schon sehr hoch und dann währen noch mehr arbeitslos."
Mit der Unterschriftensammlung will die Bürgerinitiative nun einen Volksentscheid erzwingen und damit den Sachsen-Finanzverbund wieder auflösen, das Gesetz rückgängig machen. Ihr Sprecher, der Rechtsanwalt Paul Bischof, zieht mit zahlreichen düsteren Prognosen gegen die Verbundlösung zu Felde:
Paul Bischof: "Es ist unstreitig und das bestreitet Milbradt nicht, er wird Richtlinien erlassen. Die Richtlinien werden ausgearbeitet dann in der Zentrale in Leipzig. Und in diesem Rahmen hat sich der künftige Filialleiter der Sparkasse zu bewegen. Und da sehe ich keinen Unterschied zu dem Chef oder Filialleiter eines Privatinstitutes wie z. B. die Deutsche Bank und die Dresdner Bank. Und was das für den Mittelstand bedeutet, das liegt auf der Hand. Das sehen die Mittelständler täglich."
Statt eines territorialen Verbundes in der Breite sehen die Gegner des Sachsen-Finanzverbandes eher vertikale Verbünde als zukunftsträchtig an. Der Pressesprecher der Bürgerinitiative, Dirk Fedders, sagt, es gebe bereits solche bundesweiten Verbundhilfen, die dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen näher stünden.
Dirk Fedders: "Wir haben einmal den Ostdeutschen Sparkassen-Giroverband hier in Ostdeutschland. Darüber hinaus auch den Deutschen Sparkassenverband aber ich meine auch die Landesbausparkassen die es gibt, die öffentlichen Versicherer, dann den DEKA-Verbund, der der erfolgreichste Fondanbieter in Deutschland ist. Also es gibt viele Verbundunternehmen der heutigen Sparkassenorganisation, wo die Sparkassen mit Hilfe oder in Zusammenarbeit mit diesen Verbundunternehmen leistungsfähig am Markt agieren können und nicht alle Produkte selbst entwickeln müssen, was sie natürlich nicht können."
Die Selbständigkeit der Stadt- und Kreissparkassen, werde aufgegeben werden, sagt Rechtsanwalt Bischof. Und er geht noch weiter und sagt als Ergebnis des Holding-Modells voraus:
Paul Bischof: "Nun, wir glauben dann, dass über kurz oder lang die Sparkassen privatisiert werden und scheibchenweise dann verkauft werden. D.h. und es gibt den Begehren der z.B. der Deutschen Bank, die nach unseren Informationen immer interessiert war, Sparkassen zu erwerben und Teile des filialen Netzes zu übernehmen, dass die dann zum Zuge kommt. Und dann wird es eine neue Sparkassenpolitik geben, die nach unserer Auffassung alles andere nur nicht mittelstandsfreundlich, nur nicht personalfreundlich ist, sondern die rein nach Gewinn orientiert ist."
In der Tat ist der Knackpunkt für alle Zukunftsmodelle der Sparkassen die Frage: auf welcher Ebene werden dann die entscheidenden Beschlüsse gefasst. In dem sächsischen Verbundmodell wäre der formale Durchgriff der Landesebene auf die Sparkassen allerdings nicht möglich. Um die Rechte der Kommunalen Gewährsträger zu wahren ist für zentrale Entscheidungen das Prinzip einer doppelten Mehrheit vorgesehen. Das heißt: um einen Beschluß zu fassen, müssen sowohl die kommunalen Vertreter in den Gremien des Sachsen-Finanzverbundes mit einer eigenen Mehrheit zustimmen, als auch die Vertreter der Landesebene unter sich eine Mehrheit für dieselbe Beschlußvorlage finden. Der Finanzminister wertet dies als Garantieerklärung für die Interessen der Kommunen:
Georg Milbradt: "Das heißt, sie haben also eine Sperrminorität und damit ist sichergestellt, dass der kommunale Aspekt, der ja auch wichtig ist, in dieser Konstruktion nicht zu kurz kommt."
Den Anwalt aus der Bürgerinitiative irritiert dies jedoch nicht. Er sieht die kommunale Sparkasse künftig am kürzeren Hebel, wenn nicht gar am Ende:
Paul Bischof: "Der Finanzminister hat doch einen gewissen Einfluß auf die Gewährsträger, das sind die Landkreise und sind die Städte. Und er kann Mittel zuteilen. Mittel, die die Kommunen brauchen. Da gibt es Mittel, die er vom Gesetz her zuteilen muss, Pflichtaufgaben, und er kann Mittel zuteilen an die einzelnen Kommunen, nach einem gewissen Gutdünken. Und da wird er nach dem Frau-Holle-Prinzip die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen sich entscheiden. Das ist doch ganz klar. Und damit wird natürlich auch ein gewisser Druck ausgeübt. Und dann gibt es keine Freiwilligkeit."
Mit dem exakten Inhalt der Märchen nimmt's der Anwalt aus der Bürgerinitiative dabei nicht so genau. Aber auch was den von ihm erwähnten Druck von oben nach unten angeht stellt sich beim Kampf um die Zukunft der Sparkasse zur Zeit einiges anders dar.
Wenn die Sparkassen nämlich tatsächlich in einen landesweiten Holding-Verbund integriert werden, dann sind in besondere Weise die Sparkassenvorstände davon betroffen. Sie konnten bisher relativ unumschränkt herrschen. In dem größeren Verbund stehen dann aber nicht nur die Leichtmetallfelgen an ihren Dienstwagen zur Disposition, sondern die Limousinen als ganzes, wie das Düsseldorfer Handelsblatt es einmal beschrieb.
Vor diesem Hintergrund sind einige Vorkommnisse rund um die stets von ihrem Sprecher als unabhängig bezeichnete Bürgerinitiative für den Volksentscheid bemerkenswert, und diese Merkwürdigkeiten beginnen schon bei ihrer Gründung. Die Idee dazu entstammt einem Maßnahmeplan, den der Vorstand der Sparkasse Delitzsch-Eilenburg allen anderen Sparkassenvorständen mit Datum vom 27. August 1998 schriftlich antrug. Darin steht als Extrapunkt: "Durchführung eines Volksantrages/Volksbegehrens zur Herbeiführung eines Volksentscheides, die Errichtung der Holding oder individuell im Geschäftsgebiet die Einbringung der Sparkasse in die Holding zu verhindern" Auch dass ein Angestellter des Vorstandes der Sparkasse Torgau-Oschatz als Presseverantwortlicher für die Bürgerinitiative fungiert, nach eigenen Angaben ausschließlich in seiner Freizeit, gehört dazu. Außerdem musste der Personalrat der Leipziger Sparkasse zurücktreten, nachdem er in seiner Betriebszeitung die Azubis als illoyal beschimpft hatte, weil sie in ihrer Freizeit keine oder zu wenig Unterschriften gegen den Sachsen-Finanzverband sammeln würden. Nach einer Demonstration von Sparkassenmitarbeitern am Rande eines CDU-Landesparteitages schaltete sich Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in die Debatte ein mit einem Vokabular, dessen er sich sonst gewöhnlich nicht bedient:
Kurt Biedenkopf: "Ich hab gedacht, jetzt ist es Schluss. Es haben ja auch Vorstände mit demonstriert. Ich finde das ein bißchen grotesk, wenn Leute, die zwischen 200.000 und 300.000 Mark im Jahr verdienen dann, weil sie Sorge haben, dass sich ihre Position verändert, die ganze Welt meschugge machen. Und was ich im Tod nicht leiden kann ist, dass man den Menschen Angst macht um ihren Arbeitsplatz und diese Angst dann politisch einsetzt."
Inzwischen läuft die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren zum Rückgängigmachen des Finanzverbundes auf Hochtouren. Am Dienstag dieser Woche waren es - Zufall oder nicht - ausschließlich Sparkassenmitarbeiter die vormittags vor ihrer Dresdner Sparkassenfiliale teilweise gekennzeichnet mit Namensschildern der unabhängigen Bürgerinitiative Unterschriften sammelten - in ihrer Freizeit, wie sie alle angaben. Mit den Unterschriftenlisten auf Klemmbrettern sprachen sie Kunden vor oder nach dem Besuch der Filiale an: .
"Darf ich Sie mal kurz stören: Wir sammeln hier Unterschriften für die Bürgerinitiative ProKommunale Sparkasse und zwar ist das für den Erhalt der einzelnen regionalen Sparkassen in Sachsen. Man will in Sachsen die Sparkassen zu einer großen Bank vereinigen. Geburtsdatum bitte...
Im Interview erklärten die Kunden nach ihrer Unterschrift:
"Die Frau hat mich lediglich aufgeklärt, das zu unterschreiben ... also hier irgendwie meine Zustimmung dazu zu geben, dass alles so bleibt, wie es ist. - Sie haben unterschrieben, warum? - Weil ich hier wohne und ich bin von Anfang an, seit das rekonstruiert worden ist, ... ich bin von Anfang an, ich bin 70 Jahre, hier für die Sparkasse gewesen und die sind alle so freundlich und so nett und dann ist es auch die Nähe. - Und warum haben Sie jetzt unterschrieben? Was befürchten Sie denn, was anders wird?- Na das die nicht schließen hier. - Weil es natürlich auf der einen Seite klar um die Arbeitsplätze geht und auf der anderen Seite ist es für die Bürger auch praktischer, wenn kleine Filialen in ihrer Nähe sind, als wenn nur große Filialen sind, die weit zu erlaufen sind oder weit weg sind. -Haben Sie gewusst, dass Sie gerade einen Gesetzesantrag unterschrieben haben, dass ein Gesetz verabschiedet wird? - Aha, gut so genau nicht, aber ist doch gut, wenn es Konsequenzen gibt, oder? - Haben Sie den Gesetzantrag mal gelesen? - Das nicht, ich gehe davon aus, dass er mir die Wahrheit gesagt hat.
Doch zum Thema "Erhalt der Sparkassen" gab selbst der Sprecher der Bürgerinitiative, Rechtsanwalt Bischof zu: 16.
Paul Bischof: : "Wir kämpfen nicht um den Erhalt jeder einzelnen Sparkasse in Sachsen oder Deutschland. Es ist nichts zu sagen, wenn sinnvolle Fusionen kommen."
Die Kampagne läuft, wohin der Weg der Sparkassen künftig führt, ist offen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband lehnte eine Stellungnahme zu den Vorhaben in Sachsen ab. Begründung: hier laufe ein politischer Streit. Wenn es wieder rein um die Sparkassenstruktur gehe, werden der Verband sich wieder äußern. In der Tat nutzen die Landtagsfraktionen fast jede Plenarsitzung, um sich an diesem Thema zu profilieren, Aktionstage zum Sparkassenstreit im Lande sind probates Mittel der Öffentlichkeitsarbeit geworden.
Gut möglich also, dass Ende Mai die erforderlichen 450.000 Unterschriften für den Volksentscheid zusammenkommen und dann das Wahlvolk an die Urnen muss. Inzwischen ist neben den 6 kommunalen Gewährträgern auch der Vorstand der größten sächsischen Sparkasse aus Leipzig für einen Beitritt zur Holding. Sollte der Volksentscheid gegen die neue Konstruktion ausfallen, müsste der dann vielleicht schon erfolgte freiwillige Zusammenschluss wieder aufgelöst werden. Dann würde es auch für die Sächsische Landesbank schwer. Sachsen hat als einziges ostdeutsches Land sich nicht einer Landesbank eines westdeutschen Landes angeschlossen, sondern hat eine eigene Landesbank gegründet. Sie wirtschaftet zwar derzeit mit steigendem Gewinn, doch auch sie braucht langfristig einen starken Partner oder eben eine Verbundlösung. Der sächsische Finanzminister baut auf die eigenständige Landesbank, mit deren Hilfe er zum Beispiel den Verkauf der GUS-Liegenschaften abgewickelt hat: 17.
Georg Milbradt: "Wir möchten auch die Landesbank in dieses Konzept mit einbeziehen um eine sächsische Lösung zu bekommen, da ja die andere Alternative wäre, dass sich unsere Landesbank als einzige Ostdeutsche sich mit Westdeutschen zusammenschließen müßte und die anderen ostdeutschen Länder haben sich ja dort überhaupt nicht beteiligt. Die sächsischen Sparkassen haben ein eigenes Institut, was sicherlich besser auf die sächsischen und die ostdeutschen Probleme reagieren kann als zum Beispiel eine hessische Landesbank oder eine NordLB, ich höre dort von den Sparkassen immer wieder, dass sie ein wenig neidisch nach Sachsen schauen, weil eben der spezielle Ansprechpartner mit Ostkenntnis dort nicht vorhanden ist."
Die Besonderheiten des Sparkassenwesens und allgemein der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland stehen in der Diskussion. Dass die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof darüber verhandeln, ob die kommunale Gewährträgerschaft, also die besseren Kreditvergabebedingungen für die deutschen Sparkassen wettbewerbswidrig sind, und Privatbanken auf Abschaffung der Gewährsträgerschaft klagen, das erhöht den Handlungsdruck auf die Sparkassen und Landesbanken. Denn wenn die europäische Entscheidung zuungunsten des deutschen Sparkassensystems ausfällt, wird der Wettbewerb noch härter. Eine klare Linie bei den Sparkassen über deren Zukunftsweg ist noch nicht zu erkennen.
In Baden-Württemberg wählten die Institute die totale Fusion. Die Südwest-LB, die Landesgirokasse das ist quasi die Stadtsparkasse Stuttgart und die Landeskreditbank schlossen sich zur neuen Landesbank Baden-Württemberg zusammen. In Frankfurt dagegen beschreitet die Stadtsparkasse den Börsenweg. Die drittgrößte deutsche Sparkasse soll noch in diesem Jahr in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden und Vorstandssprecher Klaus Wächter tritt dafür ein, dass die Kasse sogar auf mittlere Sicht an die Börse zu bringen sei. Das sächsische Modell eines Finanzverbundes der Sparkassen und Landesbank ist ein weiteres Modell. Auch das läßt sich nicht ohne weiteres auf andere Regionen übertragen, weil die Strukturen vor allem der Landesbanken regional sehr unterschiedlich sind. In Sachsen gab der Finanzminister für die Umstrukturierungsphase nach dem Gründen des Finanzverbundes eine dreijährige Bestandsgarantie für Filialen und Arbeitsplätze. Sein Slogan: "Kein ,S' wird abgeschraubt". Genau das fordern auch die Gegner seines Modells: "Herr Minister, schrauben sie kein rotes ,S' ab". Welcher Weg zum Erhalt des Sparkassenzeichens letztlich führt, das muss die Praxis noch zeigen.
"Weil ich mit dem so zufrieden bin, wie es ist, hier in der Sparkasse und was soll denn daran geändert werden? Es ist ja schlimm für ältere Leute, die sich dann vielleicht noch umstellen sollen"
Damit es aber so bleibt, wie es ist, darf es nicht so bleiben wie es ist, sagt Sachsens Finanzminister Georg Milbradt. Die Sparkassen müssen sich verändern, sagt der CDU-Politiker, der auch aktiver Professor für finanzwissenschaftliche Grundlagen an der Uni Münster ist.
Georg Milbradt: "Jedem ist klar: So wie bisher kann der Sparkassensektor nicht bleiben. Es gibt ja Untersuchungen beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband die darauf hinauslaufen, bei Nichtstun ist in 5 Jahren die wesentlich Substanz verwirtschaftet. Und wenn wir eben unsere Deutsche Besonderheit haben wollen insbesondere für den Klein- und Mittelstand, für die Existenzgründer, dann müssen wir auch im Sparkassenbereich Reformen vorsehen."
Ein Research der Hypovereinsbank vom April diesen Jahres kommt zu dem Schluss, dass die Restrukturierung des deutschen Sparkassensektors im europäischen Vergleich noch ganz am Anfang steht. Obwohl der Sparkassensektor in Deutschland der größte in ganz Europa ist Italien und Frankreich haben die bisher umfassendsten Reformen eingeleitet, heißt es weiter in der Untersuchung. In Italien beispielsweise wurden mit dem Amato-Gesetz von 1990 die Aktivitäten der Sparkassen aufgeteilt: der Bankbereich wird seitdem als GmbH, als "Casse die Risparmio" geführt, die Dienstleistungen im Rahmen des öffentlichen Auftrages wurden in staatliche Stiftungen, in "Fondazioni", umgewandelt. Das erlaubt den Stiftungen erleichterte Eigenkapitalbeschaffung. Die Bankenbereiche, also die italienischen Sparkassen GmbH haben nun die Möglichkeit mit Privatbanken zu fusionieren, sich mit anderen Sparkassen zusammenzuschließen oder Holdinglösungen zu gründen, also feste Kooperationsverbünde.
Auch in Österreich werden seit 2 Jahren Sparkassen privatisiert. In Spanien dagegen hat die Regierung keine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute zugelassen. Aber sie hat die Wirtschaftlichkeit der Sparkassen gestärkt. Sie hat bereits 1988 die regionalen Grenzen für die einzelnen Sparkassen aufgehoben und damit die Sparkassen untereinander in Konkurrenz gesetzt. Der Erfolg: Die Sparkassen arbeiten in Spanien so attraktiv, dass sie inzwischen sogar Privatbanken übernehmen.
In Deutschland hat die Diskussion um neue Sparkassenstrukturen erst vor gut 2 Jahren intensiver begonnen. Seither bewegt in Sachsen ein Vorstoß des Finanzministers Georg Milbradt die Gemüter. Er strebt sehr nachdrücklich das Zusammenführen der Sparkassen mit der Landesbank und auch mit der sächsischen Aufbaubank in eine Holding an.
Georg Milbradt: "Es ist also keine Änderung in der Substanz und es war immer vorgesehen, eigenständige Einheiten zu erhalten. Wir müssen dort weiter präsent sein, wo unsere Stärken sind, d.h., der lokale Auftritt in Kreditverhandlungen vor Ort und wir müssen bei all dem, was den Kunden gar nicht interessiert, nämlich wie sein Geschäftsvorfall abgewickelt wird, kostengünstig bleiben und das könne wir nur, wenn wir also die Vorteile der großen Menge, die ja der Sparkassensektor insgesamt hat, auch nutzen."
Die Sparkassen sollen Sparkassen im Landkreis bleiben, aber sie sollen ihre Kräfte bündeln. Ein zentrales Controlling und ein zentraler Einkauf wären billiger als viele dezentrale Parallelarbeiten. Außerdem würden auch Transparenz und damit Wettbewerbsdruck unter die Sparkassen kommen.
Georg Milbradt: "Im Augenblick sage ich, etwa 1/4 der Sparkassenmitarbeiter kümmert sich primär um den Kunden und 3/4 ist in der einen oder anderen Form mit Verwaltung und Abwicklung betraut. Wenn es uns gelänge, dieses Verhältnis umzukehren, also mehr am Kunden und weniger im Hinterzimmer, dann wären wir ein großes Stück weiter und dann würde ich auch keinerlei Sorgen um die Zukunftsfähigkeit und die Marktfähigkeit des Sparkassensystems in Deutschland und Europa haben."
Einen weiteren Vorteil sieht Milbradt darin, dass in seinem Modell die Gewährsträgerschaft aller öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Land gebündelt wird. Die Kommunen, die momentan die Gewährshaftung für die Sparkassen haben, trügen die Risiken der Kredite in dem Finanzverbund nicht mehr allein:
Georg Milbradt: Es ist ganz eindeutig, dass, wenn man Bankinstitute im Verbund führt, dass dann die Notwendigkeit der Rücklagebildung wegen des Gesetzes der großen Zahl und der besseren Steuerungsmöglichkeiten geringer ist, als wenn sie eine Insellösung haben, denn in Ostdeutschland können sie nicht damit rechnen, dass im Falle eines Falles der Gewährträger tatsächlich bereit wäre oder in der Lage wäre, wie im Falle Mannheim, Kapital nachzuschießen. Aus dem Grunde muss eine ostdeutsche Sparkasse ihren gesamten Gewinn behalten, um die Sicherheit zu haben. Das ist natürlich in einer Verbundlösung, wo auch eine Deckung des Landes selbst vorhanden ist, nicht ganz so ausgeprägt, das heißt, tendenziell kann eine höhere Gewinnausschüttung im Verbund erreicht werden."
Zunächst konnte sich kaum ein Bürgermeister oder Landrat in Sachsen damit anfreunden, nicht mehr uneingeschränkter König seiner Sparkasse zu sein. Doch mit der Aussicht, dass die Sparkassen im Verbund Gewinne an die chronisch leeren kommunalen Kassen ausschütten können, legten einige ihre Skepsis ab. Ausschüttungen von 300 Millionen sollen jährlich verteilt werden, sagte Milbradt. Das bereits mit der Stimmenmehrheit der alleinregierenden CDU im Landtag beschlossene Gesetz über den Sachsen-Finanzverbund schließt die Sparkassen nicht automatisch zusammen, der Beitritt ist freiwillig. Die Kommunen können auch wie bisher auch eigenständige Sparkassen behalten. Diese Freiwilligkeit führt dazu, dass 6 von 22 Gewährsträgern der Sparkassen konkret über einen Beitritt verhandeln, andere erwägen ihn, 4 sind jedoch strikt dagegen. Im Land gibt es auch breiten Widerstand. Gegen diesen Sachsen-Finanzverbund sammelt eine Bürgerinitiative Unterschriften. Sie wird von der oppositionellen SPD und PDS, von Gewerkschaften und den Sparkassenmitarbeitern bis hin zu deren Vorständen unterstützt.
Der Landeschef der deutschen Angestelltengewerkschaft, Karl Menges sagte bei einer Demonstration, das Grundanliegen der Sparkassen sei durch diesen Sachsen-Finanzverband gefährdet.
Karl Menges: "Die Sparkassen engagieren sich in einem ganz besonderen Maße für die Fläche und für den Mittelstand und die Sparkassen engagieren sich auch dort, wo nicht unbedingt ganz fette Gewinne zu erwarten sind. Das ist Ausschluß des Gemeinwohlprinzips und des Versorgungsauftrages und das wollen wir erhalten."
und die Mitarbeiter haben eher Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau vor Augen, als eine leistungsfähigere Struktur.
Karl Menges: "In unserer Kreissparkasse Löbau-Zittau, wir sind der letzte Zipfel, im Prinzip Ostsachsen, die Arbeitslosenquote ist schon sehr hoch und dann währen noch mehr arbeitslos."
Mit der Unterschriftensammlung will die Bürgerinitiative nun einen Volksentscheid erzwingen und damit den Sachsen-Finanzverbund wieder auflösen, das Gesetz rückgängig machen. Ihr Sprecher, der Rechtsanwalt Paul Bischof, zieht mit zahlreichen düsteren Prognosen gegen die Verbundlösung zu Felde:
Paul Bischof: "Es ist unstreitig und das bestreitet Milbradt nicht, er wird Richtlinien erlassen. Die Richtlinien werden ausgearbeitet dann in der Zentrale in Leipzig. Und in diesem Rahmen hat sich der künftige Filialleiter der Sparkasse zu bewegen. Und da sehe ich keinen Unterschied zu dem Chef oder Filialleiter eines Privatinstitutes wie z. B. die Deutsche Bank und die Dresdner Bank. Und was das für den Mittelstand bedeutet, das liegt auf der Hand. Das sehen die Mittelständler täglich."
Statt eines territorialen Verbundes in der Breite sehen die Gegner des Sachsen-Finanzverbandes eher vertikale Verbünde als zukunftsträchtig an. Der Pressesprecher der Bürgerinitiative, Dirk Fedders, sagt, es gebe bereits solche bundesweiten Verbundhilfen, die dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen näher stünden.
Dirk Fedders: "Wir haben einmal den Ostdeutschen Sparkassen-Giroverband hier in Ostdeutschland. Darüber hinaus auch den Deutschen Sparkassenverband aber ich meine auch die Landesbausparkassen die es gibt, die öffentlichen Versicherer, dann den DEKA-Verbund, der der erfolgreichste Fondanbieter in Deutschland ist. Also es gibt viele Verbundunternehmen der heutigen Sparkassenorganisation, wo die Sparkassen mit Hilfe oder in Zusammenarbeit mit diesen Verbundunternehmen leistungsfähig am Markt agieren können und nicht alle Produkte selbst entwickeln müssen, was sie natürlich nicht können."
Die Selbständigkeit der Stadt- und Kreissparkassen, werde aufgegeben werden, sagt Rechtsanwalt Bischof. Und er geht noch weiter und sagt als Ergebnis des Holding-Modells voraus:
Paul Bischof: "Nun, wir glauben dann, dass über kurz oder lang die Sparkassen privatisiert werden und scheibchenweise dann verkauft werden. D.h. und es gibt den Begehren der z.B. der Deutschen Bank, die nach unseren Informationen immer interessiert war, Sparkassen zu erwerben und Teile des filialen Netzes zu übernehmen, dass die dann zum Zuge kommt. Und dann wird es eine neue Sparkassenpolitik geben, die nach unserer Auffassung alles andere nur nicht mittelstandsfreundlich, nur nicht personalfreundlich ist, sondern die rein nach Gewinn orientiert ist."
In der Tat ist der Knackpunkt für alle Zukunftsmodelle der Sparkassen die Frage: auf welcher Ebene werden dann die entscheidenden Beschlüsse gefasst. In dem sächsischen Verbundmodell wäre der formale Durchgriff der Landesebene auf die Sparkassen allerdings nicht möglich. Um die Rechte der Kommunalen Gewährsträger zu wahren ist für zentrale Entscheidungen das Prinzip einer doppelten Mehrheit vorgesehen. Das heißt: um einen Beschluß zu fassen, müssen sowohl die kommunalen Vertreter in den Gremien des Sachsen-Finanzverbundes mit einer eigenen Mehrheit zustimmen, als auch die Vertreter der Landesebene unter sich eine Mehrheit für dieselbe Beschlußvorlage finden. Der Finanzminister wertet dies als Garantieerklärung für die Interessen der Kommunen:
Georg Milbradt: "Das heißt, sie haben also eine Sperrminorität und damit ist sichergestellt, dass der kommunale Aspekt, der ja auch wichtig ist, in dieser Konstruktion nicht zu kurz kommt."
Den Anwalt aus der Bürgerinitiative irritiert dies jedoch nicht. Er sieht die kommunale Sparkasse künftig am kürzeren Hebel, wenn nicht gar am Ende:
Paul Bischof: "Der Finanzminister hat doch einen gewissen Einfluß auf die Gewährsträger, das sind die Landkreise und sind die Städte. Und er kann Mittel zuteilen. Mittel, die die Kommunen brauchen. Da gibt es Mittel, die er vom Gesetz her zuteilen muss, Pflichtaufgaben, und er kann Mittel zuteilen an die einzelnen Kommunen, nach einem gewissen Gutdünken. Und da wird er nach dem Frau-Holle-Prinzip die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen sich entscheiden. Das ist doch ganz klar. Und damit wird natürlich auch ein gewisser Druck ausgeübt. Und dann gibt es keine Freiwilligkeit."
Mit dem exakten Inhalt der Märchen nimmt's der Anwalt aus der Bürgerinitiative dabei nicht so genau. Aber auch was den von ihm erwähnten Druck von oben nach unten angeht stellt sich beim Kampf um die Zukunft der Sparkasse zur Zeit einiges anders dar.
Wenn die Sparkassen nämlich tatsächlich in einen landesweiten Holding-Verbund integriert werden, dann sind in besondere Weise die Sparkassenvorstände davon betroffen. Sie konnten bisher relativ unumschränkt herrschen. In dem größeren Verbund stehen dann aber nicht nur die Leichtmetallfelgen an ihren Dienstwagen zur Disposition, sondern die Limousinen als ganzes, wie das Düsseldorfer Handelsblatt es einmal beschrieb.
Vor diesem Hintergrund sind einige Vorkommnisse rund um die stets von ihrem Sprecher als unabhängig bezeichnete Bürgerinitiative für den Volksentscheid bemerkenswert, und diese Merkwürdigkeiten beginnen schon bei ihrer Gründung. Die Idee dazu entstammt einem Maßnahmeplan, den der Vorstand der Sparkasse Delitzsch-Eilenburg allen anderen Sparkassenvorständen mit Datum vom 27. August 1998 schriftlich antrug. Darin steht als Extrapunkt: "Durchführung eines Volksantrages/Volksbegehrens zur Herbeiführung eines Volksentscheides, die Errichtung der Holding oder individuell im Geschäftsgebiet die Einbringung der Sparkasse in die Holding zu verhindern" Auch dass ein Angestellter des Vorstandes der Sparkasse Torgau-Oschatz als Presseverantwortlicher für die Bürgerinitiative fungiert, nach eigenen Angaben ausschließlich in seiner Freizeit, gehört dazu. Außerdem musste der Personalrat der Leipziger Sparkasse zurücktreten, nachdem er in seiner Betriebszeitung die Azubis als illoyal beschimpft hatte, weil sie in ihrer Freizeit keine oder zu wenig Unterschriften gegen den Sachsen-Finanzverband sammeln würden. Nach einer Demonstration von Sparkassenmitarbeitern am Rande eines CDU-Landesparteitages schaltete sich Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in die Debatte ein mit einem Vokabular, dessen er sich sonst gewöhnlich nicht bedient:
Kurt Biedenkopf: "Ich hab gedacht, jetzt ist es Schluss. Es haben ja auch Vorstände mit demonstriert. Ich finde das ein bißchen grotesk, wenn Leute, die zwischen 200.000 und 300.000 Mark im Jahr verdienen dann, weil sie Sorge haben, dass sich ihre Position verändert, die ganze Welt meschugge machen. Und was ich im Tod nicht leiden kann ist, dass man den Menschen Angst macht um ihren Arbeitsplatz und diese Angst dann politisch einsetzt."
Inzwischen läuft die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren zum Rückgängigmachen des Finanzverbundes auf Hochtouren. Am Dienstag dieser Woche waren es - Zufall oder nicht - ausschließlich Sparkassenmitarbeiter die vormittags vor ihrer Dresdner Sparkassenfiliale teilweise gekennzeichnet mit Namensschildern der unabhängigen Bürgerinitiative Unterschriften sammelten - in ihrer Freizeit, wie sie alle angaben. Mit den Unterschriftenlisten auf Klemmbrettern sprachen sie Kunden vor oder nach dem Besuch der Filiale an: .
"Darf ich Sie mal kurz stören: Wir sammeln hier Unterschriften für die Bürgerinitiative ProKommunale Sparkasse und zwar ist das für den Erhalt der einzelnen regionalen Sparkassen in Sachsen. Man will in Sachsen die Sparkassen zu einer großen Bank vereinigen. Geburtsdatum bitte...
Im Interview erklärten die Kunden nach ihrer Unterschrift:
"Die Frau hat mich lediglich aufgeklärt, das zu unterschreiben ... also hier irgendwie meine Zustimmung dazu zu geben, dass alles so bleibt, wie es ist. - Sie haben unterschrieben, warum? - Weil ich hier wohne und ich bin von Anfang an, seit das rekonstruiert worden ist, ... ich bin von Anfang an, ich bin 70 Jahre, hier für die Sparkasse gewesen und die sind alle so freundlich und so nett und dann ist es auch die Nähe. - Und warum haben Sie jetzt unterschrieben? Was befürchten Sie denn, was anders wird?- Na das die nicht schließen hier. - Weil es natürlich auf der einen Seite klar um die Arbeitsplätze geht und auf der anderen Seite ist es für die Bürger auch praktischer, wenn kleine Filialen in ihrer Nähe sind, als wenn nur große Filialen sind, die weit zu erlaufen sind oder weit weg sind. -Haben Sie gewusst, dass Sie gerade einen Gesetzesantrag unterschrieben haben, dass ein Gesetz verabschiedet wird? - Aha, gut so genau nicht, aber ist doch gut, wenn es Konsequenzen gibt, oder? - Haben Sie den Gesetzantrag mal gelesen? - Das nicht, ich gehe davon aus, dass er mir die Wahrheit gesagt hat.
Doch zum Thema "Erhalt der Sparkassen" gab selbst der Sprecher der Bürgerinitiative, Rechtsanwalt Bischof zu: 16.
Paul Bischof: : "Wir kämpfen nicht um den Erhalt jeder einzelnen Sparkasse in Sachsen oder Deutschland. Es ist nichts zu sagen, wenn sinnvolle Fusionen kommen."
Die Kampagne läuft, wohin der Weg der Sparkassen künftig führt, ist offen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband lehnte eine Stellungnahme zu den Vorhaben in Sachsen ab. Begründung: hier laufe ein politischer Streit. Wenn es wieder rein um die Sparkassenstruktur gehe, werden der Verband sich wieder äußern. In der Tat nutzen die Landtagsfraktionen fast jede Plenarsitzung, um sich an diesem Thema zu profilieren, Aktionstage zum Sparkassenstreit im Lande sind probates Mittel der Öffentlichkeitsarbeit geworden.
Gut möglich also, dass Ende Mai die erforderlichen 450.000 Unterschriften für den Volksentscheid zusammenkommen und dann das Wahlvolk an die Urnen muss. Inzwischen ist neben den 6 kommunalen Gewährträgern auch der Vorstand der größten sächsischen Sparkasse aus Leipzig für einen Beitritt zur Holding. Sollte der Volksentscheid gegen die neue Konstruktion ausfallen, müsste der dann vielleicht schon erfolgte freiwillige Zusammenschluss wieder aufgelöst werden. Dann würde es auch für die Sächsische Landesbank schwer. Sachsen hat als einziges ostdeutsches Land sich nicht einer Landesbank eines westdeutschen Landes angeschlossen, sondern hat eine eigene Landesbank gegründet. Sie wirtschaftet zwar derzeit mit steigendem Gewinn, doch auch sie braucht langfristig einen starken Partner oder eben eine Verbundlösung. Der sächsische Finanzminister baut auf die eigenständige Landesbank, mit deren Hilfe er zum Beispiel den Verkauf der GUS-Liegenschaften abgewickelt hat: 17.
Georg Milbradt: "Wir möchten auch die Landesbank in dieses Konzept mit einbeziehen um eine sächsische Lösung zu bekommen, da ja die andere Alternative wäre, dass sich unsere Landesbank als einzige Ostdeutsche sich mit Westdeutschen zusammenschließen müßte und die anderen ostdeutschen Länder haben sich ja dort überhaupt nicht beteiligt. Die sächsischen Sparkassen haben ein eigenes Institut, was sicherlich besser auf die sächsischen und die ostdeutschen Probleme reagieren kann als zum Beispiel eine hessische Landesbank oder eine NordLB, ich höre dort von den Sparkassen immer wieder, dass sie ein wenig neidisch nach Sachsen schauen, weil eben der spezielle Ansprechpartner mit Ostkenntnis dort nicht vorhanden ist."
Die Besonderheiten des Sparkassenwesens und allgemein der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland stehen in der Diskussion. Dass die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof darüber verhandeln, ob die kommunale Gewährträgerschaft, also die besseren Kreditvergabebedingungen für die deutschen Sparkassen wettbewerbswidrig sind, und Privatbanken auf Abschaffung der Gewährsträgerschaft klagen, das erhöht den Handlungsdruck auf die Sparkassen und Landesbanken. Denn wenn die europäische Entscheidung zuungunsten des deutschen Sparkassensystems ausfällt, wird der Wettbewerb noch härter. Eine klare Linie bei den Sparkassen über deren Zukunftsweg ist noch nicht zu erkennen.
In Baden-Württemberg wählten die Institute die totale Fusion. Die Südwest-LB, die Landesgirokasse das ist quasi die Stadtsparkasse Stuttgart und die Landeskreditbank schlossen sich zur neuen Landesbank Baden-Württemberg zusammen. In Frankfurt dagegen beschreitet die Stadtsparkasse den Börsenweg. Die drittgrößte deutsche Sparkasse soll noch in diesem Jahr in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden und Vorstandssprecher Klaus Wächter tritt dafür ein, dass die Kasse sogar auf mittlere Sicht an die Börse zu bringen sei. Das sächsische Modell eines Finanzverbundes der Sparkassen und Landesbank ist ein weiteres Modell. Auch das läßt sich nicht ohne weiteres auf andere Regionen übertragen, weil die Strukturen vor allem der Landesbanken regional sehr unterschiedlich sind. In Sachsen gab der Finanzminister für die Umstrukturierungsphase nach dem Gründen des Finanzverbundes eine dreijährige Bestandsgarantie für Filialen und Arbeitsplätze. Sein Slogan: "Kein ,S' wird abgeschraubt". Genau das fordern auch die Gegner seines Modells: "Herr Minister, schrauben sie kein rotes ,S' ab". Welcher Weg zum Erhalt des Sparkassenzeichens letztlich führt, das muss die Praxis noch zeigen.