Gut ein Jahr ist es her, dass die Gesundheitsreform der Großen Koalition das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat. Seit dem 1. April 2007 sind wesentliche Teile in Kraft. So sperrig der Name: "Wettbewerbsstärkungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung" so reibungslos scheint die Reform zumindest bisher zu funktionieren. Allerdings ist ein wesentliches Element des Projekts noch gar nicht umgesetzt worden. Denn erst vom 1. Januar 2009 an soll der so genannte Gesundheitsfonds die Finanzströme im System der gesetzlichen Krankenversicherung lenken.
Aus Sicht der Koalition ist dieser Gesundheitsfonds das Herzstück der gesamten Reform. Angela Merkel, die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende, ist die wichtigste Verfechterin der Fonds-Idee:
"Insgesamt ist dies ein guter Weg, wie ich finde, um völlig neue qualitative Ansätze in der Finanzierung des Gesundheitssystems und auch in der Wettbewerbsfähigkeit unseres Gesundheitssystems aufzuzeigen. Ich glaube, uns ist hier ein guter Schritt gelungen."
Neben der Kanzlerin machte - und macht - sich auf der Seite der SPD vor allem Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt für den Fonds stark:
"Der Fonds sorgt dafür, dass wir die Unterschiede zwischen Ost und West, zwischen Stadt und Land endlich aufheben können und eine gesamtdeutsche solidarische Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Weg bringen können. Der Fonds führt zu mehr Wettbewerb, und ich sag das noch mal: Die Bundesregierung und auch die Koalitionsfraktionen haben überhaupt keinen Grund dem Geschrei der Lobbyisten in dieser Frage nachzugeben."
Allerdings sind es nicht nur Lobbyisten, die sich gegen die Einführung eines Gesundheitsfonds wehren. Die Kritik gegen den Fonds reicht bis in die Koalitionsfraktionen hinein. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist überzeugt:
"Alles was mit dem Fonds einhergeht, hätte man auch ohne den Gesundheitsfonds machen können. Das heißt, es gibt eigentlich nichts, was wir jetzt mit dem Fonds einführen, was man ohne ihn nicht auch mindestens genauso gut hätte machen können. Er hat eigentlich nur Nachteile."
Auch in der Opposition herrscht große Einigkeit darüber, dass der Gesundheitsfonds gänzlich ungeeignet ist, die gewaltigen Geldströme im System der gesetzlichen Krankenversicherung - es geht um etwa 150 Milliarden Euro im Jahr - besser und effizienter zu verteilen, als das bislang der Fall ist. So sagt etwa Daniel Bahr von der FDP:
"Der Gesundheitsfonds ist nichts anderes als eine gigantische Geldumverteilungsbehörde. Es wird dazu führen, dass wir den Weg ebnen in ein staatliches, zentralistisches Gesundheitswesen."
Fortschritt oder Rückschritt; was ist der Gesundheitsfonds nun wirklich? - Dafür ist es wichtig, zu zeigen, wie dieses neue Instrument funktionieren soll:
Der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung wird von Januar 2009 an nicht mehr wie bisher von den einzelnen Krankenkassen festgelegt, sondern von der Politik in Form eines Einheitssatzes bestimmt. Das heißt, alle Kassen erheben dann den gleichen Beitragssatz, der vermutlich höher sein wird als der aktuelle, durchschnittliche Satz. Dessen exakte Höhe hängt auch künftig vom Einkommen des Versicherten ab. Die Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 3.600 Euro im Monat bleibt ebenso erhalten wie die kostenfreie Familienmitversicherung und der knapp einprozentige Sonderbeitrag, den allein Arbeitnehmer und Rentner aufbringen müssen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, respektive Rentner und Rentenversicherer, führen ihren Krankenversicherungsbeitrag weiterhin an die zuständige Krankenkasse ab. Diese aber leitet das Geld künftig direkt an den Gesundheitsfonds weiter. Zusätzlich wird der Fonds aus Steuergeldern im einstelligen Milliardenbereich gespeist.
Das im Gesundheitsfonds gesammelte Geld wird an die Krankenkassen verteilt, für jedes Mitglied erhalten sie einen monatlichen Pauschalbeitrag. Kassen mit besonders vielen alten und kranken Mitgliedern bekommen zusätzliche Mittel aus einem kasseninternen Finanzausgleich. Für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist das eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen System:
"Über den Gesundheitsfonds wird das Geld der Versicherten gerechter verteilt. Alle erhalten die gleichen Leistungen, alle zahlen den gleichen Beitragssatz in den Fonds ein, und dann wird das Geld so verteilt, dass da, wo viele ältere Menschen sind, wo viele Kranke sind, mehr Geld hin fließt als da, wo viele junge und gesunde Menschen sind."
Wo aber findet künftig der Wettbewerb der Krankenkassen untereinander statt? Die Antwort der Koalition lautet: In erster Linie über den sogenannten Zusatzbeitrag. Denn Kassen, die mit den Zuweisungen aus dem Fonds nicht auskommen, können von ihren Mitgliedern einen - allerdings begrenzten - Zusatzbeitrag verlangen. Krankenkassen, die dagegen Überschüsse erwirtschaften, können einen Teil der Beitragsgelder in Form eines Bonus an ihre Versicherten zurückzahlen, oder aber zusätzliche Leistungen anbieten.
Diese Kassenkonkurrenz werde sich vor allem für die Patienten auszahlen, erwartet Annette Widmann-Mauz von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
"Auf der anderen Seite bieten die Kassen individuelle Zusatzbeiträge oder Bonus, der ja auch ausgezahlt werden kann an die Versicherten, auch die Möglichkeit, dass die Versicherten erkennen, ob die Leistung der Kasse ihren Preis auch Wert ist. Und wir schaffen damit die Voraussetzung, dass die Kassen sich auch anstrengen schlanke Verwaltungsstrukturen auf den Weg zu bringen und ein gutes Versorgungsmanagement anzubieten."
Diese Form des Wettbewerbs werde nicht funktionieren, sagen dagegen die zahlreichen Kritiker des Fonds-Modells. Das Instrument des Zusatzbeitrags werde jedenfalls nicht zu einem Wettbewerb führen, von dem die Versicherten tatsächlich profitieren, prophezeit SPD-Mann Karl Lauterbach:
"Wir haben ja einen gut funktionierenden Wettbewerb um die Beitragssätze. Die Versicherten wechseln ständig die Kasse, wenn der Beitragssatz sich verändert. Noch vor wenigen Jahren haben wir ein Gesetz gemacht, was diesen Wechsel erschwert. Kassenwechsel gehören ja zu den wenigen Dingen, die in unserem System funktionieren. Da bringt der Zusatzbeitrag keinen Vorteil. Und ich glaube auch nicht, dass sich so viele Kassen den Zusatzbeitrag leisten werden. Die meisten werden versuchen, mit dem Einheitssatz hinzukommen."
Falls ihnen das nicht gelingt, würden sie notfalls Leistungen auf Kosten der Versicherten abbauen - statt über die Erhebung eines Zusatzbeitrags Gefahr zu laufen, Mitglieder zu verlieren. Diese Befürchtung wird von vielen Experten geteilt: Entgegen den Bekundungen der Koalition würden gerade die sozial Schwächeren – Alte, Arme und Schwerkranke - die Verlierer der Reform sein.
Ebenfalls massive Kritik am Fonds äußern die ausdrücklichen Befürworter einer Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen. So urteilt etwa der Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan:
"Ökonomisch ist das eine Missgeburt, denn es hilft weder, das Gesundheitssystem nachhaltiger zu machen, noch hilft es, den Wettbewerb zu stärken."
Auch die Arbeitgeber halten wenig davon, wie über den Fonds Wettbewerb organisiert werden soll. Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber:
"Der Gesundheitsfonds löst keines der Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir bekommen weder eine wirtschaftliche Verwendung der Beitragsmittel, noch die immer geforderte Abkopplung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis."
Die meisten Akteure im Gesundheitswesen sind überzeugt, dass die Fonds-Idee wenig zum Wohl der Patienten beitragen werde. Ann Hörath vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen:
"Die Versorgung wird nicht verbessert, sondern eher verkompliziert. Wir haben einen aufgesetzten bürokratischen Überbau, der aber die Versorgung auf keinen Fall positiv beeinflusst. Deshalb sind wir dagegen. Wir sehen keinen wirklichen Nutzen für die Versicherten im Gesundheitsfonds."
Einig sind sich die allermeisten Beobachter darin, dass der auch in der Koalition selbst lange Zeit umstrittene Gesundheitsfonds kaum mehr ist als der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Union und SPD: Auf den Fonds musste man sich verständigen, um überhaupt zu einer Gesundheitsreform zu kommen. Mehr noch: Aus Sicht der Koalitionäre bietet das Fonds-Modell einen weiteren Vorteil, der jedoch mit der Sache selbst nur indirekt zu tun hat:
"Ursprünglich war die Idee in der Koalition, dass der Fonds die Eier legende Wollmilchsau ist, die es schafft aus den unterschiedlichen Konzepten der Bürgerversicherung á la Rot-Grün und auf der andere Seite, wie die Union es wollte, einer Kopfprämie einen Kompromiss zu finden, wo man glaubte, dass man aus dem Fonds nachher noch in beide Richtungen könnte."
Gibt FDP-Mann Daniel Bahr eine weit verbreitete Ansicht wider über den tatsächlichen Sinn des Fonds-Modells.
Jenseits allen taktischen Nutzens für die Koalition birgt die praktische Umsetzung des Gesundheitsfonds noch eine Reihe weiterer Probleme, auf die gegenwärtig vor allem die Fonds-Skeptiker in den Unionsparteien hinweisen - wohl nicht zuletzt in dem Bestreben, das ganze Vorhaben noch zu Fall zu bringen:
Im Mittelpunkt der Kritik steht zurzeit die so genannte Konvergenzklausel. Sie soll verhindern, dass die Krankenkassen aus reichen Ländern, wie zum Beispiel Bayern und Baden-Württemberg, im Rahmen der Umverteilung durch den Gesundheitsfonds, zu viel Geld an die ärmeren Bundesländer überweisen müssen. Denn mit dem Fonds soll ein stärkerer Finanzausgleich zwischen Kassen mit vielen kostenintensiven Kranken und denen mit einer günstigen Versichertenstruktur eingeführt werden. Da diese Risiken auch regional ungleich verteilt sind, fürchtete vor allem die CSU, dass aus Bayern zu viel Geld in andere Bundesländer abfließen könnte und drängte in den Verhandlungen zur Gesundheitsreform darauf, diese Zahlungen zu beschränken. Nur unter dieser Bedingung war die CSU dazu bereit, der ganzen Reform überhaupt zuzustimmen. Das Ergebnis: die Ausgleichszahlungen der Krankenkassen in den Fonds sind auf 100 Millionen Euro pro Jahr beschränkt.
Ein Expertenteam hat für die Bundesregierung die Folgen des geplanten Kassenfinanzausgleichs im Gesundheitsfonds berechnet und sich vor allem mit der Konvergenzklausel befasst. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem ist einer von ihnen. Er stellt dieser Idee kein gutes Zeugnis aus.
"Aus ökonomischer Sicht halte ich die Regelung für problematisch, weil sie bestraft diejenigen, die in der Vergangenheit sparsam waren und deshalb niedrige Ausgaben haben und begünstigt die, die in der Vergangenheit nicht so sparsam waren und hohe Ausgaben haben."
Bei Spitzenpolitikern der CSU kam die Kritik nicht gut an. Peter Ramsauer, CSU-Landesgruppenchef:
"Wir müssen uns ganz genau anschauen, welche Geldumverteilungen sich zwischen den einzelnen Ländern ergeben. Es darf aus unserer Sicht keinen Mittelabfluss aus Ländern wie Baden-Württemberg und Bayern über die eng gesetzten Grenzen hinaus geben."
Die Gutachter kritisieren, die Klausel widerspreche dem bundesstaatlichen Solidarsystem und sei langfristig kaum zu bewerkstelligen. Bayern und Baden-Württemberg würden von der Klausel profitieren. Zahlen müssten das dann die Versicherten in Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen, die im Gegenzug auf Mittel aus dem Fonds verzichten müssten. Und so kündigten die CDU-geführten Landesregierungen von Sachsen und Thüringen an, den Gesundheitsfonds im Bundesrat zu Fall bringen zu wollen. Damit gibt es nun auch einen unionsinternen Streit auf Länderebene. Die Opposition sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. Daniel Bahr:
"Das war von Anfang an absehbar, dass die Konvergenzklausel, so nicht funktioniert."
Auch Fonds-Kritiker Lauterbach hält nicht viel von der Konvergenzklausel:
"Die Konvergenzklausel war von Anfang an unsinnig. Das ist ja so eine Lex Bayern wenn man so will. Nach dem Motto: Der unsinnige Fonds darf kommen, wenn Bayern nicht zu stark belastet wird dadurch."
Ann Hörath vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen macht auf ein praktisches Problem der Umsetzung aufmerksam:
"Unsere Kassen müssen jetzt genau gucken, in welchem Bundesland sind sie angesiedelt, haben sie Versicherte. Danach müssen sie jetzt gucken. Dieses Bundesland, ist das betroffen von der Konvergenzklausel und in welcher Form. Was das schlussendlich für die Finanzströme heißt, können wir leider noch nicht sagen, weil gerade im Jahre 2008 kommen noch viel, viel mehr Größen hinzu. Ich erinnere an die Reform der ambulanten ärztlichen Versorgung, Arzneimittelkosten sind immer noch nicht kalkulierbar. Und der Morbi-RSA muss noch kommen, also die Reform des Finanzausgleichs zwischen den Kassen. Erst wenn solche Größen feststehen kann man wirklich eine Schlussrechnung aufmachen, was heißt das konkret für die einzelne Kasse."
Und genau diese Punkte sind es, die der Koalition bei der praktischen Umsetzung des Gesundheitsfonds weitere Probleme bereiten. Zum Beispiel der Morbi-RSA – also der: morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Parallel zur Einführung des Gesundheitsfonds und eines stärkeren Finanzausgleichs zwischen den Kassen sollen ab 2009 ärztliche Leistungen stärker nach dem Gesundheitszustand der Patienten bezahlt werden.
Die geltende Regelung wurde 1995 vom damaligen CSU-Gesundheitsminister Horst Seehofer eingeführt, um für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Ziel war es, die Ausgabenunterschiede zwischen den Kassen auszugleichen, die sich aus dem Alter und dem Geschlecht der Versicherten und der unterschiedlichen Zahl kostenfrei mitversicherter Familienmitglieder ergeben. Die unterschiedliche Finanzkraft der Kassen wird aber nur zu 95 Prozent ausgeglichen. Ab dem Jahr 2009 soll ein Ausgleich zu 100 Prozent stattfinden. Jede Krankenkasse erhält dann aus dem Gesundheitsfonds eine nach Alter und Geschlecht der Versicherten gestaffelte Pauschale und Zuschläge aus dem neuen morbiditätsorientierten Ausgleich – dem Morbi-RSA. Dieser wird vom Bundesversicherungsamt mit seinem wissenschaftlichen Beirat entwickelt. Ende März trat dieser Rat wegen inhaltlicher Differenzen mit dem Bundesamt zurück. Schon sehen Kritiker den Zeitplan in Gefahr. Denn ohne die neuen Regeln für einen Risikostrukturausgleich kann der Fonds nicht eingeführt werden. Für Peter Ramsauer ist klar:
"Wir wollen ganz genau wissen, wie sich der Ausgleich bei den Krankheitsrisiken ganz konkret auswirkt. Es handelt sich ja immerhin um ein Geldvolumen von 15 Milliarden Euro. Wir haben klare Bedingungen genannt, die erfüllt werden müssen, wenn sie nicht erfüllt sind, dann tritt das so auch nicht in Kraft."
Ein weiterer Knackpunkt aus bayrischer Sicht ist die geplante Honorarreform für Ärzte. Bei den Honoraren der Ärzte soll es eine Angleichung zwischen den Regionen geben – die CSU, die im Herbst Landtagswahlen zu bestehen hat, will die höheren Honorare der bayerischen Ärzte schützen, stellte der bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein schon zu Beginn des Jahres klar.
"Das sind berechtigte Anliegen bayerischer Ärzte, Hausärzte und Fachärzte, dass sie durch die in Zukunft einheitlichen Gebührensätze, die nicht mehr nach Punktewert, sondern nach Cent und Euro gehen, dass sie da nicht schlechter gestellt werden als heute, denn wir haben heute eine höhere Honorierung als in manchen anderen Ländern, und da muss aufgepasst werden, das muss in den nächsten Wochen und Monaten vor Einführung des Fonds alles noch gemacht werden, da sind bayerische Interessen und CSU-Interessen identisch, und das wird miteinander abgestimmt."
In einer anderen zentralen Frage will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt den Bundesländern bereits entgegenkommen. Ab 2009 sollen die Länder nicht mehr dafür haften, wenn eine Krankenkasse Insolvenz anmelden muss. Die finanziellen Schäden durch eine Pleite müssen dann allerdings von den Beitragszahlern geschultert werden. Die Vorschläge für ein neues Insolvenzrecht, eine wichtige Voraussetzung für den Fonds, sollen demnächst präsentiert werden.
Die Empfehlungen der Regierung für ein neues Insolvenzrecht enthalten vermutlich auch eine Lösung für die angehäuften Schulden der Kassen, die sich auf acht bis zwölf Milliarden Euro summieren. Grund für diese Verbindlichkeiten ist, dass die Kassen für Mitarbeiter in beamtenähnlichen Verhältnissen keine Rücklagen für deren Pensionen gebildet haben, was vor allem die Allgemeinen Ortskrankenkassen betrifft. Für diese Verpflichtungen soll eine Haftungskaskade eingeführt werden:
Zunächst muss dabei die Kasse selbst nach Lösungen suchen, um die künftigen Ansprüche zu decken. Reicht dies nicht aus, müssen die Schwesterkassen einspringen. Die AOKen oder Ersatzkassen müssten sich dann jeweils untereinander finanziell unterstützen. Nur wenn dies noch immer nicht ausreicht, sollen den Plänen zufolge alle Kassen und damit der Fonds aufkommen. Für die Verpflichtungen neuer Mitarbeiter sollen die Kassen in Zukunft in den Pensionssicherungsfonds der Wirtschaft einzahlen.
Doch der CSU-Politiker Ramsauer und seine Partei sind noch nicht überzeugt:
"Wir sind es der Gesundheitsreform und letztlich allen Betroffenen schuldig, dass wir ganz genau prüfen, wie die Gesundheitsreform umgesetzt wird. Und wenn die Bedingungen, die wir gesetzt haben, nicht erfüllt werden können, müssen wir natürlich das Inkrafttreten am ersten Januar in Frage stellen."
Tatsächlich können die Länder den Fonds wohl nicht durch eine Blockade der weiteren Umsetzung kippen. Zwar muss der Bundesrat geplanten Verordnungen zur strittigen Begrenzungsklausel sowie zum neuen Finanzausgleich zwischen den Kassen zustimmen. Aber selbst bei einem Scheitern dieser Aspekte würde der bereits beschlossene Gesundheitsfonds kommen, heißt es aus Regierungskreisen.
Dennoch: Die große Schar der Kritiker des Gesundheitsfonds hat angesichts der geschilderten Probleme die Hoffnung, dass die Fonds-Idee von der Koalition doch noch gekippt wird. Noch einmal der Liberale Daniel Bahr:
"Ich merke, dass keiner mehr wirklich hinter dem Fonds steht und keiner mehr ihn verteidigen will, sondern im Moment eine Abwehrschlacht stattfindet, wo die Verantwortung für diese verkorkste Reform insgesamt gegenseitig zugeschoben wird. Keiner sagt mehr, dass er wirklich dafür ist. Nur noch die Gesundheitsministerin und die Bundeskanzlerin sind von Amtswegen dafür."
Sozialdemokrat Karl Lauterbach hat bei seiner Aufforderung, die Finger vom Gesundheitsfonds zu lassen, weniger seine Parteifreundin Ulla Schmidt vor Augen als viel mehr Regierungschefin Angela Merkel:
"Ich appelliere, und ich appelliere hier insbesondere an die Bundeskanzlerin. Also sie würde staatsmännisch handeln, wenn sie sagen würde: Also, das stoppen wir jetzt erst mal."
Aus Sicht der Koalition ist dieser Gesundheitsfonds das Herzstück der gesamten Reform. Angela Merkel, die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende, ist die wichtigste Verfechterin der Fonds-Idee:
"Insgesamt ist dies ein guter Weg, wie ich finde, um völlig neue qualitative Ansätze in der Finanzierung des Gesundheitssystems und auch in der Wettbewerbsfähigkeit unseres Gesundheitssystems aufzuzeigen. Ich glaube, uns ist hier ein guter Schritt gelungen."
Neben der Kanzlerin machte - und macht - sich auf der Seite der SPD vor allem Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt für den Fonds stark:
"Der Fonds sorgt dafür, dass wir die Unterschiede zwischen Ost und West, zwischen Stadt und Land endlich aufheben können und eine gesamtdeutsche solidarische Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Weg bringen können. Der Fonds führt zu mehr Wettbewerb, und ich sag das noch mal: Die Bundesregierung und auch die Koalitionsfraktionen haben überhaupt keinen Grund dem Geschrei der Lobbyisten in dieser Frage nachzugeben."
Allerdings sind es nicht nur Lobbyisten, die sich gegen die Einführung eines Gesundheitsfonds wehren. Die Kritik gegen den Fonds reicht bis in die Koalitionsfraktionen hinein. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist überzeugt:
"Alles was mit dem Fonds einhergeht, hätte man auch ohne den Gesundheitsfonds machen können. Das heißt, es gibt eigentlich nichts, was wir jetzt mit dem Fonds einführen, was man ohne ihn nicht auch mindestens genauso gut hätte machen können. Er hat eigentlich nur Nachteile."
Auch in der Opposition herrscht große Einigkeit darüber, dass der Gesundheitsfonds gänzlich ungeeignet ist, die gewaltigen Geldströme im System der gesetzlichen Krankenversicherung - es geht um etwa 150 Milliarden Euro im Jahr - besser und effizienter zu verteilen, als das bislang der Fall ist. So sagt etwa Daniel Bahr von der FDP:
"Der Gesundheitsfonds ist nichts anderes als eine gigantische Geldumverteilungsbehörde. Es wird dazu führen, dass wir den Weg ebnen in ein staatliches, zentralistisches Gesundheitswesen."
Fortschritt oder Rückschritt; was ist der Gesundheitsfonds nun wirklich? - Dafür ist es wichtig, zu zeigen, wie dieses neue Instrument funktionieren soll:
Der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung wird von Januar 2009 an nicht mehr wie bisher von den einzelnen Krankenkassen festgelegt, sondern von der Politik in Form eines Einheitssatzes bestimmt. Das heißt, alle Kassen erheben dann den gleichen Beitragssatz, der vermutlich höher sein wird als der aktuelle, durchschnittliche Satz. Dessen exakte Höhe hängt auch künftig vom Einkommen des Versicherten ab. Die Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 3.600 Euro im Monat bleibt ebenso erhalten wie die kostenfreie Familienmitversicherung und der knapp einprozentige Sonderbeitrag, den allein Arbeitnehmer und Rentner aufbringen müssen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, respektive Rentner und Rentenversicherer, führen ihren Krankenversicherungsbeitrag weiterhin an die zuständige Krankenkasse ab. Diese aber leitet das Geld künftig direkt an den Gesundheitsfonds weiter. Zusätzlich wird der Fonds aus Steuergeldern im einstelligen Milliardenbereich gespeist.
Das im Gesundheitsfonds gesammelte Geld wird an die Krankenkassen verteilt, für jedes Mitglied erhalten sie einen monatlichen Pauschalbeitrag. Kassen mit besonders vielen alten und kranken Mitgliedern bekommen zusätzliche Mittel aus einem kasseninternen Finanzausgleich. Für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist das eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen System:
"Über den Gesundheitsfonds wird das Geld der Versicherten gerechter verteilt. Alle erhalten die gleichen Leistungen, alle zahlen den gleichen Beitragssatz in den Fonds ein, und dann wird das Geld so verteilt, dass da, wo viele ältere Menschen sind, wo viele Kranke sind, mehr Geld hin fließt als da, wo viele junge und gesunde Menschen sind."
Wo aber findet künftig der Wettbewerb der Krankenkassen untereinander statt? Die Antwort der Koalition lautet: In erster Linie über den sogenannten Zusatzbeitrag. Denn Kassen, die mit den Zuweisungen aus dem Fonds nicht auskommen, können von ihren Mitgliedern einen - allerdings begrenzten - Zusatzbeitrag verlangen. Krankenkassen, die dagegen Überschüsse erwirtschaften, können einen Teil der Beitragsgelder in Form eines Bonus an ihre Versicherten zurückzahlen, oder aber zusätzliche Leistungen anbieten.
Diese Kassenkonkurrenz werde sich vor allem für die Patienten auszahlen, erwartet Annette Widmann-Mauz von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
"Auf der anderen Seite bieten die Kassen individuelle Zusatzbeiträge oder Bonus, der ja auch ausgezahlt werden kann an die Versicherten, auch die Möglichkeit, dass die Versicherten erkennen, ob die Leistung der Kasse ihren Preis auch Wert ist. Und wir schaffen damit die Voraussetzung, dass die Kassen sich auch anstrengen schlanke Verwaltungsstrukturen auf den Weg zu bringen und ein gutes Versorgungsmanagement anzubieten."
Diese Form des Wettbewerbs werde nicht funktionieren, sagen dagegen die zahlreichen Kritiker des Fonds-Modells. Das Instrument des Zusatzbeitrags werde jedenfalls nicht zu einem Wettbewerb führen, von dem die Versicherten tatsächlich profitieren, prophezeit SPD-Mann Karl Lauterbach:
"Wir haben ja einen gut funktionierenden Wettbewerb um die Beitragssätze. Die Versicherten wechseln ständig die Kasse, wenn der Beitragssatz sich verändert. Noch vor wenigen Jahren haben wir ein Gesetz gemacht, was diesen Wechsel erschwert. Kassenwechsel gehören ja zu den wenigen Dingen, die in unserem System funktionieren. Da bringt der Zusatzbeitrag keinen Vorteil. Und ich glaube auch nicht, dass sich so viele Kassen den Zusatzbeitrag leisten werden. Die meisten werden versuchen, mit dem Einheitssatz hinzukommen."
Falls ihnen das nicht gelingt, würden sie notfalls Leistungen auf Kosten der Versicherten abbauen - statt über die Erhebung eines Zusatzbeitrags Gefahr zu laufen, Mitglieder zu verlieren. Diese Befürchtung wird von vielen Experten geteilt: Entgegen den Bekundungen der Koalition würden gerade die sozial Schwächeren – Alte, Arme und Schwerkranke - die Verlierer der Reform sein.
Ebenfalls massive Kritik am Fonds äußern die ausdrücklichen Befürworter einer Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen. So urteilt etwa der Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan:
"Ökonomisch ist das eine Missgeburt, denn es hilft weder, das Gesundheitssystem nachhaltiger zu machen, noch hilft es, den Wettbewerb zu stärken."
Auch die Arbeitgeber halten wenig davon, wie über den Fonds Wettbewerb organisiert werden soll. Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber:
"Der Gesundheitsfonds löst keines der Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir bekommen weder eine wirtschaftliche Verwendung der Beitragsmittel, noch die immer geforderte Abkopplung der Finanzierung vom Arbeitsverhältnis."
Die meisten Akteure im Gesundheitswesen sind überzeugt, dass die Fonds-Idee wenig zum Wohl der Patienten beitragen werde. Ann Hörath vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen:
"Die Versorgung wird nicht verbessert, sondern eher verkompliziert. Wir haben einen aufgesetzten bürokratischen Überbau, der aber die Versorgung auf keinen Fall positiv beeinflusst. Deshalb sind wir dagegen. Wir sehen keinen wirklichen Nutzen für die Versicherten im Gesundheitsfonds."
Einig sind sich die allermeisten Beobachter darin, dass der auch in der Koalition selbst lange Zeit umstrittene Gesundheitsfonds kaum mehr ist als der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Union und SPD: Auf den Fonds musste man sich verständigen, um überhaupt zu einer Gesundheitsreform zu kommen. Mehr noch: Aus Sicht der Koalitionäre bietet das Fonds-Modell einen weiteren Vorteil, der jedoch mit der Sache selbst nur indirekt zu tun hat:
"Ursprünglich war die Idee in der Koalition, dass der Fonds die Eier legende Wollmilchsau ist, die es schafft aus den unterschiedlichen Konzepten der Bürgerversicherung á la Rot-Grün und auf der andere Seite, wie die Union es wollte, einer Kopfprämie einen Kompromiss zu finden, wo man glaubte, dass man aus dem Fonds nachher noch in beide Richtungen könnte."
Gibt FDP-Mann Daniel Bahr eine weit verbreitete Ansicht wider über den tatsächlichen Sinn des Fonds-Modells.
Jenseits allen taktischen Nutzens für die Koalition birgt die praktische Umsetzung des Gesundheitsfonds noch eine Reihe weiterer Probleme, auf die gegenwärtig vor allem die Fonds-Skeptiker in den Unionsparteien hinweisen - wohl nicht zuletzt in dem Bestreben, das ganze Vorhaben noch zu Fall zu bringen:
Im Mittelpunkt der Kritik steht zurzeit die so genannte Konvergenzklausel. Sie soll verhindern, dass die Krankenkassen aus reichen Ländern, wie zum Beispiel Bayern und Baden-Württemberg, im Rahmen der Umverteilung durch den Gesundheitsfonds, zu viel Geld an die ärmeren Bundesländer überweisen müssen. Denn mit dem Fonds soll ein stärkerer Finanzausgleich zwischen Kassen mit vielen kostenintensiven Kranken und denen mit einer günstigen Versichertenstruktur eingeführt werden. Da diese Risiken auch regional ungleich verteilt sind, fürchtete vor allem die CSU, dass aus Bayern zu viel Geld in andere Bundesländer abfließen könnte und drängte in den Verhandlungen zur Gesundheitsreform darauf, diese Zahlungen zu beschränken. Nur unter dieser Bedingung war die CSU dazu bereit, der ganzen Reform überhaupt zuzustimmen. Das Ergebnis: die Ausgleichszahlungen der Krankenkassen in den Fonds sind auf 100 Millionen Euro pro Jahr beschränkt.
Ein Expertenteam hat für die Bundesregierung die Folgen des geplanten Kassenfinanzausgleichs im Gesundheitsfonds berechnet und sich vor allem mit der Konvergenzklausel befasst. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem ist einer von ihnen. Er stellt dieser Idee kein gutes Zeugnis aus.
"Aus ökonomischer Sicht halte ich die Regelung für problematisch, weil sie bestraft diejenigen, die in der Vergangenheit sparsam waren und deshalb niedrige Ausgaben haben und begünstigt die, die in der Vergangenheit nicht so sparsam waren und hohe Ausgaben haben."
Bei Spitzenpolitikern der CSU kam die Kritik nicht gut an. Peter Ramsauer, CSU-Landesgruppenchef:
"Wir müssen uns ganz genau anschauen, welche Geldumverteilungen sich zwischen den einzelnen Ländern ergeben. Es darf aus unserer Sicht keinen Mittelabfluss aus Ländern wie Baden-Württemberg und Bayern über die eng gesetzten Grenzen hinaus geben."
Die Gutachter kritisieren, die Klausel widerspreche dem bundesstaatlichen Solidarsystem und sei langfristig kaum zu bewerkstelligen. Bayern und Baden-Württemberg würden von der Klausel profitieren. Zahlen müssten das dann die Versicherten in Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen, die im Gegenzug auf Mittel aus dem Fonds verzichten müssten. Und so kündigten die CDU-geführten Landesregierungen von Sachsen und Thüringen an, den Gesundheitsfonds im Bundesrat zu Fall bringen zu wollen. Damit gibt es nun auch einen unionsinternen Streit auf Länderebene. Die Opposition sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. Daniel Bahr:
"Das war von Anfang an absehbar, dass die Konvergenzklausel, so nicht funktioniert."
Auch Fonds-Kritiker Lauterbach hält nicht viel von der Konvergenzklausel:
"Die Konvergenzklausel war von Anfang an unsinnig. Das ist ja so eine Lex Bayern wenn man so will. Nach dem Motto: Der unsinnige Fonds darf kommen, wenn Bayern nicht zu stark belastet wird dadurch."
Ann Hörath vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen macht auf ein praktisches Problem der Umsetzung aufmerksam:
"Unsere Kassen müssen jetzt genau gucken, in welchem Bundesland sind sie angesiedelt, haben sie Versicherte. Danach müssen sie jetzt gucken. Dieses Bundesland, ist das betroffen von der Konvergenzklausel und in welcher Form. Was das schlussendlich für die Finanzströme heißt, können wir leider noch nicht sagen, weil gerade im Jahre 2008 kommen noch viel, viel mehr Größen hinzu. Ich erinnere an die Reform der ambulanten ärztlichen Versorgung, Arzneimittelkosten sind immer noch nicht kalkulierbar. Und der Morbi-RSA muss noch kommen, also die Reform des Finanzausgleichs zwischen den Kassen. Erst wenn solche Größen feststehen kann man wirklich eine Schlussrechnung aufmachen, was heißt das konkret für die einzelne Kasse."
Und genau diese Punkte sind es, die der Koalition bei der praktischen Umsetzung des Gesundheitsfonds weitere Probleme bereiten. Zum Beispiel der Morbi-RSA – also der: morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Parallel zur Einführung des Gesundheitsfonds und eines stärkeren Finanzausgleichs zwischen den Kassen sollen ab 2009 ärztliche Leistungen stärker nach dem Gesundheitszustand der Patienten bezahlt werden.
Die geltende Regelung wurde 1995 vom damaligen CSU-Gesundheitsminister Horst Seehofer eingeführt, um für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Ziel war es, die Ausgabenunterschiede zwischen den Kassen auszugleichen, die sich aus dem Alter und dem Geschlecht der Versicherten und der unterschiedlichen Zahl kostenfrei mitversicherter Familienmitglieder ergeben. Die unterschiedliche Finanzkraft der Kassen wird aber nur zu 95 Prozent ausgeglichen. Ab dem Jahr 2009 soll ein Ausgleich zu 100 Prozent stattfinden. Jede Krankenkasse erhält dann aus dem Gesundheitsfonds eine nach Alter und Geschlecht der Versicherten gestaffelte Pauschale und Zuschläge aus dem neuen morbiditätsorientierten Ausgleich – dem Morbi-RSA. Dieser wird vom Bundesversicherungsamt mit seinem wissenschaftlichen Beirat entwickelt. Ende März trat dieser Rat wegen inhaltlicher Differenzen mit dem Bundesamt zurück. Schon sehen Kritiker den Zeitplan in Gefahr. Denn ohne die neuen Regeln für einen Risikostrukturausgleich kann der Fonds nicht eingeführt werden. Für Peter Ramsauer ist klar:
"Wir wollen ganz genau wissen, wie sich der Ausgleich bei den Krankheitsrisiken ganz konkret auswirkt. Es handelt sich ja immerhin um ein Geldvolumen von 15 Milliarden Euro. Wir haben klare Bedingungen genannt, die erfüllt werden müssen, wenn sie nicht erfüllt sind, dann tritt das so auch nicht in Kraft."
Ein weiterer Knackpunkt aus bayrischer Sicht ist die geplante Honorarreform für Ärzte. Bei den Honoraren der Ärzte soll es eine Angleichung zwischen den Regionen geben – die CSU, die im Herbst Landtagswahlen zu bestehen hat, will die höheren Honorare der bayerischen Ärzte schützen, stellte der bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein schon zu Beginn des Jahres klar.
"Das sind berechtigte Anliegen bayerischer Ärzte, Hausärzte und Fachärzte, dass sie durch die in Zukunft einheitlichen Gebührensätze, die nicht mehr nach Punktewert, sondern nach Cent und Euro gehen, dass sie da nicht schlechter gestellt werden als heute, denn wir haben heute eine höhere Honorierung als in manchen anderen Ländern, und da muss aufgepasst werden, das muss in den nächsten Wochen und Monaten vor Einführung des Fonds alles noch gemacht werden, da sind bayerische Interessen und CSU-Interessen identisch, und das wird miteinander abgestimmt."
In einer anderen zentralen Frage will Gesundheitsministerin Ulla Schmidt den Bundesländern bereits entgegenkommen. Ab 2009 sollen die Länder nicht mehr dafür haften, wenn eine Krankenkasse Insolvenz anmelden muss. Die finanziellen Schäden durch eine Pleite müssen dann allerdings von den Beitragszahlern geschultert werden. Die Vorschläge für ein neues Insolvenzrecht, eine wichtige Voraussetzung für den Fonds, sollen demnächst präsentiert werden.
Die Empfehlungen der Regierung für ein neues Insolvenzrecht enthalten vermutlich auch eine Lösung für die angehäuften Schulden der Kassen, die sich auf acht bis zwölf Milliarden Euro summieren. Grund für diese Verbindlichkeiten ist, dass die Kassen für Mitarbeiter in beamtenähnlichen Verhältnissen keine Rücklagen für deren Pensionen gebildet haben, was vor allem die Allgemeinen Ortskrankenkassen betrifft. Für diese Verpflichtungen soll eine Haftungskaskade eingeführt werden:
Zunächst muss dabei die Kasse selbst nach Lösungen suchen, um die künftigen Ansprüche zu decken. Reicht dies nicht aus, müssen die Schwesterkassen einspringen. Die AOKen oder Ersatzkassen müssten sich dann jeweils untereinander finanziell unterstützen. Nur wenn dies noch immer nicht ausreicht, sollen den Plänen zufolge alle Kassen und damit der Fonds aufkommen. Für die Verpflichtungen neuer Mitarbeiter sollen die Kassen in Zukunft in den Pensionssicherungsfonds der Wirtschaft einzahlen.
Doch der CSU-Politiker Ramsauer und seine Partei sind noch nicht überzeugt:
"Wir sind es der Gesundheitsreform und letztlich allen Betroffenen schuldig, dass wir ganz genau prüfen, wie die Gesundheitsreform umgesetzt wird. Und wenn die Bedingungen, die wir gesetzt haben, nicht erfüllt werden können, müssen wir natürlich das Inkrafttreten am ersten Januar in Frage stellen."
Tatsächlich können die Länder den Fonds wohl nicht durch eine Blockade der weiteren Umsetzung kippen. Zwar muss der Bundesrat geplanten Verordnungen zur strittigen Begrenzungsklausel sowie zum neuen Finanzausgleich zwischen den Kassen zustimmen. Aber selbst bei einem Scheitern dieser Aspekte würde der bereits beschlossene Gesundheitsfonds kommen, heißt es aus Regierungskreisen.
Dennoch: Die große Schar der Kritiker des Gesundheitsfonds hat angesichts der geschilderten Probleme die Hoffnung, dass die Fonds-Idee von der Koalition doch noch gekippt wird. Noch einmal der Liberale Daniel Bahr:
"Ich merke, dass keiner mehr wirklich hinter dem Fonds steht und keiner mehr ihn verteidigen will, sondern im Moment eine Abwehrschlacht stattfindet, wo die Verantwortung für diese verkorkste Reform insgesamt gegenseitig zugeschoben wird. Keiner sagt mehr, dass er wirklich dafür ist. Nur noch die Gesundheitsministerin und die Bundeskanzlerin sind von Amtswegen dafür."
Sozialdemokrat Karl Lauterbach hat bei seiner Aufforderung, die Finger vom Gesundheitsfonds zu lassen, weniger seine Parteifreundin Ulla Schmidt vor Augen als viel mehr Regierungschefin Angela Merkel:
"Ich appelliere, und ich appelliere hier insbesondere an die Bundeskanzlerin. Also sie würde staatsmännisch handeln, wenn sie sagen würde: Also, das stoppen wir jetzt erst mal."