"Ich denke, die Situation hat sich in den vergangenen zehn Jahren verbessert: Die Gesellschaft ist heute offener, akzeptiert eine Scheidung eher. Früher war das anders: Da galt die Ehe als non plus ultra, selbst wenn sie nur noch auf dem Papier bestand. Das hatte mit der Religion und den herrschenden Moralvorstellungen zu tun. Heute sehen die Leute es ein, wenn eine Ehe nicht funktioniert und trennen sich."
Bruna Pistoia ist Psychologin. Sie arbeitet in einem Beratungszentrum für Frauen in Mailand. Ihr Auftrag ist weder, kaputte Ehen zu erhalten, noch die Scheidung zu forcieren, sie soll den Betroffenen neutrale Hilfe anbieten. Die meisten Frauen, die zu ihr oder der Kollegin Natalia de Lorenzis kommen, beklagen in ihrer Ehe fehlende Nähe.
"Oder einfach Gleichgültigkeit. Hierher kommen viele Frauen, die sich scheiden lassen wollen, weil ihr Ehemann sie nicht mehr beachtet oder weil er Affären hat."
So war es auch im Fall von Anna, 36 Jahre alt, seit zwei Jahren geschieden. Nach vier Ehejahren fühlte sie sich von ihrem Mann vernachlässigt, bald darauf entdeckte sie, was es mit seinen häufigen Geschäftsreisen in Wahrheit auf sich hatte. Obwohl sie kein eigenes Einkommen hatte, zog sie auf der Stelle aus. Annas Glück war der Trauschein. Er garantiert ihr Unterhaltszahlungen, die nichtverheiratete Frauen von ihren Ex-Partnern vergebens verlangen.
"Das Zusammenleben ohne Trauschein unterliegt in Italien keiner rechtlichen Regelung. Das bedeutet, alles, was ein Partner für den anderen tut, wie zum Beispiel den Haushalt führen, die Erziehung der Kinder, Pflege von Angehörigen und so weiter, all das wird in Italien als freiwillige Leistung betrachtet, daraus erwächst nach einer Trennung keinerlei Rechtsanspruch"
und damit auch kein Anspruch auf Unterhalt. Die Anwältin Chiara Scarano ist überzeugt, dass diese Rechtslage in der Praxis unverheiratete Mütter diskriminiert. Die Kinder haben zwar das gleiche Recht auf Unterhalt und Versorgung, egal, ob sie aus einer Ehe stammen oder aus einer Lebensgemeinschaft. Die Mütter aber nicht: Sie stehen nach einer Trennung vom Kindsvater oft mit leeren Händen da.
"Verführt und verlassen nannte man das früher", sagt die Psychologin Bruna Pistoia. Im Bewusstsein vieler Italienerinnen schwingt die Angst davor möglicherweise noch immer mit: die Ehe gilt den meisten, auch den ganz jungen, nach wie vor als erstrebenswert:
"Ich will den Mann meines Lebens finden und heiraten. Er wird mein Bezugspunkt für den Rest meines Lebens. Das Schönste daran ist, das es fürs ganze Leben sein wird."
"Viel zu viele nehmen die Ehe nicht mehr ernst, lassen sich scheiden, heiraten wieder, oder leben mit jemand anders, das ist doch traurig."
Die katholische Kirche versteht es gegenwärtig sehr gut, die emotionale Schlagkraft des Themas für sich zu nutzen: So wird die Familie in Italien derzeit zum Inbegriff einer heilen Welt hoch stilisiert, zur Schutzzone innerhalb einer komplexer werdenden Gesellschaft. Kein Tag vergeht, ohne dass Bischöfe oder Priester in den Medien Front machen gegen die Pläne der Regierung Prodi, unverheirateten Paaren eine Rechtsgrundlage zu verschaffen. Dabei zählt vor allem die Symbolik. Die Rechte, die die Partner in einer Lebensgemeinschaft erwerben würden, kämen an die von Verheirateten längst nicht heran. Die Anwältin Chiara Scarano:
"Das sind nur kleine Lösungen für die vielen Alltagsprobleme, die in der Praxis bei Unverheirateten auftreten. Zum Beispiel betreffen sie das Erbrecht beim Tod eines der Partner. Ohne Trauschein fällt das Erbe heute an die Angehörigen, nicht an den Lebenspartner."
Die Regierung mag dieses heiße Eisen derzeit nicht anfassen. Sie hat zwar einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, ihn aber noch nicht ins Parlament eingebracht. So bleibt die Diskussion um die Familie auch in Italien in vollem Gange.
Bruna Pistoia ist Psychologin. Sie arbeitet in einem Beratungszentrum für Frauen in Mailand. Ihr Auftrag ist weder, kaputte Ehen zu erhalten, noch die Scheidung zu forcieren, sie soll den Betroffenen neutrale Hilfe anbieten. Die meisten Frauen, die zu ihr oder der Kollegin Natalia de Lorenzis kommen, beklagen in ihrer Ehe fehlende Nähe.
"Oder einfach Gleichgültigkeit. Hierher kommen viele Frauen, die sich scheiden lassen wollen, weil ihr Ehemann sie nicht mehr beachtet oder weil er Affären hat."
So war es auch im Fall von Anna, 36 Jahre alt, seit zwei Jahren geschieden. Nach vier Ehejahren fühlte sie sich von ihrem Mann vernachlässigt, bald darauf entdeckte sie, was es mit seinen häufigen Geschäftsreisen in Wahrheit auf sich hatte. Obwohl sie kein eigenes Einkommen hatte, zog sie auf der Stelle aus. Annas Glück war der Trauschein. Er garantiert ihr Unterhaltszahlungen, die nichtverheiratete Frauen von ihren Ex-Partnern vergebens verlangen.
"Das Zusammenleben ohne Trauschein unterliegt in Italien keiner rechtlichen Regelung. Das bedeutet, alles, was ein Partner für den anderen tut, wie zum Beispiel den Haushalt führen, die Erziehung der Kinder, Pflege von Angehörigen und so weiter, all das wird in Italien als freiwillige Leistung betrachtet, daraus erwächst nach einer Trennung keinerlei Rechtsanspruch"
und damit auch kein Anspruch auf Unterhalt. Die Anwältin Chiara Scarano ist überzeugt, dass diese Rechtslage in der Praxis unverheiratete Mütter diskriminiert. Die Kinder haben zwar das gleiche Recht auf Unterhalt und Versorgung, egal, ob sie aus einer Ehe stammen oder aus einer Lebensgemeinschaft. Die Mütter aber nicht: Sie stehen nach einer Trennung vom Kindsvater oft mit leeren Händen da.
"Verführt und verlassen nannte man das früher", sagt die Psychologin Bruna Pistoia. Im Bewusstsein vieler Italienerinnen schwingt die Angst davor möglicherweise noch immer mit: die Ehe gilt den meisten, auch den ganz jungen, nach wie vor als erstrebenswert:
"Ich will den Mann meines Lebens finden und heiraten. Er wird mein Bezugspunkt für den Rest meines Lebens. Das Schönste daran ist, das es fürs ganze Leben sein wird."
"Viel zu viele nehmen die Ehe nicht mehr ernst, lassen sich scheiden, heiraten wieder, oder leben mit jemand anders, das ist doch traurig."
Die katholische Kirche versteht es gegenwärtig sehr gut, die emotionale Schlagkraft des Themas für sich zu nutzen: So wird die Familie in Italien derzeit zum Inbegriff einer heilen Welt hoch stilisiert, zur Schutzzone innerhalb einer komplexer werdenden Gesellschaft. Kein Tag vergeht, ohne dass Bischöfe oder Priester in den Medien Front machen gegen die Pläne der Regierung Prodi, unverheirateten Paaren eine Rechtsgrundlage zu verschaffen. Dabei zählt vor allem die Symbolik. Die Rechte, die die Partner in einer Lebensgemeinschaft erwerben würden, kämen an die von Verheirateten längst nicht heran. Die Anwältin Chiara Scarano:
"Das sind nur kleine Lösungen für die vielen Alltagsprobleme, die in der Praxis bei Unverheirateten auftreten. Zum Beispiel betreffen sie das Erbrecht beim Tod eines der Partner. Ohne Trauschein fällt das Erbe heute an die Angehörigen, nicht an den Lebenspartner."
Die Regierung mag dieses heiße Eisen derzeit nicht anfassen. Sie hat zwar einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, ihn aber noch nicht ins Parlament eingebracht. So bleibt die Diskussion um die Familie auch in Italien in vollem Gange.