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"Westerwelle hat es selbst in der Hand"

Westerwelle sei ein "hervorragender" Oppositionspolitker gewesen, aber als Regierungspolitiker müsse der FDP-Vorsitzende noch ein wenig dazulernen, sagt Günter Eymael, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP in Rheinland-Pfalz. Seine Partei werde im Wahlkampf für die Landtagswahl einen eigenen Kurs fahren.

Günter Eymael im Gespräch mit Anne Raith | 18.12.2010
    Anne Raith: Gegrummelt hat es in der FDP schon länger, nur auszusprechen, was sie dachten, das haben sich viele offenbar nicht getraut. Der erste Gegenwind kam jetzt aus dem Norden, aus Schleswig-Holstein: Liberale in Rheinland-Pfalz ließen dem Parteichef dann Anfang der Woche medial mitteilen, sie hätten ihn ungern im Wahlkampf dabei, Westerwelle – ein Klotz am Bein. Baden-Württemberg zog schließlich nach mit einem offenen Brief und der Frage: Wann zieht sich Westerwelle von der Parteispitze zurück? Und in Berlin soll dann auch noch eine illustre Runde von Vertretern des Wirtschaftsflügels, der sogenannte Schaumburger Kreis, über ein Szenario ohne Westerwelle gesprochen haben. Rückendeckung gab es dann am Ende der Woche auch von höchster Stelle, von Vizeparteichef und Wirtschaftsminister Brüderle, Entwicklungsminister Niebel und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Aber die Kritiker verstummen nicht. Einen von ihnen begrüße ich jetzt am Telefon, den parlamentarischen Geschäftsführer der FDP in Rheinland-Pfalz, Günter Eymael. Schönen guten Morgen!

    Günter Eymael: Ja, guten Morgen, Frau Raith!

    Raith: Herr Eymael, war Ihnen und Ihrem Spitzenkandidaten Herbert Mertin eigentlich klar, was für einen Wirbel Sie da auslösen bundespolitisch?

    Eymael: Nein, wir haben ja im vergangenen Jahr ein großartiges Bundestagswahlergebnis auch hier in Rheinland-Pfalz gehabt, wir haben geglaubt, wir hätten damit Rückenwind auch für unsere Landtagswahl, und ich glaube, die größten Pessimisten konnten nicht annehmen, dass wir heute nur noch etwa 25 bis 30 Prozent unserer ehemaligen Wähler, laut Prognose, haben. Und da gilt es, Ursachenkritik zu üben, und die hängt direkt mit der Bundespolitik und auch dem Bundesvorsitzenden zusammen.

    Raith: Aber Guido Westerwelle war ja auch für die guten Ergebnisse sozusagen, er hat die guten Ergebnisse beschert. Warum fallen Sie ihm dann jetzt, in schlechten Zeiten, in den Rücken?

    Eymael: Nein, es ist richtig, das ist ja auch anerkannt und wir haben ihn ja auch unterstützt mit großer Mehrheit. Er war ein hervorragender Oppositionspolitiker, aber als Regierungspolitiker, glaube ich, muss er noch dazulernen. Ich kann das auch ein bisschen beurteilen, ich bin 24 Jahre in der Landespolitik, war 15 Jahre hier Staatssekretär, habe also länger als eine Periode Regierungsbeteiligung hinter mir, und wir hatten trotzdem immer gute Wahlergebnisse. Aber dieser Abschwung von nahezu 17 Prozent hier in Rheinland-Pfalz jetzt auf 5 oder unter 5 Prozent – das habe ich in 24 Jahren landespolitischer Tätigkeit noch nicht erlebt.

    Raith: Und das schreiben Sie alleine Guido Westerwelle zu?

    Eymael: Nein, das ist sicherlich … Der Bundesvorsitzende ist der Verantwortliche, auch für den Regierungspart selbst. Es sind am Anfang Fehler gemacht worden, es sind falsche Entscheidungen getroffen worden. Es ist falsch kommuniziert worden. Aber es wird nicht besser, und das ist das Problem. Wir wollen die Landtagswahlen im März hier in Rheinland-Pfalz gewinnen, deswegen werden wir einen eigenständigen Kurs fahren, wir in Rheinland-Pfalz. Und wir werden diesen Wahlkampf bestücken mit landeseigenen Themen, ob in der Wirtschaft, in der Infrastruktur oder vor allem auch in der Bildungspolitik. Und damit werden wir unseren Wählerinnen und Wählern vor die Augen treten, und wir erwarten, dass wir ein ordentliches Ergebnis bekommen. Insofern ist Westerwelle mit seinem Kurs und mit seinem Abwärtstrend derzeit ein Klotz am Bein.

    Raith: Aber glauben Sie nicht, das könnte auch nach hinten losgehen, dass die Wähler eben ein Zusammenstehen, ein Zusammenhalten der Partei fordern?

    Eymael: Also ich glaube, dass wir ja jetzt die vorweihnachtliche Zeit haben, dass der Bundesvorsitzende und eigentlich auch der Bundesvorstand über Weihnachten darüber nachdenken, wie man der Partei eine neue Dynamik verleihen kann, eine Dynamik, dass in der Tat die vier Landtagswahlen, die jetzt anstehen, für die FDP gewonnen werden. Derzeit sieht es leider noch nicht so aus.

    Raith: Eine Dynamik ohne Guido Westerwelle?

    Eymael: Das müssen die entsprechenden Gremien, die dafür verantwortlich sind, entscheiden, da muss der Bundesvorstand tagen, da müssen die entsprechenden … wenn es denn so weit wäre, aber letztlich liegt es an der Person von ihm selbst. Wenn er sagt, er fährt einen neuen Kurs, der Erfolg verspricht, dann glaube ich, wird ihn niemand daran hindern. Aber es kann nicht nach dem Motto gehen: Weiter so.

    Raith: Aber glauben Sie, dass das nicht zu kurzfristig ist? Die ersten Wahlen stehen im Februar an, in Hamburg, dann folgen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz im März. Was soll sich da so schnell noch ändern?

    Eymael: Ja gut, es hat sich ja auch schon schnell geändert seit September letzten Jahres, also wir sind ja innerhalb von drei, vier Monaten schon mit den Umfragen deutlich in den Keller gekommen, und ähnlich kann natürlich auch ein Aufstieg erfolgen, wenn man wirklich Erfolge nachweisen kann. Wenn die Menschen draußen merken, dass das, was wir an Politik auf der Bundesebene verkaufen, auch wirklich glaubwürdig ist, wenn sie wieder ein Stück Vertrauen in die FDP haben, und dann werden sie uns auch wieder verstärkt wählen.

    Raith: Aber was glauben Sie, wie lange sich Westerwelle nach dieser Beschädigung noch halten kann, die er ja auch seiner eigenen Partei nun zu verdanken hat?

    Eymael: Doch, ich will nicht spekulieren, aber Westerwelle hat es selbst in der Hand: Entweder, er ändert seinen Kurs, oder die Kritik wird nicht aufhören.

    Raith: Aber wenn die Kritik nicht aufhört, kann er sich überhaupt noch bis zum 6. Januar, bis zum Dreikönigstreffen, halten?

    Eymael: Sicherlich wird das Dreikönigstreffen in Baden-Württemberg ein wichtiger Zeitpunkt sein. Entweder, wir schaffen die Wende, gerade an diesem Zeitpunkt, oder wir schaffen sie nicht, und spätestens beim Parteitag im Mai wird es dann sicherlich Neuwahlen geben. Ob Herr Westerwelle dann noch Bundesvorsitzender wird, weiß ich nicht. Es hängt natürlich auch mit dem Wahlausgang zusammen, aber derzeit sieht es so aus, als würden wir die Landtagswahlen allesamt verlieren. Und das kann so nicht sein, und deswegen werden wir jedenfalls hier in Rheinland-Pfalz einen eigenständigen, rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf führen. Wir haben gute Politiker, die im ganzen Land bekannt sind, die Menschen vertrauen uns, wir haben hier 19 Jahre Regierungsverantwortung in diesem Land Rheinland-Pfalz gehabt, die Leute wissen, was sie an uns haben, und sie wissen auch, dass die absolute Mehrheit der SPD hier im Land weggehört. Und da ist die FDP immer ein stabiler Faktor gewesen in der Regierung.

    Raith: Unterstützer ja auch in Person von Rainer Brüderle – wäre das eine adäquate Nachfolge für Westerwelle?

    Eymael: Also Rainer Brüderle ist sozusagen doch der Leuchtturm innerhalb der Bundesregierung. Er hat einige Erfolge als Wirtschaftsminister, er ist sozusagen noch das marktwirtschaftliche Rückgrat der Bundes-FDP und insofern unser Vorzeigepolitiker. Wir freuen uns, dass wir ich in unseren Reihen in Rheinland-Pfalz haben, und er wird uns sicherlich tatkräftig helfen, ein gutes Wahlergebnis hier zu erzielen.

    Raith: Ein guter Vorsitzender auch für die Partei?

    Eymael: Rainer Brüderle ist 27 Jahre Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz. Ich bin fast genauso lange bei ihm im Vorstand. Ich war fünf Jahre bei ihm Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz. Ich kann ihn gut einschätzen. Er wäre auch für eine solche Aufgabe jederzeit geeignet.

    Raith: Haben Sie denn eigentlich in den vergangenen Tagen seit Ihrer ersten Kritik Rückmeldung bekommen aus dem Bund, von Rainer Brüderle etwa?

    Eymael: Wir haben … natürlich wird diskutiert intern, das ist ja auch gut so. Ich glaube aber, dass letztendlich die Diskussionen jetzt vor Weihnachten abgeschlossen werden. Die Bundesspitze weiß, was die Basis denkt, und die Bundesspitze muss jetzt entsprechend für einen neuen Kurs sorgen und entsprechend auch handeln.

    Raith: Was die Basis denkt, sagen Sie, weiß sie. Was wird sich in Rheinland-Pfalz noch drehen können?

    Eymael: Ja gut, ich will noch mal betonen: Wir haben gute Kandidaten hier, die wir voranbringen, mit unserem Spitzkandidaten Herbert Mertin, der vorher Justizminister war. Wir haben den ehemaligen Landeswirtschaftsminister Bauckhage dabei, wir haben ehemalige Staatssekretäre als Spitzenkandidaten. Also wir sind vom Personalangebot sehr gut aufgestellt, und wir werden mit unseren eigenen Themen hier in Rheinland-Pfalz – und da gibt es genügend Themen, angefangen von den Skandalen der SPD, ob der Nürburgring und Schlosshotel und und - da gibt es zig Dinge, bis hin zu einer vernünftigen Bildungspolitik. Wir setzen uns ein für ein starkes Gymnasium, für ein gegliedertes Schulsystem, keine Einheitsschule –, das werden so unsere knackigen Themen sein, mit diesen Themen werden wir hier Wahlkampf machen.

    Raith: Wahlkampf ohne den Parteichef – das war Günter Eymael, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP in Rheinland-Pfalz über die Debatte um den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle. Besten Dank für das Gespräch, Herr Eymael!

    Eymael: Ja, vielen Dank ebenso!