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Whistleblowerin Stepanowa
Weiter auf der Flucht

Hacker haben im Computer der Welt-Anti-Dopingagentur die Adressinformation von Julia Stepanowa ausfindig gemacht. Die Leichtathletin hatte das russische Staatsdopingsystem aufgedeckt. Nun fürchten sie und ihr Mann um ihr Leben.

Von Jürgen Kalwa | 15.08.2016
    800-Meter-Läuferin auf der Laufbahn in Amsterdam bei den Europameisterschaften 2016.
    Julia Stepanowa bei der Leichtathletik-EM 2016 in Amsterdam (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Es war lange Zeit ein sehr gut gehütetes Geheimnis: der Aufenthaltsort der russischen 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa. Doch am Sonntag bestätigte die Welt-Dopingagentur, dass sich jemand genau diese Information besorgt hatte – bei einem gezielten Hackerangriff auf den Computer der WADA. Dort, wo Sportler ständig ihre Adressen angeben müssen, damit unangemeldete Dopingkontrollen durchgeführt werden können.
    Die Stepanows befinden sich auf der Flucht, seitdem sie im Rahmen einer ARD-Dokumentation das staatlich organisierte Dopingwesen in ihrem Heimatland enthüllten. Sie zogen deshalb am Wochenende erneut um und meldeten sich am Montag bei einer kleinen Gruppe von Journalisten per Internet-Videokonferenz.
    IOC hatte der Mittelstrecklerin die Olympia-Teilnahme verweigert
    "Sollte uns etwas zustoßen, sollten Sie wissen, dass es kein Unfall war”, sagte Julia Stepanowa, deren Mann Witali einst bei der russischen Antidopingagentur beschäftigt war. Zwei ehemalige Verantwortliche der Einrichtung waren im Februar innerhalb weniger Wochen auf zweifelhafte Weise ums Leben gekommen.
    Das IOC hatte der Mittelstrecklerin in einer umstrittenen Entscheidung die Teilnahme an den Olympischen Spielen verweigert. Und das obwohl sie der Internationale Leichtathletikverband aufgrund ihrer wichtigen Rolle als Whistleblowerin auch ohne Verbandszugehörigkeit ausdrücklich zugelassen hatte. Alle anderen russischen Leichtathleten, mit Ausnahme der in den USA lebenden Weitspringerin Darja Klischina, sind derzeit von der IAAF gesperrt.
    Niemand hat Kontakt mit den Stepanows aufgenommen
    Eine besondere Rolle spielte IOC-Präsident Thomas Bach. Der wehrte sich mit Erfolg gegen die von der WADA und anderen Anti-Dopingagenturen geforderte Komplettsperre Russlands. Angeblich, so sagte er vor zwei Wochen bei einer Pressekonferenz, habe man aber Julia Stepanowa Hilfe angeboten, "damit sie ihre Karriere fortführen kann”.
    Es kann sich um keine maßgebliche Fürsorge handeln. Denn Kontakt hat seitdem niemand vom IOC mit der Familie aufgenommen. Währenddessen ist eine Spenden-Aktion angelaufen, die von namhaften Sportlern wie Robert Harting unterstützt wird, und die der Familie zum ersten Mal seit langem eine finanzielle Basis sichern wird.