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Wie Christian Lindner die FDP rettet

Im Dezember 2011 erklärte Christian Lindner überraschend seinen Rücktritt als FDP-Generalsekretär. Umso erfolgreicher ist der 33-jährige seitdem auf Landesebene in NRW - und nährt damit Spekulationen über eine Rückkehr nach Berlin.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 06.12.2012
    Herausgeputzte Herren in dunklen Zweiteilern umringen den Jubilar. Mit Livemusik und Champagner feiert die FDP-Prominenz in Köln den 80. Geburtstag von Gerhart Baum. Doch bevor das ehrwürdige Urgestein der Liberalen selbst auftritt, darf einer als erster reden:

    "Verehrte Damen, meine Herren."

    Christian Lindner, Fraktions- und Parteichef der nordrhein-westfälischen FDP, macht seinem Ruf als rhetorisches Supertalent wieder mal alle Ehre. Den ersten Applaus heimst Lindner nicht nach einer Minute, sondern nach dem ersten Satz ein:

    "Wir ehren heute einen der jüngsten 80-Jährigen aller Zeiten!"

    Gerhart Baum strahlt, und auch der Rest des Saals wird in den kommenden neun Minuten an Lindners Lippen hängen. Der 33-Jährige hält eine charmante und kurzweilige Rede. Und dann gelingt ihm auch noch das Kunststück, Gerhart Baum ein Kompliment zu machen - für dessen ständige Mäkeleien am Zustand der FDP:

    "Natürlich nutzen Sie Ihre Autorität und Popularität gelegentlich auch, um Ihrer Partei Regieanweisungen zu geben. Und das ist nicht immer für uns bequem, aber Sie werden genau gehört!"

    Gerhart Baum, der kurz darauf ans Rednerpult tritt, versteht sich als warnendes Gewissen seiner Partei. Die Misere der FDP - inhaltlich wie personell - hat für ihn einen Grund, und der heißt: Philipp Rösler.

    "Und deshalb meine ich, muss eine liberale Partei, wenn sie den Namen verdient, sich auf klare liberale Ziele verständigen und die mit Personen zusammenbinden, und das möglichst schnell machen, dass im nächsten Jahr die Alternativen deutlich werden."

    Gerhart Baum ist ein Jahr vor der Bundestagswahl so verzweifelt über seine Partei, dass er sich neulich in einer Talkshow die Haare waschen ließ, um - kein Scherz - die FDP wieder schöner zu machen. Dann zertrümmerte er auch noch das Guidomobil aus Westerwelles Spaßpartei-Zeiten, das der Fernsehsender eigens ersteigert hatte, damit Baum mit einem Vorschlaghammer mal so richtig draufhauen konnte. Auch die FDP brauche einen Befreiungsschlag, findet Gerhart Baum, und der wiederum heißt für ihn: Christian Lindner:

    "In meinen Augen haben Sie eine liberale Substanz, die lange gefehlt hat und die Vorbild sein kann - ich sag das jetzt ein bisschen anmaßend - für andere in der FDP!"

    Das Vorbild zupft an seiner perfekt sitzenden Krawatte und guckt auf seine Schuhe. Christian Lindner weiß genau, dass seine Zeit noch kommen wird. Aber dafür muss es der FDP erst einmal besser gehen und er selbst vielleicht ein paar Jahre älter werden. So zieht sich der sonst so wortgewandte Jungpolitiker auf Floskeln zurück, wenn es um die mögliche Rösler-Nachfolge geht:

    "Ich beteilige mich an dieser Debatte gar nicht und empfehle der FDP generell, auf Selbstbeschäftigung zu verzichten und lieber zu überzeugen durch Vorschläge in der Sache."

    Lindner möchte über das Timing seiner Karriere selbst entscheiden. Deshalb weicht er auch beim Thema Doppelspitze aus. Dass er die FDP gemeinsam mit Fraktionschef Rainer Brüderle in die Bundestagswahl führen könnte - sei nun wirklich kein Thema.

    "Wir sind freundschaftlich verbunden und haben das gleiche Gefühl, dass eine Partei, die konsequent marktwirtschaftlich ist, dass die eigentlich große Chancen hat. Und gemeinsam wollen wir die im Team, jeder an seiner Stelle auch nutzen."

    Das mit der Doppelspitze

    "ist irrelevant","

    versichert auch Rainer Brüderle, der ebenfalls zur Geburtstagsparty nach Köln gekommen ist:

    ""Weil wir ja geschlossen als Team auftreten, gemeinsam arbeiten. Der Vorsitzende [ist] Philipp Rösler, wir stehen hinter ihm."

    Dazu ein spitzbübisches Lächeln. In die Personalfragen werde viel "hineingeheimnist", sagt Brüderle und formuliert dabei identisch mit Christian Lindner. Dass die nicht vorhandene Doppelspitze in spe sich sogar bis hin zur Wortwahl abspricht, stimme auch nicht, sagt wiederum Christian Lindner:

    "Das ist so eine Distanzbetrachtung, wo viel hineingeheimnisst wird, und wo in der Sache eigentlich, wenn man hinter die Kulissen schaut, nur ein Einvernehmen über bestimmte Sachthemen besteht."

    So sehr Lindner im Interview auch ausweicht - vor dem nordrhein-westfälischen Landtag spricht er gerne Klartext. Und attackiert munter die Haushalts- und Sozialpolitik der rot-grünen Landesregierung:

    "Sie haben gesagt, Frau Ministerpräsidentin, Sie wollen alle mitnehmen, ja. Sie haben nicht gesagt, wohin. In den Schuldenstaat, in den Umverteilungsstaat, in den Bevormundungs- in den Nanny State? Da wollen wir nicht mitkommen."

    Die Regionalpresse feiert ihn bereits als den heimlichen Oppositionsführer von Düsseldorf. Das ist zwar auch dem schlechten Zustand der NRW-CDU geschuldet, vor allem aber liegt es an Linders Angriffslust. Besonders gerne knöpft er sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor:

    "Bitteschön, bitte nicht den Versuch, aus der Spontaneität solche rhetorischen Judotricks anzuwenden, Frau Kraft, man rutscht dabei zu schnell aus. Das steht Ihnen gar nicht!"

    Wortreich im Landtag, und dann wieder ganz einsilbig auf Gerhart Baums Geburtstag. Auf die Frage, ob er auch nach der Landtagswahl in Niedersachsen und der Bundestagswahl - noch in Düsseldorf sein wird und nicht zurück in Berlin - sagt Linder nur:

    "Ja!"