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Wie die Münchener Freiheit wieder cool wurde

In England gehört es zur Chortradition, auch in Kneipen aufzutreten. Ob professionelle Sänger oder Menschen, die einfach nur Lust haben zu singen: Sie unterhalten ihre Bier trinkenden Mitmenschen im Pub mit Gesang. Der Berliner Kneipenchor importiert diese hübsche Tradition aufs Festland und besingt die Bars der Hauptstadt.

Von Gesine Kühne |
    Eine hohe Decke, hell gekachelte Wände, lange Tischreihen im Raum verteilt - an denen bis nachmittags die hipsten Berlinbesucher abgespeist werden. Jetzt am Abend sitzt niemand mehr an den Tischen. In der Mitte des saalähnlichen Raumes hat sich ein Pulk von Menschen versammelt. Sie sind unterschiedlich alt und groß. Männer und Frauen. Eins haben sie gemein. Sie sehen sympathisch aus, kreativ, modisch. Ihr Proberaum ist ein Restaurant: das vom angesagten Michelberger Hotel am U-Bahnhof Warschauer Straße.

    Einmal in der Woche trifft sich der Berliner Kneipenchor zum Proben. Zwei Stunden lang werden neue Popstücke einstudiert. Mehrstimmig. Insgesamt trällern 30 Leute mit, zum Teil Laien, zum Teil Musiker. So wie diese 19-Jährige, die unter ihrem Künstlernamen Elif bald ihre eigene Platte bei einem Majorlabel veröffentlichen wird:

    "Ich finde das eine gute Abwechslung. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Es ist so auszeitmäßig. Und darum ist es auch cool, hier zu sein, weil hier bin ich ja nicht dominant. Hier kann ich mich zurückziehen und in der Gruppe versinken."

    Elif ist über einen der Gründer zum Berliner Kneipenchor gekommen. Nino Skrotzki, Ex-Sänger der Berliner Band Virginia Jetzt! und sein Wunsch, in einem Chor zu singen, waren nämlich ausschlaggebend für diese neue Gesangvereinigung, erzählt Mathias "Matze" Hielscher, Ex-Bassist von Virgina Jetzt!:

    "Der Kneipenchor ist entstanden, weil mein Freund Nino keinen passenden Chor gefunden hat. Der hat einen Chor gesucht in Berlin, ist dann zu einem gegangen, die haben allerdings nur relativ altes Zeug gesungen. Er sagte, Mensch, es gibt keinen Chor, der moderne Lieder singt, Songs, die uns gefallen, die wir selber gern hören. Darauf sagte ich, dann lass uns doch selber einen Chor gründen."

    Hielscher schrieb eine E-Mail an seine Freunde, erzählte von der Idee und gewann auf der Stelle 15 Sänger. Ein paar kamen hinzu, einige gingen wieder. Mit 30 Leuten ist der Chor aktuell gut aufgestellt. Auch stimmlich. Denn selbst wenn die Mitglieder vorher nur unter der Dusche gesungen haben, der Kneipenchorleiter Hielscher hat Ansprüche:

    "Natürlich sollte man singen können, wenn man zum Chor kommt. Töne halten können ist Pflicht. Es gibt Leute, die sind sehr, sehr gut; es gibt Leute, die sind nicht so gut. Man muss kein Profisänger sein, um beim Kneipenchor mitsingen zu können."

    Eine Stunde ist vergangen. Die knapp 20 Chormitglieder, die heute zur Probe erschienen sind, stehen im Halbkreis um den Dirigenten herum. Sie proben immer und immer wieder "Get Around" von den Beach Boys. Denn am Donnerstag muss das Stück sitzen. Insgesamt hat der Berliner Kneipenchor acht bis zehn Lieder im Repertoire. Je nach Song brauchen sie vier bis acht Wochen, bis ein Stück komplett erarbeitet ist, erzählt Hielscher:

    "Man trifft sich einmal die Woche. So leicht ist es nicht, die Stücke draufzuschaffen. Es ist schon immer Arbeit. Wir merken auch, dass der Anspruch immer steigt. Dass wir den jetzt auch nicht unisono durchsingen wollen. Da gibt es dann eben so ein Stück wie Herbert Grönemeyer 'Männer', das ist sechsstimmig. Da darf man nicht zu viel Bier getrunken haben."

    Auch wenn Bier nicht in Massen fließen sollte, spätestens beim Auftritt hält sich jedes Chormitglied an einer Flasche fest. Denn aufgeregt sind sie doch jedes Mal, die 19- bis 35-jährigen, die alle irgendwie in den Medien arbeiten, auch wenn sie das Ganze nur aus Spaß machen. Apropos Spaß, den sollen auch die Zuschauer haben, besonders wenn die Münchener Freiheit mit ihrer größten Schnulze angestimmt wird, schwärmt Sängerin Peggy Weiss:

    "Doch, Münchener Freiheit muss auf jeden Fall sein. Das sind doch gerade die Lieder, die sich die Leute trauen mitzusingen. Denn das ist ja das Schöne, wenn die Leute kommen und dann noch Bock haben mitzusingen."

    Info

    Wer heute Abend in Berlin unterwegs ist und zum Bier noch Popsongs mag: Im "Schokoladen" in Berlin-Mitte tritt der Berliner Kneipenchor um 21 Uhr auf. Weitere Termine gibt es auf der Internetseite des Berliner Kneipenchors. Die nächsten Daten:

    26.04.
    Die Radio Eins "Radio Show" - Heimathafen

    12.05.
    Die schöne Gartenparty

    17.05.
    "Junge Helden"-Party
    Ritter Butzke