Archiv


"Wie einst, Lili Marleen"

Unterhaltsame Romane und Seefahrergeschichten machten Hans Leip bekannt. Heute, 25 Jahre nach dem Tod des Künstlers sind die Romane längst vergessen - und an Hans Leip erinnert nur noch sein Lied von dem Mädchen Lili Marleen.

Von Birgit Fleischmann |
    "Vor der Kaserne,
    vor dem großen Tor
    stand eine Laterne,
    und steht sie noch davor,
    so woll'n wir uns da wiedersehn"

    Weniger bekannt als das von Norbert Schultze komponierte und Lale Andersen gesungene "Lied eines jungen Wachtpostens" ist der Dichter dieser Verse: Hans Leip, ein Hamburger Schriftsteller, Journalist, Grafiker und Maler, geboren am 22. September 1893.

    Schon 1915 im Alter von 21 Jahren hatte er dieses Lied geschrieben. Damals war der große, blonde junge Mann Rekrut bei der preußischen Garde in Berlin und in die beiden Berliner Mädchen Lili und Marleen verliebt.

    "Lili Marleen" ist kein typisches Gedicht von Hans Leip: Sein eigentlicher literarischer Stoff sind die Küste und das Meer, die Seefahrt und immer wieder Hamburg - dort las er 1973 im Altonaer Museum aus seinem Werk:

    "Manche von uns erinnern sich an Kapitän Haase. Ob er wirklich Kapitän war, weiß ich nicht, indes richtete er in der Erichstraße, parallel der Reeperbahn, ein Museum für Kolonie und Heimat ein, eine Raritätenschau aus tropischen Mitbringseln, Ulk und Unanständigkeiten, umrankt von seinen saftigen Redensarten, übertroffen nur von dem weniger bekannten und mehr grauslichen 'Woinke sein Museum' im tiefen Keller, Ecke Große Freiheit und Marienstraße, glaub ich, beide natürlich mit Schnapsausschank."

    Leip kam aus beengten Familienverhältnissen. Als hochbegabter Schüler durfte er auf das Lehrerseminar, wurde jedoch eingezogen und musste 1915 an die Ostfront. Noch im gleichen Jahr kehrte er schwer verletzt zurück. Aufgewühlt von den Kriegserlebnissen und den folgenden Revolutionswirren, lebte er in den zwanziger Jahren als Bohémien. Er organisierte legendär gewordene Künstlerfeste, betätigte sich als Kunstkritiker, schrieb, zeichnete und malte und wurde Mitarbeiter der Satirezeitschrift Simplicissimus. Den ungeliebten Beruf des Schulmeisters gab er bald auf.

    Seinen Durchbruch als Schriftsteller erzielte Hans Leip 1925 mit seinem Roman "Godekes Knecht", eine sprachstarke, stilistisch noch ganz dem Expressionismus verhaftete Seeräuber-Saga aus der Zeit Störtebeckers. Thomas Mann urteilte:

    "Ein brutaler Stoff, von Zartheit durchleuchtet, Leidenschaft der Handlung und des Wortes, sich speisend aus Ursprüngen, die dem modernen Empfinden als romantisch anmuten möchten und dennoch erschreckend klar gegenwärtig ins Gemüt greifen."

    Später änderte Hans Leip seinen Stil und verfasste erfolgreiche, unterhaltsame Romane und Erzählungen wie "Miß Lind und der Matrose" oder "Jan Himp und die kleine Brise". Die Nationalsozialisten warben zunächst um den inzwischen bekannten Schriftsteller. Leip trat zwar der Partei nicht bei, arrangierte sich aber mit den neuen Machthabern. Erst nach Kriegsausbruch 1939 begann er, sich deutlicher zu distanzieren.

    "Und als ich über den Schulhof kam,
    Schutt, nichts als Schutt,
    als ich über den toten Schulhof kam,
    da stand mein alter Lehrer so grau
    und wußte das Gute und Böse genau
    und wies mit dem Finger nach hier und dort
    in der Menschheit Irrsinn und Brand und Mord
    und fand kein Wort."

    Das "Lied im Schutt", in dem Hans Leip seinem inneren Entsetzen über die Zerstörung Hamburgs im Bombenkrieg Ausdruck gab, erschien 1943 im Simplicissimus.

    Nach dem Krieg beanspruchte Hans Leip eine führende Rolle bei der Erneuerung des Hamburger Kulturlebens. Doch seine Ambitionen, Präsident der neuen Sektion Hamburg des internationalen Schriftstellerverbands PEN zu werden, scheiterten am Widerstand der aus dem Exil zurückgekehrten Kollegen; obwohl einige unbelastete Autoren wie Johannes R. Becher und Erich Kästner für ihn bürgten.

    Gekränkt verließ er 1949 seine Vaterstadt und zog sich bis zu seinem Tode nach Fruthwilen in die Schweiz zurück. Hans Leip starb am 6. Juni 1983. Seine literarischen Werke sind nahezu vergessen, nur ein kleines Lied hat bis heute international Karriere gemacht:

    "Bei der Laterne wolln wir stehen,
    wie einst, Lili Marleen
    wie einst, Lili Marleen."