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Wie Knochen- und Gewebedefekte im Gesicht ersetzt werden können

US-amerikanische Chirurgen wollen erstmals das Gesicht einer Toten transplantieren - inklusive Ohren, Nase und Augenlider. Das berichtet das Wissenschaftsmagazin NewScientest in seiner aktuellen Ausgabe. Auf dem 54.Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie äußerte sich Kongresspräsident Prof. Dieter Riediger allerdings skeptisch über die Pläne seiner amerikanischen Kollegen, denn technisch sei das sicher machbar, man müsse sich aber fragen, ob man alles machbare auch machen sollte. Der medizinische Alltag - das wurde auf dem Kongress deutlich - sieht anders aus.

Von Mirko Smiljanic |
    Das Basalzellkarzinom – ein Hautkrebs, der überwiegend im Gesicht auftritt – gilt als gut behandelbar. Bei bis zu einem Drittel der Patienten wuchert die Geschwulst allerdings auch nach dem Eingriff weiter, kann in schlimmen Fällen sogar "verwildern", was zu ausgedehnten Operationen führt: Mitunter müssen dabei Teile des Gesichts entfernt werden. Durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen können Mediziner heute die Folgen solcher Eingriffe mindern und damit die Lebensqualität der Patienten weitgehend erhalten. Zunächst einmal wenden sie eine spezielle OP-Technik an: Die gestielte Lappenplastik…

    …das heißt Lappen, die in ihrer Blutversorgung ständig mit dem Körper in Verbindung waren, sind beispielsweise von der Bauchregion den Köper entlang hochgewandert bis in die Defektregion. Mit der Einführung mikrochirurgischer Techniker waren wir dann in der Lage, einen derartigen Defekt in einer Operation zu decken, dazu war es notwendig, ein Stück Haut, Fettgewebe oder auch Muskulatur mit einer kleinen Arterie und kleinen Vene zu entnehmen und diese Gefäße sofort an Gefäße beispielsweise der Halsregion unter dem Operationsmikroskop anzunähen.

    Professor Dieter Riediger, Ärztlicher Direktor der Klinik für Zahn-, Mund-, Kiefer und plastische Gesichtschirurgie an der Universität Aachen. In der Regel nutzen Ärzte Haut der Bauch- oder Rückenregion, deren Entnahmestellen nach dem Eingriff allerdings vernarben. Analog zu Haut und Fettgewebe können Ärzte auch Knochen transplantieren.

    Wir können so ganze Unterkieferhälften beispielsweise oder große Abschnitte des Oberkiefers oder des Mittelgesichts oder auch des Schädels mikrochirurgisch rekonstruieren. Das bedeutet aber auch immer wieder einen Defekt im Bereich der Entnahmestelle und es bedeutet für den Patienten auch eine belastende Entnahmeoperation und Transplantation,...

    …bei der zudem nicht klar ist, ob eine zentrale Frage anschließend auch zufrieden stellend beantwortet wird: Ersetzt das transplantierte Gewebe die Funktion der verloren gegangenen Haut und erfüllt es gleichzeitig die hohen ästhetischen Wünsche der Patienten?

    Die Funktionelle Wiederherstellung ist außerordentlich schwierig und in vielen Fällen in vollem Umfang auch gar nicht möglich. Die ästhetische Wiederherstellung beinhaltet beispielsweise in der Gesichtsregion, dass wir Haut von der selben Farbe, der selben Textur, der selben Beschaffenheit wieder hin bekommen. Das können wir durch ein entfernt entnommenes Transplantat auch nicht erreichen! Und so sind wir in den Labors ja weltweit dabei, Gewebeersatz zu schaffen über die viel diskutierte Stammzelltechnik, auch genetisch veränderte Stammzelltechnik.

    Knochenreifung im Reagenzglas ist das Stichwort: Vorläuferzellen, aus denen Knochen- und Muskelzellen entstehen, können mittlerweile aus verschiedenen Geweben gewonnen werden, beispielsweise aus Fettgewebe. Wissenschaftlern der Universität Leipzig ist es gelungen, so genannte mesenchymale Stammzellen im Labor auf einer Matrix anzusiedeln und zu vermehren. Um das Zellwachstum zu beschleunigen, nutzen die Forscher zudem Wachstumsfaktoren,…

    …die so genannten BMP, Bone-morphogenic Proteins, die das Knochenwachstum anregen, sie stellen einen Schwerpunkt in der Kulturschale dar und sorgen dafür, dass die Zellen verstärkt Knochengrundsubstanz bilden und Mineralsalze einlagern. Diese BMP kann man auch gentechnisch verändern mit dem Ziel, Proteine zu erreichen, die wesentlich schneller die Knochenneubildung induzieren.

    Wichtig sind zudem Trägersubstanzen, so genannte Scaffolds, auf denen die Zellen heranreifen und sich vermehren. Sie haben einen großen Einfluss auf die Wachstumsgeschwindigkeit und auf die Qualität der gezüchteten Haut- und Knochenzellen.

    Hier sind die unterschiedlichsten Stoffe in Erprobung, zum Beispiel Hydroxylapatit, Collagen oder Kalziumcarbonat. Diese Trägersubstanzen sollen nicht nur unterstützt von Wachstumsfaktoren die Vermehrung der Zellen anregen, sondern müssen auch biologisch abbaubar sein,…

    …denn im Idealfall verwächst der künstliche Kiefer mit dem gesunden Knochen, während das Gerüst nach einiger Zeit einfach verschwindet.