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Wie lernen Babys?

Psychologie. - Eine Kinderkrippe soll die Kleinen nicht nur versorgen und bei Laune halten, sie soll sie auch fördern. Das Gehirn des Kleinkinds entwickelt sich rasant, beste Voraussetzungen also, das Fundament für die spätere Bildung zu legen.

    Hier bekommt ein Kleinkind gerade eine Elektrodenhaube aufgesetzt. Die Forscher wollen heraus finden, ob das kleine Gehirn schon in der Lage ist, Silben zu unterscheiden. Solche und ähnliche Experimente haben in den letzten Jahren das Bild des Babys entscheidend verändert. Glaubte man früher, Neugeborene wären im Grunde passiv, pendelten nur zwischen schlafen und saugen, ist inzwischen klar, sie lernen von Anfang an.

    "”Babys sind viel klüger, als wir denken. Direkt nach der Geburt können sie Französisch von Englisch oder Russisch unterscheiden. Sie reagieren auf die verschiedenen Sprachmelodien und sortieren sie sozusagen in unterschiedliche Fächer.""

    Professor Kathy Hirsh-Parsek untersucht in Philadelphia seit vielen Jahren den Spracherwerb und die Entwicklung des kindlichen Gehirns. Wie ein Statistiker sucht es von Anfang an nach Mustern in seiner Umgebung, in den Lauten, Formen und Farben aber auch in den sozialen Kontakten mit seinen Eltern. Dabei bilden sich unzählige neue Nervenkontakte, werden Verbindungen eingeschliffen. Beeindruckend - aber, betont die Lernforscherin Professor Elsbeth Stern von der ETH Zürich, dass Babys viel lernen, heißt nicht, dass man die Schule am besten schon in den Laufstall verlegen sollte. Stern:

    "Man hat manchmal den Eindruck, dass Kinder besonders gut lernen, weil sie die Sprache natürlich wie ein kleines Wunder in wenigen Jahren erwerben. Aber das ist sozusagen angelegt in bestimmten Lernprogrammen ist sehr sprachspezifisch, setzt natürlich auch einen gewissen Input voraus, aber Kinder könne nicht irgendwelche Dinge, die sie nicht verstanden haben, auswendig lernen."

    Trotzdem versprechen clevere Geschäftsleute, die natürlichen Lernvorgänge noch zu verstärken. Ein DVD-Bilderbuch mit dem Titel "Baby van Gogh" etwa, erleichtert angeblich das Farblernen. Dass eine DVD den Verstand beflügelt, ist aber eher unwahrscheinlich. Das zeigt ein Experiment aus Seattle. Dabei las eine Chinesin englischsprachigen Babys chinesische Märchen vor. Tatsächlich reagierten die kleinen Gehirne später anders auf chinesische Silben. Als die Forscher eine zweite Babygruppe aber vor einen Großbildschirm setzten und ihnen einen Film der chinesischen Märchenstunde vorspielten, blieb rein gar nichts hängen. Das wundert Elsbeth Stern nicht. Während eine DVD einen ständigen Strom von Reizen bietet, kommt es beim Spiel zu einem Hin und Her, ein Rhythmus der für die soziale Interaktion und den Spracherwerb entscheidend ist. Stern:

    "Die normale Art mit einem Kind umzugehen ist: Das Kind nimmt etwas in die Hand und dann sagt man das Wort dazu, natürlich kann es das nicht wiederholen, wenn es ein kleines Baby ist, aber da kann man davon ausgehen, etwas bleibt hängen. Das ist ein ganz natürlicher Umgang mit Kindern, wo man auf das eingeht, was das Kind gerade interessiert und dann versucht, die nächste Stufe ihm anzubieten, was es selber noch nicht kann was es aber interessant finden würde."

    Statt Babys und Kleinkindern angeblichen Turbotreibstoff fürs Gehirn vorzusetzen, rät auch Kathy Hirsh-Parsek dazu, mit ihnen ganz einfach zu spielen:

    "”Es ist kein Gegensatz Spielen oder Lernen, sondern Spielen und Lernen. Wir untersuchen das gerade, zum Beispiel im Eiscafé. Das Kind will zwei Kugeln und die Mutter sagt, ‚Du kannst aber nur eine haben.’ Das Kind wird den Unterschied zwischen ‚Eins’ und ‚Zwei’ viel besser verstehen, als wenn ich es aufschreibe oder mit einer Lernkarte erkläre. Es muss eine Bedeutung haben und spielen ist für Kinder der bedeutsamste Weg zum Lernen. Viele Studien zeigen, Kinder, die in einer spielorientierten Umgebung aufwachsen haben später einen Vorsprung beim Sprechen und Rechnen.""