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Wie zu Breschnews Zeiten

Vor der russischen Präsidentenwahl am Sonntag hat das staatlich gelenkte Fernsehen ganz im Sinne Wladimir Putins berichtet. Sein Wunschnachfolger Dmitri Medwedew wurde zur besten Sendezeit präsentiert, für die anderen Kandidaten blieben nur Brosamen vom medialen Kuchen. Robert Baag berichtet.

29.02.2008
    Wahlkampf, das soll auch bedeuten öffentliche Meinungsbildung. Und das staatlich gelenkte Fernsehen in Russland sieht sich dabei in der Pflicht. Es bietet den Präsidentschaftskandidaten ein Forum. Sie können sich den Wahlbürgern Russlands präsentieren, so wie hier bei TV Centr. Ein Moderator und drei Studiogäste, kostenlose Sendezeit, alles bestens also? Die Miene von Oleg Panfilov, dem Direktor des unabhängigen sogenannten Zentrums für Extrem-Journalismus in Moskau, bleibt unbewegt, der Ton aber klingt sarkastisch:

    "Die kostenlose Sendezeit legt die staatliche Zentrale Wahlkommission fest. In den ganz frühen Morgenstunden, wenn sich die Leute ihr Spiegelei braten, Kaffee trinken und dann zur Arbeit hetzen, oder ganz spät in der Nacht, wenn die Menschen mit all ihren Familienangelegenheiten beschäftigt sind und keine Zeit haben mitzuverfolgen, was ihnen die Kandidaten zu sagen haben."

    Während der Prime-Time, der Haupt-Sendezeit am Abend, zwischen 18 Uhr und Mitternacht berichten die Nachrichten-Magazine der drei wichtigsten, föderationsweit ausgestrahlten russischen Fernsehkanälen ORT, Rossija und NTW dagegen über ganz spezielle Themen und Personen. Für die Zeit noch vor den Duma-Wahlen und der jetzt laufenden Wahlkampagne hat Panfilov zusammen mit Medienforschen herausgefunden: 91 bis 93 Prozent der Sendungsinhalte hätten sich nur mit Präsident Putin, der Regierung und der Partei "Einiges Russland" beschäftigt.

    Hinzu kommt, dass Putins Favorit Dmitri Medwedew es von vornherein abgelehnt hat, überhaupt an öffentlichen Fernsehdebatten teilzunehmen. Er sei in seiner Funktion als Vizepremier viel zu sehr mit der Regierungsarbeit beschäftigt, wird verlautbart. Die unterschwellige Botschaft: Die anderen reden, Medwedew aber kümmert sich ums Land. Zu besichtigen sind daher seit Wochen dröge, unergiebige Debatten von Chancenlosen nach der Geisterstunde. Medwedew hingegen gibt gleichsam den Figaro, heute in Wladiwostok, morgen in Jakutien, übermorgen in Zentral-Russland. Dort verspricht er, sich um die Rentner zu kümmern. Hier verheißt er den Berufsoffizieren mehr Wohnungen - und die Kameras der Staatssender transportieren die frohe Botschaft in die Wohnzimmer zwischen Kamtschatka im Fernen Osten und Kaliningrad an der polnischen Grenze.

    Gibt es ein Wasserkraftwerk einzuweihen, Medwedew ist zur Stelle, drückt auf den Startknopf - und der Reporter rapportiert es enthusiastisch.

    "Wenn ein Staatsbediensteter für das Amt des russischen Staatspräsidenten kandidiert, ist er laut Gesetz verpflichtet, Urlaub zunehmen","

    erinnert Oleg Panfilov,

    ""damit er nicht die sogenannten 'administrativen Ressourcen' seiner Behörde für den Wahlkampf einspannen und Vorteile gegenüber den anderen Kandidaten ziehen kann."

    Die wütenden Oppositionskandidaten, die auf Gleichbehandlung in den Medien drängen und sich bei der Aufsicht führenden Zentralen Wahlkommission beschwert haben, sind von dort lässig beschieden worden: Das Fernsehen berichte über Medwedew doch nicht als Präsidentschaftskandidat, sondern über seine Arbeit als Regierungsmitglied.

    "Aufgabe Nummer 1 muss es ein, den Rechts-Nihilismus in unserm Land zu überwinden","

    schallt es markig vom Podium im sibirischen Krasnojarsk. Besonderes Augenmerk müsse man auf die Qualität der Gesetze richten sowie auf deren effektive Anwendbarkeit. Ein paar Wochen ist das gerade einmal her. Der Name des leidenschaftlichen Redners: Dmitri Medwedew.

    Oleg Panfilov fühlt sich zunehmend an die Sowjetunion zu Zeiten des KPdSU-Generalsekretärs Leonid Breschnew erinnert - und an einen der damals kursierenden Witze über die Fernsehnachrichten. Damals habe der Nachrichten-Sprecher das Publikum mit den Worten begrüßt:

    ""Gleich hören Sie neuesten Nachrichten über den Genossen Breschnew - anschließend dann noch: zwei Minuten Wetterbericht."